4. Der Witver
box 1/3
„
errathen es nicht manch scheuen Worte dieser glühenden und
Drem Mond¬
hrem Namen.
zitternden Briefe, daß er anfangs mit sich g kämpft, daß er
mlade, die ver¬
versucht hat, sich loszureißen, daß er endlich dieses Weib an¬
ieht nur immer
gebetet und daß er gelitten hat?... Unheimlich ist es ihm
das gedanken¬
beinahe, wie ihm Alles das so klar wird, als stünde ein
und will
Fremder da, ihm's zu erzählen. Und er kann nicht rasen, so
zur Hand,
sehr er sich darnach sehnt; er versteht es einfach, wie er
e,
den er ver¬
es eben immer bei Anderen verstanden hat. Und wie er nun
n sieht er, von
daran denkt, daß seine Frau da draußen liegt, auf dem stillen
die Briefe
Friedhof, da weiß er auch, daß er sie nie wird hassen können,
den, der oben
und daß aller kindische Zorn, selbst wenn er noch über die
ef an sie, noch
weißen Mauern hinüberflattern könnte, doch auf dem Grabe
zärtliche Auf¬
selbst mit lahmen Flügeln hinsinken würde. Und er erkennt,
Leben in das
wie manches Wort, das sich kümmerlich als Phrase fristet,
auf und spricht
in einem grellen Augenblicke seine ewige Wahrheit zu er¬
e:
ein wirres,
kennen gibt, denn plötzlich geht ihm der tiefe Sinn eines
Wortes auf, das ihm früher schul geklungen: Der Tod ver¬
söhnt. Und er weiß es: wenn er jetzt mit einemmale jenem
Briefe zwischen
Anderen gegenüberstände, er würde nicht nach gewaltigen und
ihm vorüber,
strafenden Worten suchen, die ihm wie eine lächerliche
zu lesen. Nur
Wichtigthuerei irdischer Kleinlichkeit der Hoheit des Todes
— daß er
gegenüber erschienen — nein, er würde ihm ruhig sagen:
hmen
werde
Geh', ich hasse Dich nicht.
Gesicht wieder¬
—
Silbe
und
Er kann ihn nicht hassen, er sieht zu klar. So tief
diese zärtlichen
kann er in andere Seelen schauen, daß es ihn beinahe be¬
icht vor einer
fremdet. Es ist, als wäre es gar nicht mehr sein Erlebniß
er fühlt es als einen zufälligen Umstand, daß diese
en, ob er noch
Geschichte gerade ihm begegnet ist. Er kann eigentlich nur
eines nicht verstehen: daß er es nicht immer, nicht gleich von
blauen Seiden¬
Anfang an gewußt und — begriffen hat. Es war Alles so
er traurig. Da
einfach, so selbstversändlich, und aus denselben Gründen
lebt — er hat
kommend wie in tausend anderen Fällen. Er erinnert sich
d auch Briefe
seiner Frau, wie er sie im ersten, zweiten Jahre seiner
tlichen Schrift,
Ehe gekannt, dieses zärtlichen, beinahe wilden Geschöpfes,
efe mit Schrift¬
das ihm damals mehr eine Geliebte gewesen ist, als eine
er löst das
Gattin. Und hat er denn wirklich geglaudt, daß dieses
sie kommen
blühende und verlangende Wesen, weil über ihn die ge¬
heute auch da
dankenlose Müdigkeit der Ehe kam — eine andere geworden
id ganz hinten
ist? Hat er diese Flammen für plötzlich erloschen gehalten,
vie die anderen
weil er sich nicht mehr nach ihnen sehnte? Und daß es
Due unbekannte.
gerade
— Jener war, der ihr gefiel, war das etwa
's
Schrift. Und
verwunderlich? Wie oft, wenn er seinem jüngeren Freunde
or das blaue
gegenübersaß, der trotz seiner dreißig Jahre noch die Frische
nen Augenblick
und Weichheit des Jünglings in den Zügen und in der
er um sich, ob
Stimme hatte — wie oft ist es ihm da durch den Sinn
en, und schaut
gefahren: Der muß den Weibern wohl gefallen können. ...
