Sonne
31. Im Siderrluefte
Seite 6
Wien, Dienstag
abentener taumelten, sind verschwunden. Die Kooperatoren,
früher nur um Seelenheil besorgt, haben sich oder wurden neuer¬
dings erinnert, daß sie Diener der streitbaren Kirche sind. Die
Gattinnen reiferen Alters, ehelich vernachlässigt, finden sich
weniger demütig mit dem Schicksal ab. Die jungen Burschen
2
sind vielfach gar nicht romantisch veranlagt, und die angehenden
Schauspielerinnen wieder verfügen oft über ein recht geregeltes
Privat= und Liebesleben. Damals aber waren diese alle so,
wie sie Schnitzler schildert. Es ist ein Zeitgemälde, ungemein
liebevoll, vertieft gemalt. Ein Stück von Ewigkeitswert.
Echt wienerisch die Darstellung: Vornean Homma,
Moissi doch mehr international als Kaplan, aber grundwahr
im seelischen Kampf mit sich selbst, desgleichen Frau Terwin.
spieler
Ansprechend wie immer der Leutnant Oldens, der Assistenzarzt
wird
werb
Mihael Kanthos und ungemein erfrischend das Paar Tonio
Riedl und Luise Ullrich, die heute schon zu den Wiener Pub= Spiel
likumslieblingen zählen.
Sch
Nächstens wird es in Wien vierzig Tonfilmtheater geben.
Kam
Eine Tonf lmapparatur ist zwar ziemlich teuer, aber was
schaften.
tut's, man hat Angst vor der Konkurrenz, man hofft es
stoßen.
hereinzubringen. Da ist diese unaufhaltsame technische Ent¬
fraglich
wicklung, man darf nicht zurückbleiben. Indessen doktern ein
paar unbekümmerte Regisseure an der neuen Kunstgattung
Uhr,
herum: es ist eine Form da, lange noch kein Inhalt. Das
Absa,
Publikum hat anscheinend nichts dagegen.
Die vierzig Wiener Tonfilmtheater werden natürlich
schaft
irgend etwas spielen müssen: deutsche Sprechfilme, ohne
müsse
Zweifel, denn mit unserem Englisch ist es im Augenblick
noch nicht weit her. De deutsche Erzeugung wird aber die
Bedürfnisse der vierz'g kaum befriedigen können. Die Ameri¬
kaner hinwider, wollen sie den europäischen Markt nicht ver¬
lieren, werden sich gründlich umstellen müssen. Am einfachsten
dürfte es für sie sein, stumme Filme mit beigefügter Begleit¬
musik herzustellen. Die anderen gegenwärtig geübten Metho¬
prob.
den sind unmöglich.
Fuß
Im Kolosseumkino läuft „Broadway=Melodie“, Wac
ein englischer Revuefilm, dem deutsche Texte auf den Bildern
in Ti
in klener Druckschrift beigefügt sind. Der amerikanische
Barcel
Dialekt dürfte sogar geborenen Engländern manchmal un¬
S. G.
verständlich sein. Eine sehr hübsche farbige Tanzszene fällt
besonders auf. Im übrigen ermüdet schließlich das Anhören
der fremden Sprache.
Im Apollokno ist die Verfilmung des auch bei uns
bekannten Sensationsstückes „Broadway“ zu sehen und
zu hören. Hier wird zwar deutsch geredet, die deutschen
Worte sind aber später hinzugefügt worden, man erkennt siegt, a
und in
an der Mundstellung der Darsteller, daß sie bei der ursprüng¬
Spiele
lichen Ton= und Bildaufnahme englisch sprachen. Immerhin
tätig
und S
zeigt die Regie Paul Fejos interessante Einstellungen, das
meister
Spiel (besonders Glenn Tryon und Evelyn Brent) läßt nichts
raschur
ezu wünschen übrig.
Spiel
*
Vom Apollokno, das um 9 Uhr aus war, begab Poste¬
lag.
ich mich — um ja nichts zu versäumen — mit einem (gleich
da erl
Taxi ins Usatonkino, Taborstraße, langte dort zehn Minuten
nach neun an und fand die Tore geschlossen. Es wurdeverb¬
memand mehr eingelassen. Malheur. Ich ging straks — ohne Slot
zeigt¬
„Melodie des Herzens“, einen Tongroßfilm, der in Ungarn
Horva
srielen soll, gesehen zu haben — in ein in der Nähe ge=Uebert
jede
legenes Gasthaus, wo ich ein mit viel geringerem Mühe¬
Nock,
aufwand hergestelltes, ganz wunderbares Szekelygulasch ver¬
das
zehrte, das mich reßlos befriedigte und in herrliche Stim¬
Kot :
wegs
mung versetzte. Auch im Dasein eines Filmberichterstatters
gebenes
gebt es glückliche Zufälle. Denn: Tonfilm ist gut, Gulasch
schwer
W—r.
ist besser.
unter
liesern
Bücher und Zeitschriften.
