I, Erzählende Schriften 10, Lieutet Gustl. Novelle, Seite 112

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10. Leutnant Gustl

hart Hauptmann, Lilieneron „Dehmel, Holz und-ihre
Doch vollste Anerkennung gebührt der edlen
kritischen Schutzherren, schien der robuste Naturalis¬
Sprechkunst der Herren Ebert und Jansser., Schade,
mus der jungen Berliner Schule durchaus siegreich
daß nicht die ganze Aufführung auf der Höhe der
Wohl zu merken, nicht den einzelnen führenden
drei zuletzt genannten Künstler war.
Kraftnaturen, sondern ihrem Parteiprogramm
Ein Werk von Arthur Schnitzler, dessen erste
schrieb man den Sieg zu, den man dadurch zu einem
Veröffentlichung (Anatole) ja durch ein aufsehen¬
absoluten stempelte. Und in dieser Zeit, mit all
erregendes entzückendes Gedicht des jungen Hof¬
mannsthal eingeleitet wurde, wurde als zweites
ihrem Haß gegen den schönen Schein, wuchs aus
(Quellenangabe ohne Gewahr.)
Stück im „Zweiten Oesterreichischen Autorenabend“
einem jungen Herzen ein Gesang auf vor, einer
unseres Schauspielhauses gegeben: die ernste und
Klangschönheit, wie man sie noch nie in deutscher
Frankturter Nachrichten
hnitt àus4 119
alb dunkle dramatische Studie „Der Puppen¬
Sprache vernommen, ein Gesang, trunken von
und Intellievenz Blatt
pieler“ Herr Bauer brachte das erschütternd
Erdenferne, glühend strahlend von überirdischer
Rätselhafte des seinen Charakterschnittes und Le¬
Pracht: die Hofmannsthalsche Lyrik. Zu dieser
#### Frank. 5
bensumrisses in bedeutsamer Linie zur Be¬
neuen Lyrik, die zunächst noch ziemlich ein Jahrzehnt
tonung. Neben ihm bestanden Herr Pfund und
lang die Oeffentlichkeit scheute und nur einen klei¬
Fri. Karsten aufs Beste, so daß Schnitzlers Ein¬
nen Kreis von Freunden in Staunen setzte und ent¬
Oesterreichischer Autoren-Abend
akter eine einwandsfreie Wiedergabe fand.
zückte, gehört auch „Der Tor und der Tod“. Für
Die drei weiteren Stücke, die der Abend brachte
Einakter von Hofmannsthal, Schnitzler, Anern¬
keine Bühne, wie die unsere ist, war dies Spiel er¬
waren leichterer Art. Zunächst kam die späßige
dacht, und immer wird es hier ein Fremdling blei¬
heimer, Salten, H. Müller.
Plauderei von Raoul Auernheimer: „Ein
ben, — weder dem Kulissenapparat noch der ge¬
Es gibt ein äußeres und ein inneres Deutsch¬
Kuß auf der Redonte“, in dem wiederum
mischten Menge der Zuschauer will es sich anpassen.
land, und gerade in den letzten Jahrzehnten bis
Herr Pfund sich in einer Philisterrolle vorzüglich
Hofmannsthal hat auf anderen Fahrten die große
zur großen Schicksalswende August 1914 hat der
bewährte. Frl. Aschenbach war sein schlaues, leicht¬
Welt und Theaterruhm gefunden. Aber es ist ein
deutsche Geist immer schmerzhafter darunter gelit¬
blütiges Frauchen. Danach erzielte Felix Sal¬
weiter Weg gewesen von dem schwermintigen Schön¬
ten, daß keine Harmonie bestand zwischen beiden.
tens Komödie „Schöne Seelen“ einen vollen
heitsrausch des todumgaukelten Träumers und
Wir haben auch eine Dichtung der Oberfläche, und
Erfolg. Hier werden fast ganz ohne groteske Ueber¬
„Toren“ bis zum weltgewinnenden Operettendich¬
eine, fast möchte man sagen, geheime, und oft sind
treibung mit treuester Naturwahrheit außerordent¬
ter und „Rosenkavalier
es die im Verborgenen aufkeimenden und sich aus¬
lich komische Wirkungen erzielt. Die Herren Sachs
Wie ein lyrisches Gedicht, ganz einheitlich im
breitenden namenlosen Gedanken, die sich immer¬
und Pröckl und Frl. Karsten führten die Haupt¬
Vortrag, müßte Hofmannsthals „Der Tor und der
grün und fruchtbar erweisen, während die, von
rollen mit Geschick und Geschmack durch.
Tod“ auf der Bühne behandelt werden, sollte die
denen alle Zeitungen und Gespräche voll sind, die
Das letzte Stück des langen Abends, „Tronba¬
wundersame Melodie, die in diesen Versen lebt,
breit und lärmend in der Oeffentlichkeit stehen, nur
dour“ von Hans Müller, ist ganz leichte und
nicht entstellt werden. Herr Hartung hatte eine
flüchtige Trugbilder zeugen, nur Unruhe und kei¬
wenig originelle Arbeit. Dank einiger lustiger Ein¬
kleine Bühne inmitten der großen aufgebaut, um
nen Fortschritt bringen.
fälle aber erregt es doch unsere Heiterkeit und
die Illusion des „Intimen“ zu schaffen, er ließ die
Der junge, in der Schule Georges herangereifte
icherte so dem österreichischen Autorenabend einen
Schauspieler ganz leise sprechen, so leise, daß das
Hofmannsthal dichtete ein kleines Drama „Der Tor
achenden Abschluß. Frl. Aschenbach und die Herren
wenigste verstanden wurde, er verwendete bunte
und der Tod“ ganz unberührt von allem Gespräch
Bauer., Pröckl und. Schreck empfingen dafür den
Beleuchtung ... Alles ohne Erfolg. Die Haupt¬
sener Tage. Es war eine Zeit, da angeblich nur
Dank „des Publ#tumd.

