II, Theaterstücke 30, Der Gang zum Weiher. Dramatische Dichtung (Der weise Vater, Der Weiher), Seite 72

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Folge 48
Dienstag
Dentschösterreichische Tages=Zeitung
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lich gestoßen. Ich habe gar nicht bemerkt, daß er gerade vor¬
zeichnet, erklärt, sie habe lieber gar nicht angefangen, da W
überging als ich aufsprang. — Vors.: Sie sind ja auch nur
sie fühle, daß sie sonst „mehr als einen“ gehören müsse;
wegen fahrlässiger Tötung angeklagt, hätten Sie es absichtlich
D
weiters ein höchst kriegslüsterner junger Offizier, der
getan, so ständen Sie heute wegen Totschlag vor den Geschwo¬
renen. — Das Urteil lautete auf sechs wochen strengen
dem Kanzler starke Worte sagt und Leonilda in jenem
Arrests bedingt.
Sturm erobert, der für die Reiterlieder um 1890 be¬
Der Elektrizitätsmacher, Gegen den Mechaniker Ignaz
zeichnend ist; und endlich ein alter Sekretär, der mit hoch¬
Rennhofer, der mit einem von ihm erfundenen Apparat
trabenden Gesten bedeutsamen Unsinn spricht.
zur Vermehrung elektrischer Energie Schwindeleien verübt
Die Darsteller zogen sich mit Anstand aus der Wirrnis,
und dem Schweizer Kaufmann Arthur Salvione in Bel¬
linzona 34.575 Schweizer Franken herausgelockt hatte, ist
in die der Verfasser sie verstrickt hatte. Herr Balser
Montag mittags beim Landesgericht Wien 2 vor dem Schöffen¬
legte seinem Temperament Zügel an und war so abgeklärt
senat des OLGR. Dr. Werner die Verhandlung zu Ende
und überlegen, wie nur je ein abgedankter Minister von
geführt worden. Rennhofer wurde wegen derselben Sache be¬
Geblüt; Fräulein Johannsen sprach ihren Part mit
reits zu zwei Jahren schweren Kerkers verurteilt, ist jedoch
gnadenweise bedingt aus der Strafhaft entlassen worden. So¬
einem rätselhaften, ein wenig ironisch anmutenden Mona
fort setzte er den Betrug mit seinem wertlosen Apparat fort.
Lisa=Lächeln, das sehr für sie einnahm; der freiwilligen
Sachverständiger Professor Dr. Max Reithofer bezeichnete die
alten Jungfer schenkte Frau Wolgemuth den Glocken¬
Erfindung Rennhofers als unbrauchbar und ungeeignet, elek¬
klang ihrer Stimme; um den Dichter mühte sich Herr
trische Energien zu gewinnen. Der Gerichtshof hat den Ange¬
klagten mit Rücksicht auf seinen raschen Rückfall und die Höhe
Onno in ekstatischer Zerrissenheit; den jungen Offizier
des Schadens zu fechs Jahren schweren Kerlers
hielt Herr Hennings in klugen Schranken; den Sekretär! n
verurteilt.

