I, Erzählende Schriften 10, Lieutet Gustl. Novelle, Seite 76

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Jeder dieser Missionszweige wirkt bei andern ein¬
issiiche
geborenen Stämmen und verfügt über eine Reihe von
sehr
Niederlassungen, wo besonders Schulunterricht erteilt und
Gottesdienst gehalten wird. Im asiatischen Rußland verfügt
n den
die Gesellschaft über fünf Unterabteilungen. Die wichtigste
Drei¬
arbeitet unter den Eingeborenen des Altai. Sie besitzt
nent.
15 Stationen, 50 Schulen und 55 Kirchen. Die Kirgisen¬
kalen
mission unterhält 9 Stationen mit 16 Schulen.
Für
nter¬
die Ostjaken und Samojeden des Gonvernements
Aus¬
Tobolsk sorgt eine Missionsanstalt in Obdorsk, welche
regelmäßig Wanderprediger und =Lehrer zu den nomadi¬
der
sierenden Stämmen entsendet und zwei Schulen für Kinder
ampf
unterhält. Mit nicht weniger Schwierigkeiten hat die Kam¬
nern
schatkamission zu rechnen. Sie besitzt 17 Niederlassungen
g ein
und hat 23 Schulen errichtet. Im Gouvernement Irkutsk
ffen.
endlich werden 20 Missionsstationen unterhalten, von denen
hin¬
aus 16 Schulen eingerichtet sind.
das
Es läßt sich begreifen, daß für die ungeheuren, in Frage
der
stehenden Gebiete diese Veranstaltungen zur Zivilisierung
der Eingeborenen bei eitem nicht ausreichen, und daß ohne

Aufwendung weit bedeutenderer Mittel der gewünschte Zweck
ung.
hier sobald nicht erreicht werden wird. Man könnte daher
ger
wohl annehmen, daß Rußland alle Kräfte noch auf lange
hinaus diesen Zielen widmen und sich um die religiösen
or¬
Verhältnisse anderer Länder nicht kümmern würde. Doch
das ist keineswegs der Fall. Jahr aus Jahr ein werden
ansehnliche Summen für russische geistliche Missionen
in Konstantinopel und den Balkanländern, Kleinasien
und Palästina und neuerdings auch Abessinien aufge¬
wendet. Daneben wirkte, wie bekannt, seit langem
eine russische geistliche Mission auch in Peking, die aber
neuerdings eingezogen worden zu sein scheint; Rußland weiß
also nicht schlechter als England die Missionsarbeit seinen
Zwecken dienstbar zu machen und hat nicht mehr Grund als
irgend ein anderer Staat, sich eines Verzichts auf dieses
Hilfsmittel zur Erreichung wirtschaftlicher und politischer
Zwecke zu rühmen.
Alexander lwanow.
An Herrn Arthur Schnitzler in Wien.
Geehrter Herr Kollege!
Soeben lese ich, daß Ihre Novelle „Leutnant Gustl“ Ihrem
militärischen Ehrenrate Anlaß geboten hat, Sie Ihrer Offi¬
zierscharge verlustig zu erklären Es ist mir neu, daß Sie einer
militärischen Gerichtsbarkeit unterstellt gewesen sind, und den
meisten Reichsdeutschen wird es ebenso gehen. Bis jetzt hatten
bei uns im Reich nur Kritiker und Lesepublikum und zwar mit
Vergnügen über ihren schriftstellerischen Leistungen zu Gericht
gesessen, unbekümmert um den Privatmann Schnitzler und sein
Verhältnis zum k. k. österreichischen Heere. Daß es jetzt ge¬
löst worden ist, wird Ihnen keine sonderlichen Schmerzen
bereiten: daß dichten und als Militärarzt praktizieren nicht
sich verträgt, ist eine alte litteraturgeschichtliche Erfahrung,
und Sie können sich mit dem Medicus ohne Portepee, der
as Grenadierregiment Angé in Stuttgart wegen zu be¬
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fürchtender Maßregelung bei Nacht und Nebel verließ, trösten,
aber vielleicht haben Sie die Güte, mich darüber aufzuklären,
was eigentlich den Zorn Ihrer gestrengen Herren Richter
erregt hat.
Ich habe Ihre inkriminierte Novelle vergeblich nach dem
Grunde davon durchforscht. Dasmag daher kommen, daß ich dies
Buchlein zu unbefangen lese und nicht zu den Graubündnern
gehöre. Das Geschlecht der Graubündner ist noch nicht aus¬
gestorben: es lebt noch immer und zwar aller Orten und
vird leben zu allen Zeiten. Es sind das jene Leute, die
außer stande, eine Dichtung objektiv auf sich wirken zu lassen,
sofort in ihr persönliche Anspielungen wittern und sich in
ihrem Standesbewußtsein verletzt glauben, sobald irgend
einer ihrer Berufsgenossen einmal in einer Dichtung schlecht
wegkommt. Sie meinen dann, es solle eine typische Figur vor¬
geführt werden. Schlimm für diese Leute! In welchem Stande
überhaupt giebt es nur tadellose Charaktere? Besteht das
österreichische Offizierkorps wieklich aus lauter Idealfiguren,
lauter Bayards oder steckt nicht gelegentlich hie und da ein
Leumant Gustl in der Uniform? Er sollte nicht darin stecken,
ich gebe es zu. Aber ebenso wenig wie alle Offiziere des
deutschen Heeres dem Zeichner des Simplizissimus zum
Modell dienen können und ebenso wenig, wie die Zerrbilder
einzelner das Offizierkorps als solches in den Augen Urteils¬
fähiger herabzusetzen vermögen, ebenso wenig wird Ihr Gustl, in
seiner Mischung von Schneid, Leichtsinn, Trotteltum und Un¬
bildung von dem Wiener Kaffeehauspublikum als ein allgemein
giltiger Repräsentant eines k. k. österreichischen Leutnants
angesehen werden. Gustl hat eine Menge Züge, die ihn
uns menschlich näher bringen und uns den Gedanken nahe¬
legen, so wie er denken auch viele Civilpersonen im Capua
der Geister. Diesen Erwägungen scheint sich indessen Ihr
Ehremat verschlossen zu haben. Das ist für ihn bedauerlich.
Ich habe einmal einen Fall erlebt, aus dem strebsame Schrift¬
steller eine Lehre ziehen können. In einer konservativen,
in der Provinz Brandenburg erscheinenden Zeitung wurde
in einem Roman ein betrügerischer Zahlmeister geschilhert.
Sofort erfolgte ein Protest sämtlicher Zählmeister des Armee¬
korps und die Boykottierung des Blattes. Wer außer jenen
Protestlern hatte wohl daran gedacht, daß der böse Zahl¬
meister der Typus seiner Charge sein sollte! Also auch hier
waren die Graubündner auf dem Posten, uno sie werden es
stets sein. Zum Glück reicht ihr Einfluß nicht so weit, daß
weitere Kreise mit fortreißen könnten. Die Franzosen ertrügen
sonst nicht einen Riccaut de la Marlinière, und Turgeniew
fände dann in Deutschland keine Leser mehr. Sie werden
also Ihr Mißgeschick, verkannt zu werden, zu tragen wissen
und auch ohne Portepee fortfahren, Menschen und Dinge so
zu schildern, wie Sie sie sehen. Der Lorbeer ist bitter,
sagen die Graubündner triumphirend, aber sie kennen ihn
eben nur als Suppengewürz. Genehmigen Sie meinen
Glückwunsch zu dem jüngsten Erfolge Ihrer Feder.
Ihr ganz ergebener
Paul Roland.
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