rolle war durch Herrn Manz schlecht besetzt. Er
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naturalistische Dichter ein Recht hatten, zu leben.
wußte nicht aus den klangvollen Versen die süße
Wohl wehrte sich noch manch einer gegen die Er¬
Schönheit und nicht den ergreifenden Sinn heraus¬
kenrknis, daß es aus war mit dem Jambenidealis¬
zuholen. Von Frl. Korn verstand man kaum ein
mus und der Blaublümelein=Romantik, aber da
Wort; ihre Mutterliebe war nur klägliches Getön.
sich keine kraftvolle Persönlichkeit fand, die den
Unruhe bemächtigte sich des Hauses, worunter auch
Kampf aufnehmen konnte gegen Stürmer wie Ger¬
Frl. Höfers Vortrag anfänglich zu leiden hatte.
Ausschnitt aus
Gerfiner Neuste Nachrichte
23.12.05
Gerfiner Llkal-Anzeiger
Der Verein zur Förderung der Kunst veranstaltete Mon¬
tag den vierten Rathaus=Abend. Herr Dr. L. Bauer
gab in erschöpfender Weise ein Bild über die Bedeutung und
22.12.03
Entwickelung Arthur Schnitzlers als emporstrehender Künst¬
ler und löste dadurchwerter Beüeinige psycho¬
logische Rätsel in den Grundssebaren der Dramen des viel¬
zenannten Dichters. Dann folgten drei Gedichte Schnitzlers,
g. Einen Artur = Schnitzler= Abend ver¬
stimmungsvoll vorgetragen durch Dr. G. Manz; und zwei
anstaltete gestern (Montag) im Rathause der Verein
Szenen (Filippo, Andrea 3. Akt; Beatrice und Filippo), aus
zur Förderung der Kunst. Der zurzeit in Berlin
„Der Schleier der Beatrice“ rezitiert durch Friderike Stritt und
weilende Vertreter des dichtenden Jung=Wien,
Dr. Manz. War schon der diesen Szenen vorhergehende Vor¬
Dr. Ludwig Bauer, leitete ihn mit einem gureg¬
trag sehr beeinträchtigt durch die starke Indisposition Dr. Bauers,
amen und beifällig aufgenommenen Vortrag über
ermüdend und abspannend, so brachten die darauffolgenden Rezi¬
den Sänger des „süßen Mädels“ ein, in dem er von
tationen keine Erholung; denn noch so virtnos zu Gehör gebracht,
„Anatol“ bis zum „Schleier der Beatrice"
sind abgerissene Bruchstücke eines Dramas für den Laien wenig
Schnitzlers Entwicklungsgang liebevoll schilderte.
Genuß spendend, und schließlich soll doch die Kunst für jeder¬
Selbst mehr schaffender Schriftsteller als kriti¬
nann verständlich sein und erbauend wirken. Tiefsinnige, ver¬
scher Literator, irrlichterierte der Vortragende
chleierte Fragen stellt das gewöhnliche Alltagsleben schon so wie so
recht lebhaft zwischen schiefen Auffassungen und
zur Genüge an jeden Menschen und stundenlange Abhandlungen
hübsch geprägten Charakterworten hin und her.
über „Seelenstimmungen“, „Geistes=Metamorphosen“ eines an¬
flimmerten auch die Irrlichter leb¬
Indessen
dern verlieren sehr bald, zumal in so ausgedehnter Art. an Inter¬
Vor¬
haft genug, um die Freude am
esse. Den endgültigen Schluß brachte nach langem Kampf Herr
seibst
Schnitzler
zu halten.
Giampietro. Sein „Leutnant Gust'l“ —
der Seelen¬
trage wach
kam mit der stimmungsvollen Rezitation
kampf eines, durch einen Bäckermeister in der Ehre gekränkten
zweier Szenen aus „Schleier der Beairice“ #irch
und aus diesem triftigen Grund zum Selbstmord entschlossenen
Dr. Gustav Manz und Friederike Stritt und mit
Offiziers — war eine Schilderung von beängstigender Länge,
der virtuosen und veifällig begrüßten Veklesung
nur durch die vorzügliche Vortragsweise einigermaßen erträglich
der Novelle „Leutnant Gustl“ durch Joseph Giam¬
gemacht.
pietro zu Worte. Jedenfalls war damit den zahl¬
reichen Publikum ein interessanter Abendceboten