II, Theaterstücke 31, Der Gang zum Weiher. Dramatische Dichtung (Der weise Vater, Der Weiher), Seite 30

Schnitzlerdramen sein. Mit sehr bewuß er Ab
sicht sind sie alle wieder da, die Schnitzler¬
gestalten — die Frau, die nicht vom Leben Ab¬
schied nehmen will — der Kunstler, in seinem
die Masken wechselnden Egoismus und seiner
kühlen Lebensferne — der Leutnant. nichts als
ein schönes Stück zuckenden Fleisches — der um
das Gewissen, um die Verantwortung, um die
Erfüllung Got es im Irdischen kämpfende Mann
— der junge Arzt, ein eifersüchtiger Daneben¬
steher und bittergestimmter Durchschauer —
das junge Mädel, ins Leben hineinrennend,
glückhaft, nichts anderem gehorchend als seinem
Blut — der junge Bub, schon in den Wirbel
des Lebens gerissen und noch halb seinen Spielen
gehörend.
Mit bewußter Absicht — ich sagte schon —
sind sie alle wieder da — auch die Konflikte
der Schnitzlerwelt: das „Zwischenspiel“ der
Sinne, „das weite Lund“ stimmungshafter
Dämmerseelen, die „Komödie der Verfuhrung“
durch das Theater und das Abenteuer, die
„Komödie der Worte“ zwischen den Menschen,
die einander nie verstehen können auch in der
nächsten Nähe nicht, der „Leutnan Gustl“ ewig
zwischen Duell und Triumph der Amouren
stehend, „der einsame Weg“ der altgewordenen
enttäuschten Puppenspieler mit dem Leben, „der
Ruf des Lebens“, alles überbrausend mit seiner
grausamen Gier das fliehende Leben in jeder
Minute ganz zu besitzen, mit seiner fiebernden
Angst, zu kurz oder zu spät zu kommen.
Sie alle, die Menschen und ihre Schicksale,
läß Schnitzler an sich vorbeiziehen. Er sitzt auf
einer Bank, Laub mag auf ihn gefallen sein
und ein wenig Sonne ihn wärmen. Der Reigen
seines Lebens und seines Werkes tanzt in diesem
Spiel von den Sommerlüften noch einmal an
ihm und an uns vorbei. Sie finden nicht zu¬
einander die Alternden — zu viel ist zwischen
ihnen. Aber die jungen Menschen fallen ein¬
ander zu, weil jeder Tag ihnen neu und vor¬
aussetzungslos beginnt. Und immer wieder Ab¬
schied. Und immer wieder Neubeginn. Das
Alter muß sterben, das Junge muß zueinander
drängen. Voll sinnbildlicher Kraft, wenn in die¬
sem Schauspiel die Aufhörerin die Beginnerin
so begrüßt das scheidende
umarmt und küßt
Leben das kommende Leben.
Was geschieh., ist wie Abschied von Schnitz¬
lers Welt, in der wir alle gelebt haben und
die unwiderbringlich dahin ist. Anders sind
heute die reifen Frauen, anders die Kaplane,
anders die Künstler, anders die jungen Menschen.
Aber diese Schnitzlerwelt war einmal Lebendig¬
keit, sie ist nicht Phantasmagorie, sie war mit
allen ihren falschen Tönen und echten Empfin¬
dungen, mit allen ihren Unmöglichkeiten und
Schonheiten einmal — es müssen tausend Jahre
her sein — „in unserem Besitz“
Ein historisches Stück — das ist „Im Spiel
der Sommerlüfte“. Die Geschichte der neben
der Wirklichkeit, nur in ihrer inneren Proble¬
matik lebenden Vorkriegsmenschen — hier ist sie
noch einmal Theater geworden, golden umrande:
von der Erinnerung hauchzart, verschwebend,
nicht faßbar wie ein Traum und seltfam abge¬
hoben von dem Hintergrund dieser unserer zer¬
rissenen, aber das Wirkliche mit allen Nerven
suchenden Zeit.
Es ist, als ginge man durch welkes, abge¬
fallenes Laub. Bei jedem Schritt raschelt es.
Aber wie daraus durch irgendein Inkommen¬
surables, das man nicht nennen, nicht fassen
kann, sich plötzlich dem Wanderer die Vision:
Der Wald, oder: Der Sommer, ergeben mag.
so steigt hinter diesen das ahnungslose Sterben
einer Welt spiegelnden Szenen das Gesicht eines
empfindsamen, gütigen, noch in der Abrechnung
BOEEHTA PRAG
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