II, Theaterstücke 30, Der Gang zum Weiher. Dramatische Dichtung (Der weise Vater, Der Weiher), Seite 82

30. DerGangzum Weiher
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„Der Gang zum Weiher“ m Wien berleger J##en-Gadien
Der neue
Schmtzler 48.1. 1934
Als Zeit dieser dramatischen Dichtung
seines Wunschtraumes vom Loben zu fin¬
in Versen und fünf Aufzügen gibt.Arthur
den. Das junge Mädchen 'scheint auf ihn
Schnitzler die Mitte des achtzehnten Jahr¬
zu warten. Aber das ist nicht dem altern¬
hunderts an, als ihren Ort das Schlol eines
den Dichter bestimmt. Indes er noch einmal
Freiherrn und gewesenen Kanzlors,
in die Welt zurückkehrt, um seine Ver¬
wenige Wegstunden“ von der Residenz
pflichtungen zu einer anderen Geliebten
Contfernt.
zu ordnen und dann als Bräutigum wieder¬
Uebersetzt man die Geschehnisso ins
zukehren, geht der junge Leutnant, von
Heutigo — und alle Vergangenheit muß
der Grenze und ihren Kriegsgsfahren
diesen Bezug aaf uns als seine Prüfung,
kommend und durch sie aufgewühlt, den
als seine Sinngebung milmachen — so er¬
Weg zum Weiher, trifft dort das junge
gibt sich folgendes Bild: Wir sind in der
Mädchen. Es geschiellt, was in solchen
Nähe von Wien, Kein Zweifel. Alle diese
Fällen immer geschicht: Jugend findet
Menschen — mit ihren Vorzügen und
zu Jugend, was aber das Fräulein nicht
ihren Lastern — sind Wiener. Ueber
hindert, bald darauf schnitzlerhaft zu
Europa hängen die Wolken des Mißver¬
fragen: „Gab ich mit meinem Heut mein
stündnisses, der Feindschaft zwischen don
Gestern und mein Morgen — ja, weißt du
Nationen dicht und trüb. Gewittrigo Ent¬
nur, ob ich mich selbst dir gab?“ Was
ladung in einen Krieg ist stündlich zu bo¬
dieso jungen Menschen hält, ist nur die ge¬
fürchten. An den Grenzen stehen bereits
meinsame Jugend. Eine andere Unterhal¬
die Heere — hüben wie drüben — auf¬
tung als die körperliche ist zwischen ihnen
marschbereit. Der Spannung nach außen
auf die Dauer nicht möglich. Wird nun¬
hin entspricht nach innen zu eine wirro
mehr das junge Mädchen dem zurückge¬
Ziollosigkeit. Man merkt: das Innen hat
kohrten alternden Dichter folgen und mit
keinen Punkt, um den es kristallisieren
ihm zu ihrem Wesen kommen? Nein. Auch
könnte. Das Außen hat es leichter, es
dieses junge Mädchen hat das Irrlichternde
flüchtet zum Begriff: Feind.
aller jungen Mädchen Schnitzlers. Dem
Ein weiser Mann, um die Fünfzig, der
alternden Dichter bleibt nichts als der
einmal im Mittelpunkt der Ereignisse
Gang zum Weiher — aber für ihn heißt
stand, hat sich vor der Wolt geflüchtet in
das, was junge Menschen zur Fülle ihres
eine Villa am Rand der Stadt. Er ist mit
Lebens bringt, Sterben, Sichselberaus¬
dem Gang der Dinge unzufrieden, er kann
löschen. Vergeblich hat inzwischen der
sie nicht ändern, er meditiert. Auch seiner
weise Mann versucht, den Gang der Ereig¬
Schwester ist des Leben ungelebt verron¬
nisse durch sein gütiges Wollen herum¬
nen— sie hat verzichtet. Die Tochter des
zureißen. Der Krieg ist da. Der Leut¬
Weisen aber hat noch den Gang zum
nant geht in ihn wie in das höchste Aben¬
Weiher vor sich. Sie badet nachts in ihm,
teuer seines jungen Bluts, Auch der weise
was auch heute etwas auffällig ist. Aus
Mann findet keine andere Entscheidung
der Fromde Pommt der alterndo Dichter
als Krieg, als eino „Tat selbst ohne Sinn“,
heimwärts. Puppenspieler, der er ist,
weil sie würdiger soi „als Wort, das ohne
möchte er die #auen seines Lebens noch
Macht, sei's noch so weise“. (Aber ent¬
einmal fest fassen. Da sieht er das junge
machtet sich mit solcher Resignation nicht
Mädchen und glaubt in ihm Erfüllung i selber das Wort, die Weisheit?) Diesem
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männlichen Verzicht steht zur Seite der
fraulis Verzicht der Schwester, die ihr
Leben nicht gelebt und es bis zu Ende
nicht leben will. So würe Resignation das
Ende? Nein, da rast (wenn auch in etwas
unvermittelter Szene) noch der Intellekt
in der Figur eines sckretärs, sicht dio
Welt und alles, was geschicht, nur als
seine Spiegelung und läuft in den Wahn,
in die Zwungsjacke, weil er das Lebendige
an den Gedanken verraten hat. So wäre
das Chaos, die allgemeine Sinnlosigkeit
das Ende? Nein. Für Schnitzler ist heuto
wie je Anfeng und Ende und Sinn unserer
Existenz: „der Ruf des Lebens“ — der
Mensch — wio immer trifft diese Gundo
bei ihm eine Frau —, der sich verschenken
und sich bewahren kann.
Ein Alterswerk? Sicher. Aber das ist
nicht in einem herabsetzenden Sinn ge¬
meint, sendern in dem Sinn eines Abschied¬
nehmens Schnitzlors von seinen eigenen
Gestalten.
Vielleicht ist diese drama¬
tische Dichtung um solchen Abschied¬
nehmens willen auch so überladen an Sym¬
bolen und Sentenzen. Auch sie hat den
Ehrgeiz (wie gewöhnlich das erste Werk),
alles zu sagen — noch einmal alles, was
man erfahren, erlebt, erlitten und was den¬
noch so schön war.
Die Aufführung des Burgtheaters
wahrt unter der Regie Albert Heines
trotz mancher nicht zureichender Be¬
setzung geistige Haltung. Als Freiherr
vermag sich Ewald Balser durch seine
Intensität durchzusetzen. Das schnitzler¬
haft Doppeldentige der Existenz trifft am
farbigsten und unmittelbarsten Ebba
Johannsen, die das junge Mädchen zu
geben hat. Schnitzler selber konnte wie¬
derholt vor dem Vorhang erscheinen.
Oskar Maurus Fontana