II, Theaterstücke 31, Der Gang zum Weiher. Dramatische Dichtung (Der weise Vater, Der Weiher), Seite 109

Date
Freitag, 7. Feber 1930.
Bühne und Kunst.
Schnitzler: „Im Spiel der Sommerlüfte“.
Erstaufführung in der Kleinen Zühne.
Arthur Schnitzlers neues Stück bringtssetzung zwischen Josefa, seiner Frau, und dem
sein Wiedersehen mit glien Bekannten. Da sind: jungen Kaplan Ferdinand Holl, endend mit
eine reise Frau Sund zem viel jüngerer Mann, Resignation; beinahe wären die beiden „Opfer“
die beinahe ein Wiebespaar geworden wären,
ihrer uneingestandenen Leidenschaft geworden.
aber im letzten Augenblick vor dem Letzten zu¬
Die Nichte der Josefa, Gusti, verführt den sieb¬
rückschrecken; ein fünfzigjähriger Künstler, der
zehnjährigen Sohn des Ehepaars Friedlein, gibt
Gatte der verzichtenden Frau, bemüht, seine
ihrem Bräutigam den Laufpaß und bereitet eine
Lebenslust geheimzuhallen, damit die Frau sich
neue Liebschaft mit dem Leutnant Holl vor, der
nicht unglücklich fühle; der siebzehnjährige Sohn,
am selben Tag glücklich ein schweres Duell ab¬
der mit Volldampf ins weite Land zwar nicht solviert. Das alles geschieht wie im Spiel; im
der Seele, aber der Erotik fährt; ein neunzehn= Spiel der Sommerlüfte; und nichts bleibt übrig
jähriges Mädchen, das ihn, aber auch einen als eine Sommererinnerung — und der Ver¬
sälteren „Bräutigam“ beglückt und demnächstzicht zweier Menschen auf irdisches Glück.
obendrein einen Innsbrucker Leutnant und
Herr Hölzlin, der das Stück inszenierte,
wohl noch manchen andern beglücken wird; und gab die anmutige Schwermut des Werkes, dessen
auch der Leu nant, der von Duell zu Duell fesch meisterhafter Dialog die nicht durchwegs dank
dahinlebt und — liebt, ist ein alter Bekannter,baren darstellerischen Aufgaben erleichtert und
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einst hieß er Leutnant Gustl, nun heißt er begehrenswerter macht, ausgezeichnet wieder. Er
Leutnant Robert Holl. Ihn und alle andern betonte auch die spärlichen lustspielhaften Stel¬
haben wir in Schnitzlers früheren Theater=len, ohne dadurch den Charakter des zarten, im
stücken und Erzählungen kennengelernt, sie sind]Lyrischen verankerten Stückes zu vergröbern.
uns unvergeßlich geblieben, sie haben sich nicht
Auch die Darsteller bewiesen das feinste Stil¬
verändert. Wir aber, wir sind anders geworden;
gefühl. Herr Leitgeb war als Kaplan Holl.
deshalb hat das Stück, das in den neunziger ganz im Sinn des Dichters, ein verfeinerter,
Jahren unter lauter typischen Schnitzlersiguren komplizier##rer Pfarrer von Kirchfeld, der nicht
spielt, etwas Spukhaftes.
ohne Eleganz mit dem Dämon der Verführung
Der Sommerspuk, den der Dichter herauf¬
ringt. Frau Ondra, seine Leidensgefährtin im
beschwört, greift aus Herz, nicht obwohl, son¬
Verzichten, deutete sehr anmutig und überzeu¬
dern weil die Zeit, die er in seinem Stück noch gend an, wie gern die aufgewuhlte Frau auf
einmal lebendig macht, unwiderruflich vergan= das Verzichten verzichten würde. Fräulein
gen ist. Mit jedem neuen Geschlecht, das heran=[Eger hatte als Gusti die unbeschwerte Rück¬
wächst, wird die Welt neu geschaffen. Zwischensichtslosigkeit der Jugend, die um jeden Preis
dem Heute und der Schnitzlerschen Dramenwell alle Freuden an sich rafft, nach denen ihr Blut
liegen Welten, die den Abstand phantastisch ver¬
verlangt, Herr Trenk=Trebitsch nahm als
größern. Es führt keine Brücke von Schnitzlers.
verliebter Gymnasiast durch die ungekünstelte
Menschen zu den heute Lebenden. Der weise
Naivität, die er als Liebhaber an den Tag legte,
Dichter weiß es; dieses Wissen gibt seinem Werk
für sich ein, Herr Stöckl war ein jugendlicher
eine Melancholie die alles Theatralische bannt.
Fünfziger, dem man seine Erfolge in der Kunst
Musik des Herbstes — obwohl das Stück „Im
und in der Liebe glaubte. Herr Jautsch wirkte
Spiel der Sommerlüfte“ benannt ist.
durch die Pedanterie, mit der er seine „große
Wenig Handlung. Die drei Akte spielen in
Passion“ absolvierte, efrischend komisch, Herr
einem niederösterreichischem Dorf von einem[Padlesak war eine verniedlichte Ausgabe
Morgen zum nächsten. Der Bildhauer Professor des Leutnants Gustl.
Das Publikum nahm
Friedlein fährt nach Wien und kommt zurück; das Stück mit Interesse und respektvoller
inzwischen hat sich mancherlei in der kleinen
Sympathie auf.
L.-
Sommerfrische abgespielt. Eine Auseinander¬
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