für Literatur und Politik,
box 34/4
31. Im Siderrluefte
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Wien, Dienstag
abentener taumelten, sind verschwunden. Die Kooperatoren,
früher nur um Seelenheil besorgt, haben sich oder wurden neuer¬
dings erinnert, daß sie Diener der streitbaren Kirche sind. Die
Gattinnen reiferen Alters, ehelich vernachlässigt, finden sich
weniger demütig mit dem Schicksal ab. Die jungen Burschen
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sind vielfach gar nicht romantisch veranlagt, und die angehenden
Schauspielerinnen wieder verfügen oft über ein recht geregeltes
Privat= und Liebesleben. Damals aber waren diese alle so,
wie sie Schnitzler schildert. Es ist ein Zeitgemälde, ungemein
liebevoll, vertieft gemalt. Ein Stück von Ewigkeitswert.
Echt wienerisch die Darstellung: Vornean Homma,
Moissi doch mehr international als Kaplan, aber grundwahr
im seelischen Kampf mit sich selbst, desgleichen Frau Terwin.
spieler
Ansprechend wie immer der Leutnant Oldens, der Assistenzarzt
wird
werb
Mihael Kanthos und ungemein erfrischend das Paar Tonio
Riedl und Luise Ullrich, die heute schon zu den Wiener Pub= Spiel
likumslieblingen zählen.
Sch
Nächstens wird es in Wien vierzig Tonfilmtheater geben.
Kam
Eine Tonf lmapparatur ist zwar ziemlich teuer, aber was
schaften.
tut's, man hat Angst vor der Konkurrenz, man hofft es
stoßen.
hereinzubringen. Da ist diese unaufhaltsame technische Ent¬
fraglich
wicklung, man darf nicht zurückbleiben. Indessen doktern ein
paar unbekümmerte Regisseure an der neuen Kunstgattung
Uhr,
herum: es ist eine Form da, lange noch kein Inhalt. Das
Absa,
Publikum hat anscheinend nichts dagegen.
Die vierzig Wiener Tonfilmtheater werden natürlich
schaft
irgend etwas spielen müssen: deutsche Sprechfilme, ohne
müsse
Zweifel, denn mit unserem Englisch ist es im Augenblick
noch nicht weit her. De deutsche Erzeugung wird aber die
Bedürfnisse der vierz'g kaum befriedigen können. Die Ameri¬
kaner hinwider, wollen sie den europäischen Markt nicht ver¬
lieren, werden sich gründlich umstellen müssen. Am einfachsten
dürfte es für sie sein, stumme Filme mit beigefügter Begleit¬
musik herzustellen. Die anderen gegenwärtig geübten Metho¬
prob.
den sind unmöglich.
Fuß
Im Kolosseumkino läuft „Broadway=Melodie“, Wac
ein englischer Revuefilm, dem deutsche Texte auf den Bildern
in Ti
in klener Druckschrift beigefügt sind. Der amerikanische
Barcel
Dialekt dürfte sogar geborenen Engländern manchmal un¬
S. G.
verständlich sein. Eine sehr hübsche farbige Tanzszene fällt
besonders auf. Im übrigen ermüdet schließlich das Anhören
der fremden Sprache.
Im Apollokno ist die Verfilmung des auch bei uns
bekannten Sensationsstückes „Broadway“ zu sehen und
zu hören. Hier wird zwar deutsch geredet, die deutschen
Worte sind aber später hinzugefügt worden, man erkennt siegt, a
und in
an der Mundstellung der Darsteller, daß sie bei der ursprüng¬
Spiele
lichen Ton= und Bildaufnahme englisch sprachen. Immerhin
tätig
und S
zeigt die Regie Paul Fejos interessante Einstellungen, das
meister
Spiel (besonders Glenn Tryon und Evelyn Brent) läßt nichts
raschur
ezu wünschen übrig.
Spiel
*
Vom Apollokno, das um 9 Uhr aus war, begab Poste¬
lag.
ich mich — um ja nichts zu versäumen — mit einem (gleich
da erl
Taxi ins Usatonkino, Taborstraße, langte dort zehn Minuten
nach neun an und fand die Tore geschlossen. Es wurdeverb¬
memand mehr eingelassen. Malheur. Ich ging straks — ohne Slot
zeigt¬
„Melodie des Herzens“, einen Tongroßfilm, der in Ungarn
Horva
srielen soll, gesehen zu haben — in ein in der Nähe ge=Uebert
jede
legenes Gasthaus, wo ich ein mit viel geringerem Mühe¬
Nock,
aufwand hergestelltes, ganz wunderbares Szekelygulasch ver¬
das
zehrte, das mich reßlos befriedigte und in herrliche Stim¬
Kot :
wegs
mung versetzte. Auch im Dasein eines Filmberichterstatters
gebenes
gebt es glückliche Zufälle. Denn: Tonfilm ist gut, Gulasch
schwer
W—r.
ist besser.
unter
liesern
Bücher und Zeitschriften.
für Literatur und Politik,
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