auf die Briefe,
Und um. erinnert er sich auch, wie im vorigen Jahre,
ächsten Minute
gerade damals, als .. es begonnen haben mußte, wie
ließ
* * *
Hugo damals eine ganze Zeit hindurch ihn seltener besuchen
wehrte es sich
kam als sonst. . .. Und er, der richtige Ehemann, hat es
lich gewaltsan
ihm damals gesagt: Warum kommst Du denn nicht mehr zu
das Pückchen in
uns? Und hat ihn selbst manchmal aus dem Bureau abge¬
dessen glänzend
holt, hat ihn mit herausgenommen auf's Land, und, wenn
rzen des Arm¬
er fortwollte, hat er selbst ihn zurückgehalten mit freund¬
as Clavier ge¬
schaftlich scheltenden Worten. Und niemals hat er was be¬
Der kleinen ver¬
nerkt, nie das geringste geahnt. Hat er denn die Blicke der
ach jedem von
Beiden nicht gesehen, die sich feucht und heiß begegneten?
nd alle liest er
Hat er das Beben ihrer Stimmen nicht belauscht, wenn sie
er Nordsee ge¬
zu einander redeten? Hat er das bange Schweigen nicht zu
rft ihn zu den
deuten gewußt, das zuweilen über ihnen war, wenn sie in den
suche er noch
Alleen des Gariens hin= und herspazierten? Und hat er
Blättern auf¬
denn nicht bemerkt, wie Hugo so oft zerstreut, lannisch und
etwas, das den
traurig gewpesen ist — seit jenen Sommertagen des voriacu
Ich wollte schon heute Früh da sein. Aber ich habe Dein
Telegramm erst spät Abends gefunden, als ich nachhause kam.
Ich dachte es, erwiderte Richard und wundert sich
selbst, wie laut und ruhig er spricht. Er schaut dem Andern
tief in die Augen. . . Und plötzlich fällt ihm ein, daß dort
auf dem Clavier — die Briefe liegen. Hugo braucht nur auf¬
zustehen, ein paar Schritte zu machen — und sieht sie...
und weiß Alles. Unwillkürlich faßt Richart die Hände des
Freundes — das darf noch nicht sein; er ist es, der vor der
Entdeckung zittert.
Und wieder beginnt Hugo zu sprechen. Mit leisen, zarten
Worten, in denen er es vermeidet, den Namen der Todten
auszusprechen, frägt er nach ihrer Krankheit, nach ihrem
Sterben. Und Richard antwortet. Er wundert sich anfangs,
daß er das kann; daß er die widerlichen und gewöhnlichen
Worte für all das Traurige der letzten Tage findet. Und ab
und zu streift sein Blick das Gesicht des Freundes, der blaß,
mit zuckenden Lippen lauscht.
Wie Richard innehält, schüttelt der Andere den Kopf,
als hätte er Unbegreifliches, Unmögliches vernommen. Dann
agt er: Es war mir furchtbar, heute nicht bei Dir sein zu
können. Das war wie ein Verhängniß.
Richard sieht ihn fragend an.
Gerade an jenem Tag . . . in derselben Stunde waren
wir
auf dem Meer.
Ja, ja
Es gibt keine Ahnungen!
.Wir sind gesegelt, und
der
Wind war gut, und wir waren so lustig ... Entsetzlich,
entsetzlich.
Richard schweigt.
Du wirst aber doch jetzt nicht hier bleiben, nicht
wahr
2
Richard schaut auf. Warum?
Nein, nein, Du darfst nicht
Wohin soll ich denn gehn?
... Ich denke, Du bleibst
bei mir? . .. Und eine Angst überfällt ihn, daß Hugo
wieder weggehen könnte, ohne zu wissen, was geschehen.
Nein, erwidert der Freund, ich nehme Dich mit, Du
fährst mit mir weg.
Ich mit Dir?
Ja . . . Und das sagt er mit einem milden Lächeln.
Wohin willst Du denn? ...
Zurück!
Wieder an die Nordsee?
Ja, und mit Dir. Es wird Dir wohlthun. Ich lasse
Dich
a gar nicht hier, nein!
* *
Und er zieht ihn wie zu
einer
Umormung an sich . . Du mußt zu uns!...
Zu uns?
*
Ja.
Was bedeutet das „zu uns“? Bist Du nicht allein?
Hugo lächelt verlegen: Gewiß bin ich allein ...
Du sagst „uns“
Hugo zögert eine Weile. Ich wollte es Dir nicht gleich
mittl
eilen, sagte er dann.
**
Das Leben ist so sonderbar; — ich habe mich nämlich
verlobt
Richard schaut ihn starr an ..
Darum meint' ich: „zu uns“ . .. Darum geh ich aus,
wieder an die Nordsee zurück und Du sollst mit mir fahren.
Ja? Und er sieht ihm mit hellen Augen in's Gesicht.
Richard lächelt. Gefährliches Klima an der Nordsee.
