II, Theaterstücke 31, Der Gang zum Weiher. Dramatische Dichtung (Der weise Vater, Der Weiher), Seite 28

zweihen unser ganzes Dasein. „Im (Spiel der
sommerlüfte“ entscheide, sich das, was wir
Flück oder Unglück nennen, wechselt Erfüllung
un Verzicht, wandert die ewige Liebe in die
ben so ewige Einsamkeit hinüber. „In Spiel
er Sommerlüfte“
das ist Schnitzlers
Atmosphäre.
Es ist mehr als ein zufälliges Si#d Es
st, als wolle es die Zusammenfassung aller
Schnitzlerdramen sein. Mit sehr bewuß er Ab¬
icht sind sie alle wieder da, die Schnitzler¬
jestalten — die Frau, die nicht vom Leben Ab¬
chied nehmen will — der Künstler, in seinem
die Masken wechselnden Egossmus und seiner
ühlen Lebensferne — der Leutnani nichts als
en schönes Stück zuckenden Fleisches — der um
das Gewissen, um die Verantwortung, um die
Erfüllung Got es im Irdischen kämpfende Mann
— der junge Arzt, ein eifersüchtiger Daneken¬
teher und bittergestimmter Durchschauer
as junge Mädel, ins Leben hineinrennend,
flückhaft nichts anderem gehorchend als seinem
Zlut — der junge Bub. schon in den Wirbel
es Lebens gerissen und noch halb seinen Spielen
ehörend.
Mit bewußter Absich — ich sagte schon —
ind sie alle wieder da — auch die Konflikte
er Schnitzlerwelt: das „Zwischenspiel“ der
sinne, „das weite Land“ stimmungshafter
dämmerseelen, die „Komödie der Verführung“
urch das Theater und das Abenteuer die
„Komödie der Worte“ zwischen den Menschen,
ie einander nie verstehen können auch in der
jächsten Nähe nicht, der „Leutnan Gustl“ ewig
wischen Duell und Triumph der Amouren
tehend, „der einsame Weg“ der altgewordenen
nttäuschten Puppenspieler mit dem Leben, „der
Ruf des Lebens“ alles überbrausend mit seiner
frausamen Gier das fliehende Leben in jeder
Minute ganz zu besitzen, mit seiner fiebernden
lngst, zu kurz oder zu spät zu kommen.
Sie alle, die Menschen und ihre Schicksale,
äß Schnitzler an sich vorbeiziehen. Er sitzt auf
einer Bank, Laub mag auf ihn gefallen sein
und ein wenig Sonne ihn wärmen. Der Reigen
eines Lebens und seines Werkes tanzt in diesem
Spiel von den Sommerlüften noch einmal an
hm und an uns vorbei. Sie finden nicht zu¬
unander, die Alternden — zu viel ist zwischen
hnen. Aber die jungen Menschen fallen ein¬
inder zu, weil jeder Tag ihnen neu und vor¬
iussetzungslos beginnt. Und immer wieder Ab¬
chied. Und immer wieder Neubeginn. Das
llter muß sterben, das Junge muß zueinander
rängen. Voll sinnbildlicher Kraft, wenn in die¬
m Schauspiel die Aufhörerin die Beginnerin
marmt und küßt
so begrüßt das scheidende
eben das kommende Leben.
Was geschiehl, ist wie Abschied von Schnitz¬
irs Welt, in der wir alle gelebt haben und
ie unwiderbringlich dahin ist. Anders sind
eute die reifen Frauen, anders die Kapläne,
inders die Künstler, anders die jungen Menschen.
Über diese Schnitzlerwelt war einmal Lebendig¬
leit, sie ist nicht Phantasmagorie, sie war mit
allen ihren falschen Tönen und echten Empfin¬
dungen, mit allen ihren Unmöglichkeiten und
Schonheiten einmal — es müssen tausend Jahre
her sein — „in unserem Besitz“.
Ein historisches Stück
das ist „Im Spiel
der Sommerlüfte“. Die Geschichte der neben
der Wirklichkeit, nur in ihrer inneren Proble¬
matik lebenden Vorkriegsmenschen — hier ist sie
noch einmal Theater geworden, golden umrandet
von der Erinnerung hauchzart, verschwebend,
nicht faßbar wie ein Traum und seltfam abge¬
hoben von dem Hintergrund dieser unserer zer¬
rissenen, aber das Wirkliche mit allen Nerven
suchenden Zeit.
