II, Theaterstücke 29, Komödie der Verführung. In drei Akten (Der Verführer), Seite 15

29. Kondedie der verfuchrung

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Gnechern
Der neue Schnitzler.
Zur Aufführung der „Komödie der
Verführung“ am Burgtheater.
dann liest man noch einmal das Buch,
das bei S. Fischer erschien und 260 Seiten
hat. Ein Ereignis; vielleicht zu lang, um Er¬
eignis zu bleiben. Eine Komödie der Worte,
vieler Worte, bis Falkenier und Aurelie in
F=Moll sterben: Tristan und Isolde an der
dänischen Küste, in Strandanzügen ertrunken,
versunken, höchste Lust, sehr bewußt.
Die „Komödie der Verführung“ könnte
auch heißen: der Mann als Antenne für
weibliche Liebeswellen. Falkenier ist ein
Antennerich: er spürt die Wellen Aureliens,
errät ihre Liebeszukunft, hellseherisch. Sie
tanzt auf dem Sommerfest mit andern Män¬
nern. So wird sie auch von der Hochzeit mit
Falkenier weg tanzen, mit andern fremden
Männern, einem Maler, einem Prinzen; sie
liebt sie nicht, aber „tanzt“ mit ihnen in einem
Frühlingsmorgen, der zwei, drei Frühlings¬
morgen oder =abende dauern wird. Nein, Fal¬
kenier wird Aurelie nicht heiraten.
Er steigert sein Unglück durch Nachdenken!
über die eigene Antennenhaftigkeit. Es sind
überhaupt nur „nachdenkende“ Menschen in
dem Stück: Cerebral=Bohrer. Sie gleiten in
mehreren Novellen vorüber, nicht: in einem
Stück, einem komponierten Stück. In Novellen,
die Typen vom Mai 1914. Der Maler, der
jede Dame der Gesellschaft zweimal malt, ein¬
mal davon bekleidet ..., der Prinz, die
Fürstin, Herr Max von Reissenberg beim
Gartenfest, im Champagnerzelt; der Dichter
des Salons, Ambros Doehl, ein Freund des
Dichters dieser Komödie, der vielleicht auch
sein eigenes Porträt irgendwo unterbrachte:
als Mittelding zwischen Philosophen und
Musiker der Liebe.
Die Frauen, die er schuf, brauchen einen
Paravent von Philosophie und Musik für ihr
erotisches Ausleben; die Schutzwand eines
Systems. Bei Aurelie, der Gräfin (die die
Wohlgemuth spielt), verdichtet sich die Schutz¬
am Frühlings¬
*
wand zu einem Gebüsch
morgen. Die Pariser Damen brauchen dazu
kein System. Auch die Frauen Wedekinds nicht.
Und nun hat man es: Aurelie ist eine ner¬
vobelte Lulu, Schnitzler ein eleganterer
Wedekind. Irgendwo wedekindelts in dem
Stück immer; aber mit Noblesse.
Besonders groß die Noblesse des ersten
Aktes mit hingestreuten Dialogfunken („Ich
kenne dich nicht“, sagt jemand, „Du warst
meine Geliebte . .. ). Der zweite Akt beginnt
zu lahmen. Ein Maler, der mit der Palette in
1
der Hand porträtiert, kommt sonst nur in
Operetten vor. Aeußerlichkeiten helfen nach:
Selbstmord eines Bankdirektors. Sonst in#
schwache
komödischen Ablauf nur der
Mondschein einer Melancholie, die von der "
Dramatik Abschied nimmt.
Ein Stück, bei dem man an die
empfundene, unkonstruierte „Liebelei“ zurück¬
denkt, die unverwüstlich ist, kurz und kurz¬
weilig, was man von der Komödie der Ver¬
Zei.
führung nicht immer behaupten kann. Man
Kul
huldigt am Schluß dem Dichter, der von der
lung
Tat zum Gedanken über die Tat kam, von der
Fox.
beste
*
„Liebelei“ zur Lüstelei.
Prä.
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und Sassr
spielt Verlogene und tänzerhaft Schwebende,
das einmal zu Schnitzler und Wien gehört.
Wenn man am selben Vormittag erlebte
den Namen des Theaters werdet ihr erst
wie Schnitzler dick¬
morgen erfahren
pathetisch, seerobbenhaft plump und mit
heimatlosem Hoftheaterton in Wien gespielt
werden darf, weiß man erst Korffs Leistung,
selbst dann, wenn sie manchmal zu deutliche
Mittel anwendet, zu schätzen. Auch Eugen
Jensen hält seinen Professor und seinen
Theaterdirektor schön im Schnitzlerhaften, wo
sich Schein und Sein mengen. Die andern
braves Theater, Alice Rhode ist mehr. Sie
ist eine herbe, zurückhaltende, seelenhafte
Schauspielerin. Und wenn sie still wird, in sich z
sinkt, dann steigt aus ihr ein Glanz, der nicht

mehr als gutes oder besseres Spiel zu werden
ist, sondern einfach einen wertvollen Menschen V#
verrät, der zwanzigtausend Meilen unterm
o. m. f.
Theater aus sich heraus lebt.
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