Wieso?
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errathen es nicht manch scheuen Worte dieser glühenden und
Drem Mond¬
hrem Namen.
zitternden Briefe, daß er anfangs mit sich g kämpft, daß er
mlade, die ver¬
versucht hat, sich loszureißen, daß er endlich dieses Weib an¬
ieht nur immer
gebetet und daß er gelitten hat?... Unheimlich ist es ihm
das gedanken¬
beinahe, wie ihm Alles das so klar wird, als stünde ein
und will
Fremder da, ihm's zu erzählen. Und er kann nicht rasen, so
zur Hand,
sehr er sich darnach sehnt; er versteht es einfach, wie er
e,
den er ver¬
es eben immer bei Anderen verstanden hat. Und wie er nun
n sieht er, von
daran denkt, daß seine Frau da draußen liegt, auf dem stillen
die Briefe
Friedhof, da weiß er auch, daß er sie nie wird hassen können,
den, der oben
und daß aller kindische Zorn, selbst wenn er noch über die
ef an sie, noch
weißen Mauern hinüberflattern könnte, doch auf dem Grabe
zärtliche Auf¬
selbst mit lahmen Flügeln hinsinken würde. Und er erkennt,
Leben in das
wie manches Wort, das sich kümmerlich als Phrase fristet,
auf und spricht
in einem grellen Augenblicke seine ewige Wahrheit zu er¬
e:
ein wirres,
kennen gibt, denn plötzlich geht ihm der tiefe Sinn eines
Wortes auf, das ihm früher schul geklungen: Der Tod ver¬
söhnt. Und er weiß es: wenn er jetzt mit einemmale jenem
Briefe zwischen
Anderen gegenüberstände, er würde nicht nach gewaltigen und
ihm vorüber,
strafenden Worten suchen, die ihm wie eine lächerliche
zu lesen. Nur
Wichtigthuerei irdischer Kleinlichkeit der Hoheit des Todes
— daß er
gegenüber erschienen — nein, er würde ihm ruhig sagen:
hmen
werde
Geh', ich hasse Dich nicht.
Gesicht wieder¬
—
Silbe
und
Er kann ihn nicht hassen, er sieht zu klar. So tief
diese zärtlichen
kann er in andere Seelen schauen, daß es ihn beinahe be¬
icht vor einer
fremdet. Es ist, als wäre es gar nicht mehr sein Erlebniß
er fühlt es als einen zufälligen Umstand, daß diese
en, ob er noch
Geschichte gerade ihm begegnet ist. Er kann eigentlich nur
eines nicht verstehen: daß er es nicht immer, nicht gleich von
blauen Seiden¬
Anfang an gewußt und — begriffen hat. Es war Alles so
er traurig. Da
einfach, so selbstversändlich, und aus denselben Gründen
lebt — er hat
kommend wie in tausend anderen Fällen. Er erinnert sich
d auch Briefe
seiner Frau, wie er sie im ersten, zweiten Jahre seiner
tlichen Schrift,
Ehe gekannt, dieses zärtlichen, beinahe wilden Geschöpfes,
efe mit Schrift¬
das ihm damals mehr eine Geliebte gewesen ist, als eine
er löst das
Gattin. Und hat er denn wirklich geglaudt, daß dieses
sie kommen
blühende und verlangende Wesen, weil über ihn die ge¬
heute auch da
dankenlose Müdigkeit der Ehe kam — eine andere geworden
id ganz hinten
ist? Hat er diese Flammen für plötzlich erloschen gehalten,
vie die anderen
weil er sich nicht mehr nach ihnen sehnte? Und daß es
Due unbekannte.
gerade
— Jener war, der ihr gefiel, war das etwa
's
Schrift. Und
verwunderlich? Wie oft, wenn er seinem jüngeren Freunde
or das blaue
gegenübersaß, der trotz seiner dreißig Jahre noch die Frische
nen Augenblick
und Weichheit des Jünglings in den Zügen und in der
er um sich, ob
Stimme hatte — wie oft ist es ihm da durch den Sinn
en, und schaut
gefahren: Der muß den Weibern wohl gefallen können. ...
