I, Erzählende Schriften 7, Die Frau des Weisen. Erzählung, Seite 3

Fra
D
7.
des Neisen

IeTheater und Kunst.
s. Kainz=Vorlesung. Zwei Stunden lang
ertönte gestern die Stimme dieses Schauspielers,
diese Stimme, deren Klang so edel ist wie der
Klang einer edlen Geige, und voll Ausdruck,
und reich an Künsten wie an hoher Kunst und
schmiegsam. Diese Sprechstimme strömt solchen
Wohllaut daß man ganz gut sagen kann, si
habe gestern im Musikvereinssaale wie ein
Konzert gewirkt. Herr Kainz las zuerst Schiller.
„Die Götter Griechenlands“, dann aus der
Odyssee“ die Erzählung von dem Zyklopen.
unbeschreiblicher Klarheit schien das
Schillersche Gedicht aufzusteigen, schäumend,
weiß und durchsichtig wie ein Springquell. Und
wundervoll lebendig wurden die Homer=Gestal¬
ten, Odnsseus und Polyphem, selbst die Widder
und Herdentiere und das Meer, und die weite,
lächelnde, griechische Landschaft. Dann kamen
die Gedichte von Rainer Maria Rilke, die dem
Publikum neu waren, und deren außerordent¬
lichen Inhalt es nicht sogleich zu fassen ver¬
mochte. Nur wer diese Verse genau kennt, ver¬
mag zu ermessen, wie zart, wie plastisch und
wie durchgeistigt Herr Kainz sie gelesen hat.
„Der Panther" und „Der Fahnenträger“ wur¬
den mit stürmischem Beifall aufgenommen, und
„Der Schauende“ bejubelt. Es folgte die erste
Szene aus „Manfred“, die Kainz meisterhaft
übersetzt hat, und die er hinreißend vortrug.
Es folgte SchnähLer,
s reizende Erzählung
„Die Frau### Weisen und Herr Kainz las
n dem moussierenden Tempo, das ihr
notwendig ist dazu mit einem entzückend
nodernen, v Ihnt=mondainen Parlando. Eine
Lumores“; von Mark Twain machte den
Schluß. Mehr als zwei Stunden waren fast
ohne Pause vergangen, aber die Leute waren
des Hörens nicht müde, verlangten rufend,
schreiend Zugaben, und der Saal mußte ver¬
dunkelt werden, um Ruhe zu schaffen.
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SAEN
*
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(Quellenangabe ohne Gewähr.)

6 Ausschnitt
Wiener Deutschee Tagblatt, Wien
E vom: 3 2 1906
Kunst und Wissenschaft.
Kainzabend. Josef Kainz hatte für seinen
gestrigen Vortragsabend, den er im Musikvereinssaal ver¬
ganstsltete, ein kühnes Programm zusammengestellt. Er
begenn mit Schillers gedankenschwerer #itung „Die
Gäkter Griechenlands“, wagte sich an den neunten Gesang
her Homerschen Odyssee, rettete sich dann aber vor
dem Zorn des Kyklopen Pelyphem, dessen gewaltiger
Cilanenatem ihm die Brust sprengte, sogleich
A einem gewaltigen Satz in den sichern Hafen der
ungefährlichen Moderne, von der er Rainer Maria Rilke
mit einer Reihe stark überspitzter lyrischer und
proschtischer Aperaus, sowie Artur Schnitzler mit seiner
bekannkon, erotisch erweichten Novelle „Die Frau
des Wessen“ zu Worte kommen ließ. Dazwisch####
noch die Ansangsszene des Manfred, eine Art Faust¬
monolog, von Kainz selbst überjetzt, mit der er gestern den
größten Effekt erzielle, und zum Schlüsse eine amerikanische
leidlich witzige Humoreske. Alles das deklamierte Kainz
mit seiner virtuos entwickelten Sprachtechnik dritthalb
Stunden lang, ohne sich und sein zu 80 v. H aus
koinzkunstbegeisterten jugendlichen Damen bestehendes
Auditorium, das mit ihm durch dick und dünn geht,
im geringsten zu ermüden. Und das ist das wirklich Er¬
staunliche an der Sache.
Kainz=Vorlesung. Bestern Abends erschien
Kainz als Rezitaior im großen Musikvereinssaale,
den die zahlreiche Gemeis#ne Verehrer und
Verehrerinnen# apmunte. Es gewährt ja
stets einen bssonderen Genußt den Künstler ohne die
Zurüstungen der Bühne auf sich selbst gestellt zu sehen,
und den suggestiven Bau seiner rezitatorischen Kunst in
packender Unmittelbarkeit zu empfinden. Seine meister¬
hafte Technik, die selbst im Wirbelsturm der Rede
jedes Wort in klarster Prägung vorüberfluten läßt,
kommt ja hier in vollstem Maße zur Entfaltung. Und
neben dieser Technik sein überlegener Kunstverstand, der
aus jeder Dichtung mit einer Fülle seinster Nüancierungen
ihre Wirkungen bis zur Nagelprobe ausschöpft. Das
Programm hot ihr dazu in ausgiebigster Weise
Gelegenheit. Der Schwung und die Pracht Schilleis in
dem Gedichte „Die Götter Griechenlanss“ Gedichte von
Rille, strotzend von intensivem Gedankenleben, und in
Bersen gemeißell, schön und und leuchtend wie Marmor,
der dröhnende neunte Gesang der Odyssee, eine herrliche
Szene aus Byrons „Manfred“, Schuitzlers träumerisch¬
wehmütige Stizze „Die Frau des Weisen“ — all das
rauschie bald mit hinreißender Wucht, balt zart und
sanft gefärbt, an den Zuhörer# vorüber. Und nach dem
Ernst ein kleines Satyrspiel, ein derb humoristisches
Gedicht „Die Angst vor dem Gewitter“, mit köstlicher
Laune zum Vortrag gebracht. Kainz war den ganzen
Abend hindurch von Beifall umwogt, der sich zum
Schlaß zu einer stürmischen Huldigung steigerte.
* Wie man uns mitteilt, wird Goldmarks „Winter¬
[märchen“, das am 4. März neuerlich ins Repertoire der
Hofoper ausgenommen werden sollte, bereits Montag
den 2. März gegeben werden. Fräulein Fonst, die neue
Darstellerin Dir Perdida hat sich auf Drängen der Direktion
mit dem Stubium ihrer Rolle so sihr beeilt, daß die Oper
zu einem früiheren Termin angesetzt werden konnte.
Direktor Weingartner vera¬
# daß in Hinkunft in
den Wiederholungen des „Wintermärchens“ keine Unter¬
brechung mehr erfolgen wird.
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