II, Theaterstücke 29, Komödie der Verführung. In drei Akten (Der Verführer), Seite 41

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„Ah, dos is amal wos Praktisches, da gibt's kein' Mist mehr
auf der Straßen.“ (Liest befriedigt und wirft sein Obstpapier
seelenruhig weg.)
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Theater.
Artur Schnitzler.
9
Im Wiener Theater= und Musikfest muß auch Artur
Schnitzler vertreten sein; es ist daher selbstverständlich, daß
man sein neuestes Werk „Komödie der Verführung“ in diesen
Rahmen stellt. Es stellt, wie vielleicht kein zweites von ihm,
den ganzen Artur Schnitzler vor. Eine Bilanz ..
Von Schnitzler Neues erwarten, hieße Ungerechtes
fordern. Sein dichterisches Schaffen ist endgültig um¬
rissen; es setzt sich nur inzüchtig fort. Und so ergibt der Reigen
der Liebeleien, Rufe des Lebens, lebendiger Stunden auf
den Wegen ins Freie oder ins — Sterben (was bei Schnitzler
oft dasselbe bedeutet) immer schwächere Kreuzungen in
dem weiten Land der Schnitzlerschen Seelen, deren Geistigkeit
unverdossen und unermüdlich aus dem engen Land der Ge¬
schlechtlichkeit aufsteigt. Das Vorspiel wechselt, der Beischlaf
bleibt...
Die Welt, der Schnitzlers Sorgen gelten, liegt hinter
uns; wir sehen nur noch ihre letzten Masken; die großen Lieder,
die er aus ihren kleinen Schmerzen machte, tönen unserem Ohr
nicht mehr. Das Fegefeuer, durch das wir gingen, hat ihm
kein Härchen versengt; immer schon ein wenig weltfremd, ist er
mitten im Kriegstoben in Frieden ergraut und dem, was wir
Leben nennen, vollends entrückt. Sein Werk ist Literatur= und
Kulturgeschichte; daß er dies fühlt, macht ihn, den feinen Poeten
und Seelendeuter, a manchem neuen Menschen sympathisch.
Nr. 236
13. Oktober 1924
KINDERWAGEN
von K 300.000 aufw.
Ge -UMIAG“ Grekt in der Fabrik
VII., Neubaugal'se 21
Die „Komödie der Verführung“ beginnt im Frühsommer 1914
und bricht am denkwürdigen I. August jenes Jahres ab. Ein
geschichtliches Stück also; knapp bis dahin reicht die Grenze,
hinter der seine Gesellschaft, seine Heimat ist. Diese Komödie
ist kein unzeitgemäßes Werk eines, der sich selbst überlebte; sie
ist das Vermächtnis eines Klugen, für den es zu spät mar, auf
neuem Boden neue Wurzeln zu schlagen.
Schlimmer ist freilich, daß das neue Werk alle Zeichen
nachlassender Schaffenskraft an sich trägt; es ist schwach, mehr
noch: es ist langweilig. Seine Menschen sind Schatten, seine
Vorgänge unwirklich. Nur einen gibt es, dem Blut in den
Adern fließt: den prächtigen ausgedienten Kammersänger, der das
Leben mehr liebt als irgend ein Junger. Daß er ein Meister
des geistreich geführten Zwiegespräches ist, hinter dessen Worten
unausgesprochene Erregungen, Gesühle und Gedanken zittem
und irrlichtern, braucht wahrhaftig nicht mehr sonderlich be¬
tont zu werden. Und wenn er uns heute langweilt
(recht verschwenderisch), so geschieht auch das, hol' mich
der Teufel, mit unnachahmlichem Anstand.
Die Aufführung im Burgtheater war unzureichend. Die
Dichtung hatte schwere Mühe, sich gegen die Darstellung zu
wehren. Das ältere Burgtheater hielt sich immerhin weit besser
als das jüngere — eine bei diesem Werk allzu natürliche Er¬
scheinung: jenes kann 's noch, dieses nicht mehr. Ganz lauteres
Vergnügen, ja Entzücken weckte der Kammersänger des jungen
Reimers: wir meinen natürlich Georg, den Vater. M. M.
Richard Billinger.
Morgen abend wird die „Freie Schauspielervereini¬
gung“ im Großen Konzerthaussaal das Schauspiel „Der
Knecht“ von Richard Billinger aufführen, dem Dichter,
der für seine Gedichtbücher den Preis der Stadt Wien
erhalten hat.
Richard Billinger stammt aus dem Innviertel. Er
ist ein Bauernsohn und war für den Priesterstand bestimmt.
Am Kollegium Petrinum in Urfahr=Linz studierte er, und
seine Erfahrungen bewogen ihn, sich diesem Zwang zu ent¬
ziehen. Er studierte dann weltliche Wissenschaften in Inns¬
bruck, Kiel, Berlin und Wien.
Er ist jetzt 34 Jahre alt. Von ihm erschienen die Ge¬
dichtbücher „Lob Gottes“, „Erzengels Morgenruf“ und
„Ueber die Aecker“. Der „Himmelsblitz“ ist in Vorbereitung.
Das Haus, in dem Billinger geboren wurde, heißt „Ur¬
sprung“. Sein erstes dramatisches Gedicht heißt „Reise nach
Ursprung“. „Der Knecht“ wird am dramatischen Theater in
Berlin aufgeführt werden, das Schauspiel „Feuersbrunst“ am
Staatstheater in Berlin. Ein Lustspiel, „Die Vögel am Mor¬
gen“, ist vorläufig sein letztes Werk.
Richard Billinger ist ein Riese. Riesenhaft wie
er ist der Bau seiner Arbeiten. „Der Knecht“ hat die ganze
Wucht und die ganze Schwere eines Menschen, der weiß, daß
er ein Bauernsohn ist; es spielt unter Bauern. Die riesen¬
haft fortstürmende Handlung nachzuerzählen könnte das
Mißverständnis erwecken, als handelte es sich um ein
„Bauernstück“. Das ist es nicht, die Figuren wachsen ins
Symbolische, die Handlung greift ins Weltall hinaus.
Die „Freie Schauspieler=Vereinigung“ hat sich nach
den Entwürfen des Malers Erwin Lang ein Bühnenbild
ganz aus Holz für diese Aufführung bauen lassen.
Eine neue Urania=Zweigstelle im Gebäude der Bun¬
desrealschule, 9. Bez., Glasergasse 25. Das Tätigkeitsgebiet
der neuen Zweigstelle umfaßt Einführungsvorträge in ver¬
schiedene Wissensgebiete sowie eine Reihe von Kursen mit
Uebungen in praktischen Kenntnissen und Fertigkeiten.