I, Erzählende Schriften 6, Der Ehrentag, Seite 1

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Der Ehrentag
6.
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esterreichische
vom:
1192
Vorlesung Herann Bahr's. Der zweite
Abend des vom Damencomité arrangirten Cyklus zu
Gunsten des Rekonvaleszentenheims für arme Frauen
in Hütteldorf brachte eine Vorlesung Hermann Bahr's.
Artbur Schnitzler, Felix Dörmann und Fer¬
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dinand Groß hätten sich kaum einen besseren Inter=Jnsive
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preten ihrer Werke wünschen können als Hermann
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Bahr, der diese vorgestern dem Publikum vorführte. #hlbar
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Bahr begann mit der seinerzeit veröffentlichten Er= Voraus.
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zählung von Arthur Schnitzler: „Der Ehrentag“e ist das
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Abonnement
Eine alltägliche Geschichte von erschütternder Tragik,#t es den
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die Geschichte des verkannten Genies, aber von der
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traurigsten Seite aufgefaßt. Ein schlechter Scherz, den
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sich ein paar übermüthige Müßiggänger erlauben, treibt
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den Helden der Erzählung schließlich in den Tod. Bahl
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Zeitung
fand für den Unglücklichen ergreifende Herzenstöne.
wodurch eine
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Das Auditorium war so ergriffen, daß, nachdem der
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Vorleser geendet, eine minutenlange Pause entstand¬
bis der Beifallssturm losbrach. Die zweite Nummer
war eine heitere Skizze von Felix Dörmann: „Wie
man Minister fängt“. Die Skizze erzielte dank der Art
der Darstellung schöne Wirkung. Den Schluß bildete
Ferdinand Groß' köstliche Satyre: „Eine neue lite¬
rarische Schule“. Die Erzählung ist voll beißenden
Spottes und blendenden Witzes, recht eine Aufgabe
nach Bahr's Sinn. Er imitirte einige bekannte Ge¬
stalten aus den literarischen Kreisen unserer Residenz
mit so viel Bosheit, daß man hätte wähnen können,
Jung=Wien habe sich auf dem Podium Rendezvons
gegeben. Das sehr zahlreich erschienene Publikum
lohnte Bahr's Vortrag durch minutenlangen Applaus.
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sich als „Augenmensch“ im Sinne eines
Goethe. „Wenn ich,“ so schreibt er, „ein Schriftsteller
von einiger Bedeutung geworden bin — was ich gottsol
nicht zu entscheiden habe — so bin ich es jedenfalls auf
dem Umweg über die Beobachtung geworden. Die Beob¬
achtung ist das Fundament meiner Literatur.“ Was wir
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Nr. 12
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als Proben hörten, sprach für die Richtigkeit dieser
Ichbeobachtung, aber auch für eine recht hübsche Gabe,
das Beobachtete poctisch zu durchdringen und erwas An¬
sehnliches #raus zu machen. Die reizende Erzählung
„Staniol“, in der das Glücksbegehren und Glücksgefühl.
die Sättigung nd Wandelbarkeit des Kinderherzens so
artig und schalthaft zum Spiegelbild unserer alten und
doch noch so kindlichen Herzen gemacht wird, wurde bei
fällig ausgenommen, obgleich sie sich mehr zum stillen
nachdenklichen Lesen als für den Vortrag eignet. Auch
die zweite Gabe, „Das Abenteuer der Unterlehrerin“,
bezeugte ein anfehnliches, mit Geschmack schaffendes Ta¬
lent, doch wagen auch wir auf Grund des Gebotenen
noch nicht zu entscheiden, ob der sympathische junge Poet
schon „ein Schriftsteller von einiger Bedeutung“ gewor¬
den ist, wir glauben aber, daß er es werden kann.
Dic von Grete Ilm=Eberlein vorgetragenen Ge¬
dichte von Rainer Maria Rilke, Stephan Zweig und F.
