I, Erzählende Schriften 7, Die Frau des Weisen. Erzählung, Seite 4

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O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.

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0 in Berlin, Buelagest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid. Mailand, Minneapolis, New-Vork,
00
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quelienangabe ohne Gewühr.)
Ausschnitt aus:
28 2. 1908
vom:
—Hauns Wiener Journal
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Theater und Kunst.
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(Kainz=Vorlesung.) Die Vortragskunst Josef Kainz',
der gestern im großen Musikvereinssaal zu wohltätigem Zwecke
las, konnte diesmal ganz besondere Triumphe feiern. Kainz hatte
ein lyrisches, episches und novellistisches Programm gewählt. Aber
alle Stücke erfüllte er mit Plastik und bunte Figuren wurden
lebendig. Mit spielender Leichtigkeit besiegte sein herrliches
Organ alle Schwierigkeiten. Den Anfang bildete Schillers „Die
Götter Griechenlands“, das bekannte rhetorische Meister¬
„Sensation“, des Abends.
stückchen. Darn folgte die
Man kann es nicht anders nennen. Kainz las zum
erstenmal den neunten Gesang der Odyssee in der Voßschen
Uebersetzung. Noch nie wurde eine epische Dichtung dramatischer
zum Vortrag gebracht. Der Vorlesetisch versank, man war mitten
in dieser fremden Welt überirdischer Figuren. All die Abenteuer,
umweht vom Zauber des Seltsamen, wurden mit einemmai
lebendig. Vor unserem Auge erschien der Sohn des Laertes, wir
sahen ihn im Kampf mit dem grausamen Riesen. Und das
Rauschen der grauen, sturmgepeitschten Wogen schlug an ## er
Ohr. Und dann später freuten wir uns, der Städteverwüster
den Zyklopen bezwang und sein Auge blendete. Diesen Teil las
Kainz mit unerhörter diasektischer Kraft und wunderbarer Freude
in Klange der Worte. Sodurn kam die Lyrik zu Worte: Rainer
Maria Rilke. Zarte, scheie, fast verschüchterte Verse voll von
Geheimnissen, bedeckt mit seinen Schleiern. Man horchte Melodien,
die aus den Tiefen eines Dichterherzeus emporsteigen. Hier gab

—.—
Kainz jedem Worte des Poeten Seele, er schöpfte alle
Stimmungen restlos aus. „Das Karussell“, „Der Tod des
Dichters“, „Der König“ und „Der Schauende“ sind Perlen neuer!
Lyrik. Rilke erinnert zuweilen an Arno Holz, er scheint aber der
Individuelleie zu sein. Byrons „Manfred“ (erster Akt, erste
Szene) in der vollendeten Uebersetzung von Kainz gab dem
Künkler wieder Gelegenheit, vom Vorlesetisch aus dramatisch zu
wirken. Din Schluß bildeten Schnitzlers wunderschöne Novelle
„Die Frau des Weisen" und Mark Twains Humoreske „Die
Hurcht vor dem Gewitter", beides Kabinettstücke persönlicher Vor¬
tragskunst. Mark Twains grotesker Humor weckte Lachstürme.
Das Publikum spen Josef Kainz begeisterten Beifall.

Telephon 12801.
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0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
*
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(qdelienangabe eune Gewahr.

Ausschnitt aus:
28FTB MPHamdenblatt. Wier
## vom:
Wien, 28. Februax.
* (Dritte Kainz=Vorlesung.) Diese Vorlesungen haben ein ganz
eigenartiges Merkmal: ihnen bleibt immer der Enthusiasmus der
Jungen treu. das Verstehen der Alten, und je weiter die Saison vor¬
schreitet, desto größer wird die Schar der Kainz=Verehrer. Die bei der
ersten Vorlesung etwa nur zögernd mitgingen, sie werden bei der zweiten
schon wärmer und bei der dritten sind sie Feuer und Flamme. Mit¬
Grillparzer hat Josef Kainz beuer begonnen, an J. I. David führte
der Weg vorbei und gestern gab es wieder eine Huldigung für drei
Lundsleute: für Rainer Maria Rille, für Artur Schnitzler und —
Josef Kainz. Denn der große Schauspieler Kainz führte gestern
dem Publikum, seinem Publikum, einen neuen, hochbegabten
Schriftsteller vor: einen Schriftsteller, der Byron vortrefflich übersetzt
und den Genius des britischen Dichters in seinem echten Glanze zur
Erscheinung bringt, den Schriftste“. Josef Kainz. Vor einiger Zeit
fragte Kainz seine Freunde, was
enn eigentlich für seine Vorlesung
wählen solle. Und alle rieten übereinstimmend zu —.Kainz. Denn der
„Manfred“, so weit er bisher gediehen — er war draußn in der
Lannerstraße übereinstimmend als lesenswert erklärt worden. Und das
Urteil der Freunde, es wurde gestern abends von einem mehr als
tausendköpfigen, kunstbegeisterten und kunstgestimmten Publikum voll¬
inhaltlich bestätigt. Die erste Szene des ersten „Manfred“=Aktes — sie
brachte dem Uebersetzer reiche Ehren, in die er sich zugleich
mit dem Vorleser teilen konnte.... Rainer Maria Rilte, in
dessen Dienst Kainz gestern seine Kunst stellte, er
ist den
Jungen kein Fremder. Sie schätzen ihn als zarten, innigen Lyriker und
freuen sich, daß seine Wiege in Oesterreich gestanden. Orpheus, Eurydike,
Hermes machten den tiefsten Eindruck, und gerade bei Rilke konnte
Josef Kainz wieder zeigen, wie er die Sprache meistert, welcher Ge¬
fühlsreichtum in seinen Worten lebt. Was legt er nicht alles zum Bei¬
spiel in das Wort „Mädchentum hinein, was in das Wort „Tod“. So
läßt er jedes Dichterwort volltönend klingen. Und unmittelbar vor
Rilke hatte Kainz, der im Vorjahre den Daute in den Vorlesesaal ge¬
bracht — ein schweres Beginnen — Homers „Odyssee“ vorge¬
tragen. Der Odyssee neunter Gesang, übersetzt von Voß, vor¬
gelesen von Kainz —
er schien vielen ein kleines Drama.
Wie da die Wut des Cyklopen zischt und kreischt, der eben
durch den listenreichen Odysseus sein Auge verloren — man vermeinte
all die Erlebnisse, die doch weit, weit hinter uns liegen, mitzuerleben.
Ebenso wie die in der Gegenwart syielende Novelle Schnitzlers „Die
Frau des Weisen“, die uns den guten, edlen, verzeihenden, vergessenden
und vornehmen Mann vorführt. Und nachdem er solche
schwere Goldstufen der Dichtung gehoben, unternimmt er leichten
Flugs die Fahrt nicht ins alte romantische Land, sondern
in
das neue, bitter realistische Yankeelaud, um an dessen bereits
wohlbekannten Humoristen seine souveräne Kunst zu üben.
Nach all dem Dramatischen und Lyrischen Mark Twains behäbiger
Humor, der so anschaulich schildert, wie die nervöse, ängstliche Gattin
den Gatten quält und quält: Eben dieselbe Gattin vielleicht, der der
Gatte vorber so edel verziehen. Es war eine schwere Aufgabe, die Nich
Kainz gestern gestellt — er hat sie aber, wie der Beifallsjubel und das
Beifallslosen zeigte, mit Auszeichnung gelöst. Kainz kann mit sich als
Schauspieler, Vorleser und Schriftsteller zufrieden sein ...
Li.