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Zweitausend Mal Shylock..
Der berühmte holländische Schauspieler Louis Bouwmester spielt
zur Feier seines 80. Geburtstages im Haag zum 2000. Male die
Rolle des Shylock im „Kaufmann von Venedig“ Bouwmester ist
in allen Hauptstädten Europas in Shakespeare=Rollen aufgetreten.
.
Herzog und reich, der andere ein Baron und auch reich, und der
Dichter, der zwar nicht reich, aber berühmt ist, denn wäre er nicht
berühmt, wie käme er in diese illustre Gesellschaft? Man kommt von
dem Gedanken nicht los: „Was muß der für einen Schmarren
zusammengeschmiert haben, daß er in diese Gesellschaft geraten ist!“
Diese drei Verehrer hat die Gräfin, die natürlich auch reich ist,
denn sie schmeißt wertvolle Schmuckstücke ohne Besinnen weg, auf
eine bestimmte Stunde in den Park des Herzogs bestellt, um ihnen
ihren Bescheid zu sagen. Der Herzog hat zu diesem Zwecke ein¬
Maskenfest veranstaltet, bei dem der Champagner — wie denn
nicht? — in selbstverständlichen Strömen fließt. Es geht wie in
der Operette zu. Nur gerade gesungen wird nicht. Aber genau
so knallen die Pfropfen bei Lehar und Kalman. Die Gräfin also
erscheint zur Geisterstunde im Champagnerpark und wählt den
Baron, welcher interessant, geheimnisvoll und dämonisch ist. Er
sieht auch demgemäß dunkel aus, ein fliegender Schlafwagen¬
holländer, der unentwegt zwischen Rom und Mitteleuropa unter¬
wegs ist. Dieser Baron aber hat einen Klamsch. Er redet sich die
Braut vom Halse. Er verweist sie auf den Unterleib, klärt sie
sexuell auf und rät ihr, sich erotisch auszuleben. Sie läßt sich das
höchstens zwei= bis dreimal sagen und verschwindet mit einem Herrn
„von“, der der reiche Sohn von einem reichen Juwelier ist, rechts in
der Kulisse. Dann sieht man die Gräfin, nach altem Muster von
Hand zu Hand gehend, bei einem dämonischen Kunstmaler, welcher so
braungelockt als möglich vor einer Staffelei steht und die Gräfin,
einstweilen noch in angezogenem Zustande, mit Fleiß und Oel auf
Leinwand abkonterfeit. Im Verlaufe des Stückes treibt er seine
Ver chtheit so weit, sie auch ausgezogen zu malen, und dieses Bild
dara an den Herzog — siehe oben — zu verkaufen. Dies ist der
eit ige Zug, der modern anmutet. Dann verschwindet die Gräfin
für rinige Zeit, um, wie man erfährt, hinter den Kulissen Unzucht zu
treiben, und der Herr „von“, der Juwelierssohn, tritt auf den Plan,
um an mehreren Frauenspersonen nachzuweisen, daß er durchaus
nicht impotent ist. Außerdem ist noch ein großer Verdiener da, ein
Bankkondottiere, der eine Frau hat, die es mit einem Staatsanwalt
hält, und der von der Schwester dieser Frau geliebt wird. Dieser
Bankmagnat wird sodann vom Staatsanwalt eingesperrt und er¬
schießt sich einer telephonischen Mitteilung zufolge im Gefängnis,
was einen knallenden Aktschluß gibt. Dann kommen wir zu einem
emeritierten Kammersänger, der einmal den Don Juan gesungen hat
und nach Verlust der Stimme, jedoch nicht der Zeugungskraft diese
Rolle weiterspielt. Im Hause des also wirksamen Baritons wird
weiter verführt, doch sind auch diese Verführungen recht mühelos.