K. Ginzkey lamen trotz der tadellosen Rezitation in den
großen Saal nicht recht zur Geltung. Solche Lyrik wie
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die neue Wiener, die, ganz subjektiv, die zariesten Emp¬
findungen durch frei bewegte lockere Rhythmen gewisser
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maßen nur fibrieren läßt und die Pointe nur Im Hauche
pibt, sollte nicht deklamiert werden. Dazu isteihre Schön¬
heit zu gut. zu sylohidenhaft, sie zerflattert in dem großen
Raum, ehe die Sinne nur einen Strahl ihres Iris¬
schimmers erhaschen können.)— Den tiefsten Eindruck er¬
zielte Artar Schnitlers „Der Ehrentag“, der die Ver¬
anstaltung würdig schloß.
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11. Dezomber 1910
Nr. 16633
geführt. Unter seinen Novellen und Humoreskensammlungen
sind „Die Briefe eines Junggesellen“, und ein anderes Büch¬
lein „Aus ungleichen Tagen“ am bekanntesten geworden. Eine
ehr ersprießliche Tätigkeit entwickelte Singer auf humanitärem
Gebiete, unter anderm als Vorstand des Theresien=Kreuzer¬
vereines und als Präsident des Vereines zur Unterstützung
mittelloser israelitischer Studenten. Ein Herzleiden, das den
trefflichen Mann vor einigen Jahren befallen hat, verdüsterte
die letzte Zeit seines Lebens. Vergebens suchte er in Marienbad
und Ischl Linderung seines schweren Siechtums, und heute
morgens hat ihn der Tod hinweggerafft. An seinem Grab¬
trauern eine Witwe und eine Tochter. Das Leichenbegängnis
findet am Montag den 12. d. um 10 Uhr vormittags
vom
Trauerhause, 1. Bezirk, Am Hof 11, auf dem Zentral¬
friedhofe statt.
[Die Chorherren.] Von den Chorherren der Hof¬
oper war diese Woche riel und laut die Rede. Sie standen
im Brennpunkt des öffentlichen Interesses. Man fragte sich
wie die Oper ohne den erprobten Chor bestehen könne, be¬
trachtete kopfschüttelnd das Notrepertoire chorloser Opern¬
vorstellungen und machte sich mit dem Gedanken vertraut, an
einzelnen Tagen auf dem Theaterzettel den ominösen Vermer
Geschlossen“ zu lesen, geschlossen, weil der Chor nicht mittun
will. Der prunkvoll und majestätisch anmutende Ausdruck
Chorherren ist übrigens erst im Lause dieser Krisentage dem
großen Publikum mundgerecht geworden. Vielsagender und
bedeutungsvoller klingt er als das simple, schlichte, einsilbige
Wort Chor. Der Chor wird wieder mittun, die Chorherren
haben sich empört, den Hoftheaterbehörden getrotzt und den
Unmut des Publikums heraufbeschworen, das höchst wider¬
sinnig und unmotiviert gezwungen wurde, für die Kriegs¬
kosten dieses wirtschaftlichen Kampfes aufzukommen. Aber
davon darf man schweigen und Siegern und Besiegten die
vielleicht gleich berechtigten Vorwürfe ersparen; denn der
Friede ist geschlossen, Erklärungen sind getauscht und harte
Strafmaßregeln zurückgenommen worden. Der Chor tritt
wvieder in das namenlose, individualitätsberaubte Dunkel
zurück, die Chorherren geraten neuerdings in Vergessenheit.
Es ist wie mit Organen des menschlichen Körpers, deren man
erst gedenkt, wenn sich eine Funktionsstörung meldet, wenn
irgend etwas in Unordnung geraten ist. Dann sieht man zum
Rechten, erkenni mit gesteigerter Besorgnis, daß man sie nicht
vernachlässigen darf, daß sie zum Leben unbedingt notwendig
sind, um dann wieder bis zum nächstenmal über sie zur
Tagesordnung hinwegzugehen. Es mag Opernbesucher in
Hülle und Fülle geben, die auf ihrem abonnierten Stamm¬
sitz keine Vorstellung auslassen und bei denen der Gedanke
n den Chor, seine Existenz, die sich doch aus soundsovielen
Individualitäten zusammensetzt, aus Menschen
mit Sorgen
und Hoffnungen, mit Freuden und
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