auf die Briefe,
Und um. erinnert er sich auch, wie im vorigen Jahre,
ächsten Minute
gerade damals, als .. es begonnen haben mußte, wie
ließ
* * *
Hugo damals eine ganze Zeit hindurch ihn seltener besuchen
wehrte es sich
kam als sonst. . .. Und er, der richtige Ehemann, hat es
lich gewaltsan
ihm damals gesagt: Warum kommst Du denn nicht mehr zu
das Pückchen in
uns? Und hat ihn selbst manchmal aus dem Bureau abge¬
dessen glänzend
holt, hat ihn mit herausgenommen auf's Land, und, wenn
rzen des Arm¬
er fortwollte, hat er selbst ihn zurückgehalten mit freund¬
as Clavier ge¬
schaftlich scheltenden Worten. Und niemals hat er was be¬
Der kleinen ver¬
nerkt, nie das geringste geahnt. Hat er denn die Blicke der
ach jedem von
Beiden nicht gesehen, die sich feucht und heiß begegneten?
nd alle liest er
Hat er das Beben ihrer Stimmen nicht belauscht, wenn sie
er Nordsee ge¬
zu einander redeten? Hat er das bange Schweigen nicht zu
rft ihn zu den
deuten gewußt, das zuweilen über ihnen war, wenn sie in den
suche er noch
Alleen des Gariens hin= und herspazierten? Und hat er
Blättern auf¬
denn nicht bemerkt, wie Hugo so oft zerstreut, lannisch und
etwas, das den
traurig gewpesen ist — seit jenen Sommertagen des voriacu
Ich wollte schon heute Früh da sein. Aber ich habe Dein
Telegramm erst spät Abends gefunden, als ich nachhause kam.
Ich dachte es, erwiderte Richard und wundert sich
selbst, wie laut und ruhig er spricht. Er schaut dem Andern
tief in die Augen. . . Und plötzlich fällt ihm ein, daß dort
auf dem Clavier — die Briefe liegen. Hugo braucht nur auf¬
zustehen, ein paar Schritte zu machen — und sieht sie...
und weiß Alles. Unwillkürlich faßt Richart die Hände des
Freundes — das darf noch nicht sein; er ist es, der vor der
Entdeckung zittert.
Und wieder beginnt Hugo zu sprechen. Mit leisen, zarten
Worten, in denen er es vermeidet, den Namen der Todten
auszusprechen, frägt er nach ihrer Krankheit, nach ihrem
Sterben. Und Richard antwortet. Er wundert sich anfangs,
daß er das kann; daß er die widerlichen und gewöhnlichen
Worte für all das Traurige der letzten Tage findet. Und ab
und zu streift sein Blick das Gesicht des Freundes, der blaß,
mit zuckenden Lippen lauscht.
Wie Richard innehält, schüttelt der Andere den Kopf,
als hätte er Unbegreifliches, Unmögliches vernommen. Dann
agt er: Es war mir furchtbar, heute nicht bei Dir sein zu
können. Das war wie ein Verhängniß.
Richard sieht ihn fragend an.
Gerade an jenem Tag . . . in derselben Stunde waren
wir
auf dem Meer.
Ja, ja
Es gibt keine Ahnungen!
.Wir sind gesegelt, und
der
Wind war gut, und wir waren so lustig ... Entsetzlich,
entsetzlich.
Richard schweigt.
Du wirst aber doch jetzt nicht hier bleiben, nicht
wahr
2
Richard schaut auf. Warum?
Nein, nein, Du darfst nicht
Wohin soll ich denn gehn?
... Ich denke, Du bleibst
bei mir? . .. Und eine Angst überfällt ihn, daß Hugo
wieder weggehen könnte, ohne zu wissen, was geschehen.
Nein, erwidert der Freund, ich nehme Dich mit, Du
fährst mit mir weg.
Ich mit Dir?
Ja . . . Und das sagt er mit einem milden Lächeln.
Wohin willst Du denn? ...
Zurück!
Wieder an die Nordsee?
Ja, und mit Dir. Es wird Dir wohlthun. Ich lasse
Dich
a gar nicht hier, nein!
* *
Und er zieht ihn wie zu
einer
Umormung an sich . . Du mußt zu uns!...
Zu uns?
*
Ja.
Was bedeutet das „zu uns“? Bist Du nicht allein?
Hugo lächelt verlegen: Gewiß bin ich allein ...
Du sagst „uns“
Hugo zögert eine Weile. Ich wollte es Dir nicht gleich
mittl
eilen, sagte er dann.
**
Das Leben ist so sonderbar; — ich habe mich nämlich
verlobt
Richard schaut ihn starr an ..
Darum meint' ich: „zu uns“ . .. Darum geh ich aus,
wieder an die Nordsee zurück und Du sollst mit mir fahren.
Ja? Und er sieht ihm mit hellen Augen in's Gesicht.
Richard lächelt. Gefährliches Klima an der Nordsee.
Wieso?