II, Theaterstücke 29, Komödie der Verführung. In drei Akten (Der Verführer), Seite 43

29. Konoedie der Verfuehrung box 33/6
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Zeit, welche die Skepsis sehr unterschätzt) wohl aber ist es f mit dem linken Juß aufgestanden sind, wenn sie sich mit dem
omödie der
die Besessenheit von der Idee, was Schnitzler nicht liegt. Als
rechten niederlegen und die Männer assistieren ihnen dabei.
er es in der „Komödie der Verführung“ unternahm, etwas wie
Irgendwo ist das vielleicht hart und zukunftig; aber ungewollt
eine Philosophie der Liebe zu gestalten, oder doch etwas, das
klingt doch das peinliche Sexualnotgeschrei der Gegenwart stark
ohne solche nicht auskommt, begann er mit den Atmosphärilien,
hinein. Es wäre nur anders, wenn die Vor= und Rückblicke,
version, von Komos,
mit Stimmungszubehör, Lampions in einer Johannisnacht,
in denen es sich hauptsächlich abspielt, anders wären; aber hier
Komödie der Ver¬
ist es, wo Schnitzler auf eine Grenze stieß, die er nicht über¬
einem Parkfest in einem der fürstlichen Barockgärten Wiens.
Schwärmerischen, die
schritt. Alle diese Frauen haben vom Baum der Erkenntnis
Das ist nun allerdings immer hübsch und dankbar. Paare
und Mückentanz um
gegessen und sprechen einen erotischen Kurialstil. Statt zu
und Scheitel liegt.
kommen und gehen, Knoten schlingen und lösen sich die Natur
sagen: es war mir ganz gleich, mit wem ich tanzte, sagen sie:
ut; ein bißchen weh¬
liegt im Traum, und menschliche Schicksale ziehen durchs künst¬
„War es mir nicht gleich, ob mich der oder jener im Kreise
versinkend und scharf
liche Licht wie über die helle Tasel des Traumbewußtseins.
schwang?“ Und sie sagen: „Wer wartet Dein?“ Ihre Zunge
Zweisler. Sein Welt¬
Fehlt eigentlich nur Musik von Offenbach, die auch sehr schön
hat Holzbeine, daß es ein Jambus ist, und sie reden Seelen¬
Menschen (was kannst
ist; denn mit dieser lockeren Musikalität des Anfangs hängt
wahlprogramme. Auch der Hauptredner Falkenir, der die ewigen
ber da er ein scharfer
wohl schon die Notwendigkeit zusammen, den zweiten Akt in
Ströme in seinem Innern rauschen hört. Das ist ungemein
sich vielleicht wirklich
drei, wie selbständige Akte nebeneinanderstehende Szenen auf¬
auffältig bei einem Tichter, der wie Schnitzler ein Meister des
nschen möchten, zog's
zuklappen, die Durchzugsstationen der im ersten Akt ange¬
epigrammatisch zugespitzten Worts ist, und läßt sich nur dadurch
ein. In diesem Sinn
knüpften Lebens= und Liebesfäden sind, wonach diese im
erklaren, daß diese geistvollen Gestalten von realistischen
inn — wie es eine
dritten, äußerst locker gedreht, einzeln aus dem Stück wieder
Lebenskommentaren hier auf das ihm fremdere Gebiet der
Generation tat —
absoluten Gestaltung aus der Idee herausgeraten ist. Wenn
auslaufen. Oder auch zufällig gepaart. Denn die Liebe geht
iederkehrenden Schule
man bedenkt, wie beispielsweise bei Büchner selbst in unfertigen
hier im Kreis Es ist nie der Rechte, den sie trifft, und das
Suchen hat kein Ende.
einzureihen; seine
Entwürsen die Leidenschaft der Idee durch den Wuchs des
geistigen Komposition
Ganzen schießt und die Worte hervortreibt wie die Blätter an
Es ist ein sehr langes Stück, aber das Merkwürdige ist,
einem Baum, so daß fast jedes einzelne die Eigenart des
hl aber lag sie (von
daß trotzdem das meiste in den Zwischenakten geschieht. Men¬
Ganzen ausspricht, erkemt man an der Sprache der „Komödie
k ganz abgesehen) in
schen treffen und verabschieden sich in den Szenen, aber in den
der Verführung“ sofort, daß ihre geistigen Wurzeln nicht genug
nden Zwischentönen;
Zwischenakten verlieben sie sich ineinander, schlafen miteinan¬
in die Diese griffen und nicht dicht genug verzweigt. Die Ge¬
ls einer der großen
der, streiten sich miteinander und wechseln einander. Aurelie
stalten treien nicht aus dem Gedankenkonzept heraus, sondern
fer auferstehen, wohl
Gräfin Merkenstein hat vor dem ersten Akt drei Freiern eine
bleiben halb darin eingewickelt, aber da kein Mensch Schnitzler
wie Hölle vertreten¬
Wartezeit auferlegt und sich für einen liebend entschieden; im
die Fühigkeit absprechen kann, Menschen zu zeichnen, muß die
Perfahren die Nichtig¬
Akt verkündet sie es, stößt auf tiefe Bedenken und tritt mit
Schuld wohl am Konzept liegen.