endlich hob Herr Heine in wirksamer Verzerrung über
sein Geschick empor.
Die Schnißzler-Gemeinde, zahlreich versammelt, spendete
Aus dem Kunstleben.
lichtgemäßen Beifall.
J—ch.
Burgtheater.
Burgtheater. Morgen, Mittwoch, gelangt die dramatische
„Der Gang zum Weiher.“
Dichtung „Der Gang zum Weiher“ von Artur Schnitzler zur
Der Tital dieses neuesten Schnitzler=Stückes ist sym¬
Aufführung. Im Abonnement 1. Gruppe. Es wirken mit die
Frauen Burg, Johannsen, Michall und Wohlgemuth, die Her¬
bolisch gemeint: wenn das eben erwachsene Töchterchen
ren Balser, Heine, Hennings, Hufnagl, Onno und Müller. An¬
des Freiherrn von Mayenau, das auf den romantischen
fang halb 8 Uhr.
Namen Leonilda hört, in schwülen Sommernächten den
Akademietheater. Morgen, Mittwoch, wird das Lustspiel
jungen Körper in der Flut des versteckten Weihers im
„Geschäft mit Amerika“ von Paul Frank und Ludwig Hirsch¬
Walde badet, so ist es der Jungfrau nicht allein um Rein¬
feld aufgeführt (im Abonnement 3, Gruppe) unter Mitwirkung
lichkeit oder um Kühlung des heißen Blutes zu tun, sondern
der Frauen Kramer, Mayen und Seidler, der Herren Bettac
und Treßler. Anfang halb 8 Uhr.
vor allem um eine Art mystischen Kultes, der zunächst unklar
Im Deutschen Volkstheater findet Sonnabend die Erstauf¬
bleibt, im vierten der fünf Aufzüge sich aber als Astarte¬
führung der dreiaktigen Komödie „Etienne“ von Jacques
kult reinsten Wassers enthüllt; sie wartet nämlich, wie
Deval, dautsch von Franz Blei, inszeniert von Rudolf Beer,
sie offen erklärt, nur mit ihrer Anmut bekleidet, auf
mit Hans Homma, Johanna Terbin, Tonio Riedl, Emmy För¬
den ersten, der kommt. Und da dies (unter diplomatischer
ster, Thea Braun=Fernwald, Ika Thimm, Karl Ehmann, Wal¬
ter Brandt, Mihail Fantho und Gusti Liedermann statt.
Mithilfe des Papas) eintritt, zieht das kluge Mädchen
aus den sich ergebenden Ereignissen keinerlei weitere
Im Raimundtheater findet morgen (Mittwoch) die Erstauf¬
führung von „Die Steuersaust“ ein Schauspiel in drei
Folgerungen, sondern erklärt sich zufrieden und läßt
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Akten von Gerhard Menzel statt. Als zweite Premiore der
die Frage offen, ob sie sich mit jenem Ersten nach Ablauf
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der zufällig mit hereinspielenden kriegerischen Ereignisse
vermählen oder in seiner Abwesenheit, die Freikultur¬
abende fortsetzend, auf den Nächsten warten wird. Daß
Eine ungeheute Tage
sie sich hiebei allerdings einige Auswahl vorbehält, er¬
kennt man daraus, daß sie einen alternden Dichter, der
Die „Heldentaten“ der tschechischen Legionen in &
auch gern mit ihr am Weiher weilen möchte, sanft, aber
„Anabasis“. — Die Tschechen im Bunde mit
deutlich abweist, worauf der Unglückliche nichts Besseres
zu tun weiß, als sich im selben Weiher zu ertränken.
General Sai
Ein Mädchen also, das, obwohl die Handlung nach dem
Die weißrussische Armee unter Admiral Koltschak
Theaterzettel „um die Mitte des 18. Jahrhunderts“ spielt,
hatte im Jahre 1919 mit Hilfe der Entente den Versuch
für das moderne „Ausleben“ eintritt, Freud und die
unternommen, die bolschewistische Front von Sibirien aus
Colette (vielleicht auch Schnitzler) gelesen hat und um das
aufzurollen und zu diesem Zwecke
heute so beliebte Schlagwort des „sex=appeal“ in des
zwei große Offenstven gegen die bolschewistische Armee
Wortes verwegenster Bedeutung wohl Bescheid weiß;
eingeleitet, die anfangs von Erfolg gekrönt waren,
ein Nixchen, das von seiner Kalenbergschen Namens¬
dann aber infolge des Verrates der tschechischen Le¬
schwester sich nur durch die Bereitschaft, auch die letzten
gionen mißglückten.
Konsequenzen zu ziehen, unterscheidet; ein Dirnlein, das
Admiral Koltschak und seine weiße Armee waren
im Manne nicht den Werte besitzenden und Werte spen¬
durchaus deutschfreundlich gesinnt und das neue natio¬
denden Menschen sieht, sondern nur das Geschlechts¬
nale Rußland unter dem Reichsverweser Koltschak
wesen; kurz alles, nur keine deutsche Jungfrau, nur kein
wäre sicher für die Entente nicht mehr zu haben gewesen,
adeliges Fräulein des 18. Jahrhunderts, das, aus dem
deswegen mußte diese Armee samt ihrem Führer vernich¬
Kloster eben ins Vaterhaus heimgekehrt, seine Naturnähe
tet und Rußland dem Bolschewismus ausgeliefert werden.
doch wohl anders zum Ausdruck bringen würde, als durch
Daß dieser scheußliche Plan der Feindmächte gelungen
geschlechtliche Hommungslosigkeit. Es ist bedauerlich, wenn
ist, ist einzig und allein dem Verrat der tschechischen Le¬
der alternde Schnitzler die Jugend von heute so sicht, wie
gionen unter Führung des Hochverräters Gaida, dem
sie sich ihm in diesem Geschöpfe verkörpert; aber das ist
Koltschak im blinden Vertrauen ein Armeekorps in der
seine eigene Angelegenheit. Schärfsten Widerspruch jedoch
hantta

IHTRIT