Es ist, als ginge man durch welkes, abge¬
fallenes Laub. Bei jedem Schritt raschelt es.
Aber wie daraus durch irgendein Inkommen¬
surables, das man nicht nennen, nicht fassen
kann, sich plötzlich dem Wanderer die Vision:
Der Wald, oder: Der Sommer, ergeben mag,
so steigt hinter diesen das ahnungslose Sterben
einer Welt spiegelnden Szenen das Gesicht eines
empfindsamen, gütigen, noch in der Abrechnung
W.
m

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Extrait du journal:
rag
Adresse:
22 DE0. 1929
Date
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„Im Spiel der Sommerlüse.“
(Deutsches Volkstheater in Wien.)
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(„Im Spiel der Sommerlüfte“
spielen in stu
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einer Sommerfrische bei Wien — begiptses ssch, daß schi
der Bildhauer Professor Friedlein oen Weih Sohn
Tarif:
und bei ihm zu Gast weilender Nichts Bustrfallzuost#
in die nahegelegene Stadt fährt. um dort wit ein¬
Tavan
flußreichen Auftraggebern lange Konferenzen abzu¬
de 1
halten. Es begibt sich, daß sein Sohn Eduard achte ze
zehnjährig, von den Gefahren der Pubertät umdroht. 90
Du tra
in einer Almhütte bei seiner hübschen Cousine Gusti Un¬
während eines Ungewitters Erhörung findet und den ####
ehrbaren jungen Arzt aus dem Feld schlägt. der sich
um Gustis Hand bewirbt. Daß Frau Josefa, die
Gattin des Professors, eine unheilige Zuneigung zu 2#
dem Kaplan Holl faßt (dargestellt von Altxander#
Moissi), und daß dieser sich aus ähnlichen Anwand¬
lungen nur durch weitläufige theologische Erörterun¬
gen den Weg ins Freie zu finden vermag. Ein Ge¬
wittersturm mit Donner und Regen begleitete diese
Krisen, aus denen bei wieder herverbrechender
Sonne alle unbeschädigt hervorgehen, nach der aner¬
kennenswerten Ueberzeugung des Dichters auch die be¬
gabte Schauspielschülerin Gusti. der sich nun eine
schöne Karriere beim Theater eröffnet. Die beiden
Frauen müssen einander gar nichts sagen. Zwei
stumme Umarmungen, die sie tauschen besiegeln die
we bliche Gefühlssolidarität. Die Männer verdrängen
mit einem schamhaften Lächeln die sommerliche Ver¬
wirrung. Professor Friedlein fährt mit seiner Frau
nach Italien. Eduard, einer Nachprüfung aus Grie¬
chisch entgegenharrend, geht mit dem Karlan botani¬
sieren.
es Absicht, ist es Symbol, daß
in dem Stück noch ein Omnibus die Personen be¬
fördert, und daß weit und breit kein Telephon zu
sehen iste
Moissis Kaplan ... — warum hat Moissi nur
diesen Kaplan gespielt? Es mutete bisweilen an als
wolle der Künstler in bewährter Meisterschaft eine
vollendete Kopie von Alexander Moissi bieten. Luise
Ullrich, heute schon eine der Stützen des Volks¬
theaters, war die Hauptrolle der Gusti Pflegner zuge¬
fallen. Man täte dieser Achtzehnjährigen Unrecht, sie
nur begabt zu nennen Sie ist eine der stärksten und
ursprünglichsten Theatertemperamente der letzten
zwanzig Jahre, echt, jung, gescheit und von einer er¬
staunlichen Souveränität des Spiels.
Die Aufnahme des fein geformten, noblen und ge¬
dankenreichen Stückes wor eine mehr als freundliche.
Man begrüßte dankbar den Dichter und verfolgte im
Geiste die Linie die von diesem Werk ungebrechen bis
zu Anato zurückführt. Schnitzler wurde unzähligemgl
vor den Vorhang gerufen.
R. Wiener