II, Theaterstücke 29, Komödie der Verführung. In drei Akten (Der Verführer), Seite 30

29. Kondedje der Verfuchrung
1. denen es dals Zehent
ah. geheimt. Spar.
Soh Vummi-Ausätz
J aus seinen Einnahmen sammelte und armen Kindern und
wegs „tragende Rollen“. Mindestens fünf männliche, vier
weibliche Hauptrollen, und jede steht im Mittelpunkt. Ich
„Komödie der
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glaube, es wird ein Buchdrama werden, ein überaus kostbares:
hrung“.
das reife Alterswerk Artur Schnitzlers.
Einiges aus dem Inhalt: Die schöne Gräfin Aurelia
im Burgtheater.)
wählt unter drei würdigen Verehrern nicht den jungen, be¬
d. Die Aufführung, vermutlich
gehrenswerten Prinzen, nicht den feinen, gleichaltrigen Dich¬
zu überdauern.
ter, sondern Falkenir, den 45jährigen alternden Mann. Der hat
Schnitzlerschen Menschen aus
ein gutes Ohr und hört „die dunklen, ewigen Ströme rauschen,
der sie einander so vortrefflich
die unaufhörlich fließen von Mann zu Weib und von Weib
vollendeter Noblesse ihre Ge¬
zu Mann, zwischen Geschlecht und Geschlecht.“ In diesem
dieser Schnitzlerschen Welt, von
Augenblick, dem er entgegengeträumt hat, in dieser Mitter¬
, ausschließlich der Erotik hin¬
nachtsstunde bei einem Frühlingsfest, da sie sich ihm fürs Le¬
eichtes sportliches Spiel, hier
ben bietet, fühlt er, daß Aurelie nicht an ihn gefesselt sein
hrende Leidenschaft — beherrscht
kann und darf. Sie soll schrankenlos ihrer Liebessehnsucht
K mit einer einzigen Ausnahme)
leben, um die sie selbst nicht weiß, wohl aber er. Er nimmt
rlich, ihren spielerischen Zeitver¬
ihre Wahl nicht an, gibt sie frei und weist ihr selbst den
Ekstasen, ihre dunkelrote, uner¬
Weg
hinauszuseufzen, hinauszu¬
Der alternde Liebhaber verkuppelt die bestürzte Geliebte
oder Scheinheiligkeit, sondern
mit der Lust. Tief verwundet ist die schöne Gräfin, aber Fal¬
emehr um sie wissen, als ihm
kenirs Rezept befolgt sie gewissenhaft, taumelt von Schäfer¬
schen, rechtzeitig die Maske der
stunde zu Schäferstunde, aus Männerarmen in Männerarme
nellen Höflichkeit umzubinden.
und ist tatsächlich, wie er sie sah, ein Weib, brennend von Be¬
Telephon, daß ihr einzig Ge¬
gierde, „geschaffen, sich zu verschwenden und in aller Verschwen¬
soeben Selbstmord beging. Das
dung sich im innersten zu bewahren.“ Er tat ihr nichts gutes,
ochen. Aber es legt die Hör¬
der liebende Falkenir. Zwischen zwei Abenteuern erschauert sie
kn eintretenden Gästen mit ver¬
und flüstert: „Wieder allein — zwischen einem Glück und dem
die Honneurs.
anderen. Zwischen einer Lust und der anderen. Zwischen einem
ntnis veranlaßt die Schnitzler¬
Tod und dem anderen ...“
u sein mit den Worten, die das
Böser Unverstand, der in diesen erotischen Dichtungen
um Kunde zu geben von ihren
Schnitzlers angenehme literarische Werke erblickt, die Sinne
leiden. Der Spiegel der Worte
superber Genießer zu kitzeln, oder gar Produkte erotischer Spe¬
rfahren, durchaus falsch zeigen.
kulation. Ueber allen anderen Gestalten dieser Dichtung, wie
„ ... Die Nacktheit lügt nicht?
über dieser Aurelia, schwingt Eros nebst der Liebesfakel die
aufreißen könnten — noch ihre
furchtbare Geißel, mit Bleikugeln verschärft. Sie leiden alle
bitter und sie sind abgeurteilt, weil sie zu leicht nahmen, was
Prägnanz schildert Artur Schnitz¬
höchste und seltenste Erfüllung sein müßte. Wenn Aurelie am
hal den Bezirk seiner Menschen.