ade an ihm, daß Stil
einem Vierten, Gelegentlichen eine Spazierfahrt an. Zwischen
t dem inneren Auf¬
Der Aufführung war vor allem die heikle Aufgabe ge¬
dem ersten und zweiten Akt wird sie seine Geliebte, zwischen
zusammenhängt.
stellt, dem Stück ein wenig den Kopf abzuhacken, vis auf den
dem zweiten und dritten die eines andern, und erleidet in der
Wirdel — des Geschehens. Durch rasch flatterndes Tempo. So
gleichen Zwischenzeit den entscheidenden Zusammenbruch, der
selbst, daß ein Ideen¬
geschwind muß es sein, daß der Zuhörer mit den Ohren blin¬
für den dritten Akt nur den Tod mit dem wiederkehrenden
sondern Menschen
zeln lernt und weniger die zufälligen Außerungen der Ver¬
scheuen Geliebten des ersten übrigläßt. Ahnlich treibt es Indith
t, die, nebenbei be¬
sonen hört als ihre bleibenden Grundnoten, die vom Dichter
Asrael, die zwischen zweitem und drittem Akt mit Mann Nr. 4
einer gewaltigen An¬
deutlich hineingelegt worden sind.
schläft und Freier Nr. 3 zu einer Lebensfahrt einlädt Auch
bedürfte. Es gehören
Statt dessen gab es im Burgtheater auf schöner Szene einen
Seraphine Fenz lernt im ersten Akt kennen, küßt keusch im
sfähigkeit dazu; denn
feierlichen Rede und Affektaustausch, aus dem nur Herr Aslan
zweiten und wird trotzdem im folgenden Zwischenakt ge¬
fen, sondern auch das
hervorragte. Herr Günther, der den Max gab, einen Verführer
schwängert. Nie wird das Aktuelle erlitten, immer das
ie Wand, das Haus,
aus der Anatolsphäre, den Mann der rechten Zeit und der
Zwischenaktuelle.
uß all dies von der
weichena Hand, den zärtlichen Accocheur der Frauenseele, der
den, sondern es muß
Die Akte selbst bestehen in der Hauptsache aus
jede Frau# #ewinnt und wieder verliert, hatte nur im ersten Akt
werden, so daß man ] Vor= und Rückblicken. Es deutet sich darin eine Philo¬
den vollen Reiz.
gewahrt, die darin
sophie an,
etwa des Inhalts,
daß der Augen¬
Was Schnitzler bedeutet, oird im Modernen Theater
Erkennen lehren. Der
blick nichts ist als der wehmütige Punkt zwischen Verlangen
lebendig, wo die „Komödie der Worte“ gespielt wird. Entzückend
wie immer man zum
und Erinnern. Daß leidenschaftliches Handeln nichts ist als eine
klar umrissen, technisch sicher, klug, witzig, mit feinen Fältchen
Ibsen sind wohl die
Maske, hinter der der Mensch einsam bleibt. Allerdings; aber
und dennoch starken Linien füllen dort die drei Einakter Stunde
sie bewegten, hatten
diese Bemerkung, als gelegentliche Glosse bei Schnitzler oft so
des Erkennens. Das Bachusfest und Große Szene einen Abend
ahr, Falsch und vom
reizvoll, ist hier nicht ganz genng. Alle diese Frauen hoben
mit leichter Schwere. Arnold Korff zeigt seine große Dar¬
cht, wie es die Welt¬
eine Philosophie der tiefen Glücksplumpser, des gedächtnislos
stellungskraft frei von allen Unarten des Reiseschauspielers und
hies ist. Die Skepsis
senkrechten Hinein und Hinaus, alle sind sie kleine Katharinen,
in Aliee R#ode scheint eine noch unbekannte Begabung für
leben heute in einer die ihre Grenadiere zwar nicht köpfen lassen, aber immer schon! Wien gewonnen worden zu sein.
Robert Musil.
Am

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