II, Theaterstücke 31, Der Gang zum Weiher. Dramatische Dichtung (Der weise Vater, Der Weiher), Seite 121

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31. Im. Spiel der Sonneriuefte
Vetter Eduard, vorbei an dem verdutzten Gesicht des ihr fast ver¬
lobten Arztes Dr. Faber und in Richtung auf eine imaginäre Zahl
anderer Männer. Und nun kann man sich den Lauf der Dinge leicht
vorstellen. Während der Kaplan mit Frau Josefa spricht und es am
Himmel immer finsterer wird, weilt der Eduard mit der Gusti oben
auf der Hütte. Wenn dann nach der Gewitternacht die Jungen von
oben herunterkommen, ist Frau Josefa, vom Kaplan über den mög¬
lichen Konflikt hinweggeleitet, aus Mitleid wissend geworden. Die
Gusti busserlt den Eduard und geht (wie damals so viele Mädels
aus guter Familie) fort, zum Theater. Und der Professor — im
Spiel der Sommerlüfte noch hellsichtiger geworden als er schon
immer war — fährt mit Frau Josefa nach Italien.
Das Stück des bald 70jährigen ist erstaunlich frisch in der
Erfassung und Zeichnung der Charaktere; reizvoll, wie immer bei
Schnitzler, in der knappen Prägung und echten Einfärbung der
Sprache; doch recht länglich in der Führung der Handlung. Fragt
sich halt, ob man von Schnitzler nur noch unterhalten oder im
Der neue Schnitzler.
ganzen doch tiefer angesprochen werden will. (An guten Momenten
Im Frankfurter „Neuen Theater“.
dramatisch höheren Grades fehlt es nicht; einer der besten ist die
Der Titel hätte auch über zahlreichen früheren Stücken des
verhaltene Aussprache zwischen Josefa und Gusti am Morgen).
„Im Spiel der
Wiener Dichters stehen können: ...
Hellmer, der Direktor, hat gut daran getan, die Sommer=Komödie
Sommerlüfte“ ...
Er ist symbolisch für Schnitzlers
auch zeitlich in den Spielplan des beginnenden Sommers einzu¬
Perspektive auf das wimmelnde Leben der menschlichen Komödie.
stellen. Und Hellmer, der Regisseur, bietet eine Aufführung, die
Natursymbolik, angewandt auf die Menschen des Oesterreich vor
abgesehen von der schwer vermeidbaren Breite einiger Szenen in
dem Kriege. Auf jene Menschen, die so viel Zeit hatten und
stilgemäß lockerer und natürlicher Art abläuft und die geforderte
denen es so gut ging, daß sie sich ausnehmend viel mit sich selbst
Atmosphäre besitzt. Vor dem Bühnenbild Werner Barths formen
beschäftigen und ihre individuelle Problematik auch sozial ausleben
die Träger der sieben größeren Rollen ein Kammerspiel aus
konnten. Kernpunkt dieser Problematik immer wieder: die Liebe,
individuell reizvoll unterschiedenen Stimmen. Am stärksten fesselt
Eros, Cupido. Hier dargestellt vor dem Hintergrund eines auf¬
wohl die von Lydia Busch; fast mehr noch mit dem, was sie ver¬
und abziehenden Gewitters an Paaren der älteren und der
schweigt und nur in feinsten Nuancen der Klangfarbe und Gestik
jüngeren Generation.
andeutet, als mit dem, was sie ausspricht; bei dem plötzlich auf¬
Da ist der Herr Vincenz Friedlein, berühmter Bildhauer und
brechenden Lächeln am Schluß macht sie die Schablone des happy
Professor sogar, auf seinem niederösterreichischen Sommersitz, lang¬
end menschlich erträglich. Marianne Hoppe als Gusti: naturhaft
jähriger Gatte der noch hübschen, noch lebensfrohen Frau Josefa.
und doch nicht ohne Raffinement. Franz Massareck als Kaplan:
Und da muß er halt manchmal nach Wien hinein, zu Be¬
warmherzig ohne Pathos, fromm ohne Salbung, deshalb glaub¬
sprechungen mit Exzellenzen, was die Frau Josefa veranlaßt
haft und wertvoll in einer so verfänglichen Rolle. Dazu Karl
darüber nachzudenken, ob diese Exzellenzen Hosen oder Röcke
Günther und Hans Stelzer als Vater und Sohn, tatsächlich
tragen. Da sind weiter der 17jährige Sohn des Herrn Pro¬
verwandt in ihrem halb naiven, halb sentimentalen Oesterreicher¬
fessors, Eduard, der immer noch als Bub angesehen wird, aber
tum. Dazu Harry Just als gut bürgerlicher Arzt und Lieb¬
keiner mehr sein will, und die schon etwas reisere Nichte Gusti,
haber, Tatjana Sais, Franz Arzdorf und Paul Riedy in
die auf Besuch da ist und bestimmt zum Theater geht. Da ist
kleineren Rollen. Man schaut diese Menschen im Spiel der
schließlich, zwischen der älteren und der jüngeren Generation stehend,
Sommerlüfte schon aus der historischen Perspektive. Als letzte
der Herr Kaplan; und er tritt bei einer Aussprache über seinen
Exponenten einer Entwicklung, die zum Konflikt treiben mußte,
leichtsinnigen Bruder den Herrn Leutnant, der vereinsamten
Frau Josefa seelisch so nahe, daß es fast einen tragischen Konflikt
auch wenn ihn die Dichter und Denker nicht gewollt haben. Im
gäbe. Wirkliche Konflikte sind aber im Spiel dieser Sommerlüfte
Bewußtsein, daß es auf der Weltbühne inzwischen kräftig geblitzt
gar nicht möglich und im Sinne der jungen Generation auch gar und eingeschlagen hat. Jedenfalls kann, wer ihnen so naht, nicht
Kaha,
nicht mehr nötig. Das demonstriert uns die Nichte Gusti mit dem enttäuscht werden.
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