Ende ihres Dornenweges durch die Lust dem schuldigen Ge¬
hen Walzers alle vorhergehenden
liebten wieder begegnet, bleibt den beiden nur noch ein Glück,
b in charakteristischer Kürzung
der gemeinsame Tod.
eueste seiner dramatischen eroti¬
Und allen ergeht es so in der „Komödie der Verführung",
der vorhergchenden in plastischen
die in die Netze der Sinnenlust verstrickt wurden. Der blutjunge
läßt dich nicht los, du liest es
Herr Max, ein unerhört erfolgreicher Eroberer, den Mädchen
hen werden klar, neue Wendun¬
Fliederzweige reichend als Signal, daß er sie demnächst be¬
en wurden. Eine ganze Anzahl
sitzen werde, ist mit 24 Jahren (und natürlich am Ende dieses
singt die Haupthandlung. Das
Spiels) einsam wie ein Greis. Judith Asrael, aufgewühlt
das Grundthema überwuchert,
durch das Leben der Qual und Lust rund um sie, vom Fieber
ersuchte, diese oder jene Neben¬
geschüttelt, weil sie in ihrer weitschauenden Klugheit den Jam¬
entdecken, daß er ein Haupt¬
elnden Personen sind fast durch= mer sieht, mit dem jede Liebesfreude trächtig ist, zerbricht —
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eine Jungfrau noch — den Stab über ihr Leben und stürzt
sich mit wehem Lachen in den Abgrund des Kokottentums. Und
eine junge Geigerin, die weiß (o, daß es das blonde Mädchen
wissen muß, bevor sie noch ein Mann erkannte), wie traurig
der Morgen nach einer Liebesnacht mit Männern dieser ster¬
benden Gesellschaft ist, ruft jenen Lebejüngling und stellt zur
Bedingung, daß er nach einem Tage des Beisammenseins ver¬
schwinden muß und sich nie wieder sehen lassen darf. Ein Kind
wird ihr diese sachlich vereinbarte Liebesaffäre geben und sie
weiß auch schon, daß nur sie allein, niemals der Begattende,
Anteil an dem Kinde haben darf.
Im Ausklang der Dichtung aber tönt eine tröstende, eine
stärkende Melodie, die keiner überhören sollte, der Schnitzler
als den „leichten, gefälligen Erotiker“ abtun möchte. Falkenir,
mit Aurelie wieder vereint, sagt: „Lieben ist: in jeder Stunde
neu sich erringen müssen, was man liebt; bereit sein, zu ver¬
zichten, wenn es das Schicksal will — und Heimat bedeuten,
immer wieder Heimat, aus welcher Fremde auch die Geliebte
wiederkehre — und in welche Ferne sie sich sehne.“
Für die Darstellung des schwierigen Dramas (das wir,
wie gesagt, auch sonst nicht für bühnenfähig halten) fehlt dem
Burgtheater jetzt die nötige große Zahl von Künstlern, die
einander mit solchem Takt, mit solcher äußerer Ruhe und
innerer Kraft das Stick vort zu geben vermögen, wie es die
Dichtung erheischt. Nur ein Beispiel: Einer sagt einem Weibe:
„Ich wußte nicht, daß du so schön bist“. Sie antwortete mit
einem einzigen Worte: „Schade“. Wenn man dieses Wort mit
Emphase hinausruft, wie es leider Gottes Frau Aknay tat,
ist die Gestalt, die sie zu verkörpern hat, sofort in Verlust ge¬
raten, in Schnitzlers Komödie nicht mehr vorhanden. Solche
Mißverständnisse gab es nicht selten. Auf der Höhe der Situa¬
tion blieben Racul Aslan, Georg Reimers (der eine
überaus ergötzliche Episode schuf), Frau Albach=Retty,
Haus Marr und Frau Witt. Auf dem besten Wege, seine
Rolle schnitzlerisch zu meistern, ist Herr Günther. Freu#
Wohlgemuth gibt eine bemerkenswerte Aurelie. Aber uns
dünkt, nicht die, welche der Text dieser Dichtung meint. Sie
nahm die Geste, den Tonfall der großen Tragödin auf die
Bühne mit und kam auf dem Kothurn daher. Beides ist dies¬
falls wirklich nicht angebracht. Sonst viel Mühe des Spiel¬
leiters Hans Brahm, aber wenig von dem Diglog und der
großartigen Linienführung, die wil bewunderten, als wir das
Buch lasen. Gleichwohl war es ein großer Premierenerfolg.
Das Publikum rief Artur Schnitzler immer wieder vor die
Rampe. Es hat Ursache, einem der wertvollsten Zeitgenossen
und einem der größten Dichter der Gegenwart Ovation# iu
bereiten. — Aber ob sich dieses bedeutende Werk auf der Behne
behaupten wird, bleibt dahingestellt.
Otto Abeies.
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