II, Theaterstücke 31, Der Gang zum Weiher. Dramatische Dichtung (Der weise Vater, Der Weiher), Seite 31

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31. In Spiel der er iugfte

Arthur Schnitzler: „Im Spiel der Sommerlüste“.
Uraufführung im Wiener Deutschen Volkstheate:
Die neueste dramatische Dichtung von Arthur Schnitzler „Im Spie
der Sommerlüfte", die Sonnabend im Deutschen Volke¬
theater zur Uraufführung kam, spielt um die Wende des Jahr¬
hunderts in der nächsten Umgebung Wiens. Aber ihrem interessanten¬
Stoff nach ist sie zeitlos und auch nicht an einen bestimmten Ort
gebunden. Trotz der Zartheit der Stimmungen, trotz der inneren
Zurückhaltung der Personen ist es ein iebens= und kraftvolles psycho¬
logisch hochinteressantes Schauspiel — wie immer bei Schnitzler aus
dem Vollen geschaffen. In der kleinen Sommerfrische Kirchau ist der
junge Kaplan Ferdinand Holl der vielgeliebte Seelenhirte. Im
Kindesalter hat er seine Eltern verloren. Die Verwandten haben
ihn ins Konvikt, den Bruder in die Militärakademie geschickt, er ist
Priester, der Bruder Offizier geworden. Manchmal tritt an den
jungen Geistlichen, an dem das Leben vorüberzieht, die Versuchung
heran, seinen Bruder, der mitten im Leben steht, zu beneiden. In
Kirchau hat der bekannte Bildhauer Professor Friedlein sein Sommer¬
häuschen. Der Kaplan ist seit langem Freund der Familie. Da gerät
der Priester selbst in arge Seelennot. Sein einziger, über alles
geliebter Bruder, ist in eine Duellaffäre verwickelt, er betet vor dem
Altar um das Glück und Leben seines Bruders, findet aber nicht die
innere Ruhe und eilt aus der Kirche zu Frau Friedlein, um bei ihr
Trost zu suchen. Die Herzer beider schlagen längst füreinander, es
sich aber einzugestehen, hätten sie niemals gewagt. In seiner schweren
Bedrückung läßt der Kaplan die Freundin in sein zerrissenes Innere
blicken, beide beichten das bisher ängstlich gehütete Geheimnis ihrer
Seelen. Diese Aussprache gehört zu dem poetisch Schönsten und Er¬
greifendsten Schnitzlerischer Schöpfung. Der Dichter symbolisiert sie
auch äußerlich. Nach dem leichten „Spiel der Sommerlüfte“ prasselt
ein furchtbares Gewitter nieder. Wie der Wolkenbruch entlädt sich
die langverhaltene Pein, die Verzweiflung der beiden Liebenden. Und
da sie sich in ihre Seelen geschaut, tritt — wie nach dem Gewitter in
der Natur — auch in ihrem Inneren die Reinheit des Friedens ein.
Der Kaplan und die Frau, sie widerstehen der Versuchung, sie meiden
die „Sünde, die oft das Glück bedeutet“ und nehmen, da sie sich
gefunden, von einander für immer Abschied. Im Deutschen
Volkstheater hat das neue Werk von Schnitzler begreiflicher= C
weise eine sehr liebevolle und die Absichten des Dichters gründlich
erfassende Aufführung gefunden. Die Rolle des Kaplans hat — man
kann es verstehen — Alexander Moissi gereizt. Die Zweifel und
die Bedrängtheit der Seele des Kaplans brachte er zu erschütterndem
Ausdruck. Und er fand in seiner Gattin Johanne Terwin eine
ausgezeichnete, mit ihm empfindende, ihre stürmischen Gefühle müh¬

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sam zurückhaltende Gegenspielerin. Das Publikum freute sich dieser
neuesten Schöpfung Schnitzlers über die Maßen, welche ihm, MNoissi,
den übrigen Darstellern und dem Direktor Beer große, verdiente
Ludwig Klinenberger.
Triumphe brachte.
Bachs Weihnachtsoratorium in der
Magdalenenkirche
Es ist nun wohl bereite Tradition geworden, daß kurz vor dem
Fest in der Magdalenenkirche Bachs Weihnachtsoratorium durch
Gerhard Zeggert aufgeführt wird. Das frohgestimmte Werk ist
noch immer nicht ersetzt worden und dürfte auch kaum ersetzt werden.
Strahlt es doch wie ein hell leuchtender Stern in die Finsternis des
Alltags hinein, der uns zu weihnachtlicher Freude führen will. Was
soll man herausgreifen aus all den Klangwundern, die das Oratorium
birgt? Die herrlichen Choräle? Die idyllische „Sinfonie“ oder die
festgefügten, feierlich=froh sich aufbauende Chorsätze? Die Ent¬
scheidung fällt schwer. Beweis genug für die unwandelbare Kraft
und Schönheit des Werkes, das durch die für die Aufführung inner¬
halb eines Abends erforderlichen Kürzungen in seiner Wirkung sogar
noch zwingender wird. Dem Kirchenchor von Maria Magdalena
trat diesmal der von Elftausend Jungfrauen helfend zur Seite:
Trotzdessen dürfte es sich im großen und ganzen nur um eine Auf¬
frischung gehandelt haben. Die hatte Herr Zeggert gründlich vor¬
genommen. Absolute Sicherheit in alleiniger und gegenseitiger Be¬
wegung der einzelnen Stimmen war erreicht, wenn auch die Feilung
der Choräle weit besser durchgeführt war als die der Thorsätze, sodaß
jene mehrfach in überraschender Schönheit zum Erklingen kamen.
Die Tempi erreichten allerdings zum Teil die äußerste Grenze. Dahee
mußte z. B. im Schlußchoral des 2. Teils bei den Orchesterzwischen¬
spielen um der Deutlichkeit der Motive willen stets zurückgehalten
werden. Das Orchester, das die Schlesische Philharmonie
stellte, fühlte sich in dem Werke ebenfalls völlig heimisch, konnte nur
stellenweise mehr zurückgedrängt werden. Wenig glücklich war die
Wahl der Solisten, mit Ausnahme von Elisabeth Gloske¬
Böhm, die neben Geläufigkeit und sinngemäßer Gliederung auch
den Inhalt nahezu völlig erschöpfte. Fritz Seybold sang als
Evangelist technisch sauber und sicher, nahm aber sämtliche Rezitative
mit der Schwere und Größe einer Opernarie, sodaß hier ein starker
Verstoß gegen den Stil Bachs vorliegt. Der Baß von Gerhard
Bertermann ist für eine derartige Partie noch zu klein, in der
Tiefe sogar matt, im ganzen zu unruhig, wenn er auch alles mit Ge¬
schmach anzufassen verstand. Toni Zeggert verwaltete den um¬
fangreichen Cembalopart sicher. Der Besuch ließ zu wünschen übrig.
Arthur Schmidt.