Kaum sind Männchen und Weibchen allein auf der Bühne
und die Lampe herabgedreht, liegen sie sich auch schon
in den eigens dazu vorbereiteten Armen. Die Gräfin
tätig.
siehe oben — ist noch immer hinter der Kulisse
Im letzten Akte erscheint sie dann, sichtlich überanstrengt.
hat sich zu dem berühmten Dichter geflüchtet, welcher zufolge seines
Amtes versteht und verzeiht und sich — nicht bedient. Er hat nur
eines im Kopfe: die Gräfin dem Baron zwar nicht unversehrt, aber
doch in natura zurückzustellen. Kaum dies ausgesprochen, kommt
auch schon der Baron, natürlich von weit her. Auch er versteht.
auch er verzeiht, er will jetzt, was die Gräfin im ersten Akte ge¬
wollt hat, nämlich heiraten. Jetzt will sie aber nicht, sondern
kriegt das Moralische und springt ins Wasser, wohin ihr der
Baron flugs nachfolgt. Der Kammersänger läßt sich dadurch nicht
stören, ein auf der Bühne zufällig anwesendes junges Mädchen zu
verführen, womit angedeutet werden soll, daß der Titel „Komödie
der Verführung“ richtig ist.
sessss. „TTTTTTYTNNNWNTE
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Traurg, über ein Werk von Schnitzler so schreiben zu müssen, aber
es ist nicht möglich, darüber keine Satire zu schreiben. Traurig,
einen verehrten, Meister auf solchem Holzwege zu sehen. Heute, heute,
heute, nach solchem Erleben, in Zeiten, die so nach neuen Wegen
bangen, die so mach dem Messias Ausschau halten, so ein Nichts von
einem Stücke! Es ist jammervoll, diese Operette ohne Musik anhören
zu müssen, doppelt jammervoll, da auf ihrem Titelblatte der Name
eines unserer Allerbesten steht.
Die Aufführung war nicht gut, das Tempo schleppend. Frau¬
Wolgemuth und Herr Aslantaten, was sie konnten, die übrige
Damenwelt war nicht allzu verführerisch. Der Erfolg gilt dem in
Wien mit Recht geliebten und verehrten Dichter, nicht diesem schwachen
Julius Bittnen“
Werke,
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Zweitausend Mal Shylock..
Der berühmte holländische Schauspieler Louis Bouwmester spielt
zur Feier seines 80. Geburtstages im Haag zum 2000. Male die
Rolle des Shylock im „Kaufmann von Venedig“ Bouwmester ist
in allen Hauptstädten Europas in Shakespeare=Rollen aufgetreten.
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Herzog und reich, der andere ein Baron und auch reich, und der
Dichter, der zwar nicht reich, aber berühmt ist, denn wäre er nicht
berühmt, wie käme er in diese illustre Gesellschaft? Man kommt von
dem Gedanken nicht los: „Was muß der für einen Schmarren
zusammengeschmiert haben, daß er in diese Gesellschaft geraten ist!“
Diese drei Verehrer hat die Gräfin, die natürlich auch reich ist,
denn sie schmeißt wertvolle Schmuckstücke ohne Besinnen weg, auf
eine bestimmte Stunde in den Park des Herzogs bestellt, um ihnen
ihren Bescheid zu sagen. Der Herzog hat zu diesem Zwecke ein¬
Maskenfest veranstaltet, bei dem der Champagner — wie denn
nicht? — in selbstverständlichen Strömen fließt. Es geht wie in
der Operette zu. Nur gerade gesungen wird nicht. Aber genau
so knallen die Pfropfen bei Lehar und Kalman. Die Gräfin also
erscheint zur Geisterstunde im Champagnerpark und wählt den
Baron, welcher interessant, geheimnisvoll und dämonisch ist. Er
sieht auch demgemäß dunkel aus, ein fliegender Schlafwagen¬
holländer, der unentwegt zwischen Rom und Mitteleuropa unter¬
wegs ist. Dieser Baron aber hat einen Klamsch. Er redet sich die
Braut vom Halse. Er verweist sie auf den Unterleib, klärt sie
sexuell auf und rät ihr, sich erotisch auszuleben. Sie läßt sich das
höchstens zwei= bis dreimal sagen und verschwindet mit einem Herrn
„von“, der der reiche Sohn von einem reichen Juwelier ist, rechts in
der Kulisse. Dann sieht man die Gräfin, nach altem Muster von
Hand zu Hand gehend, bei einem dämonischen Kunstmaler, welcher so
braungelockt als möglich vor einer Staffelei steht und die Gräfin,
einstweilen noch in angezogenem Zustande, mit Fleiß und Oel auf
Leinwand abkonterfeit. Im Verlaufe des Stückes treibt er seine
Ver chtheit so weit, sie auch ausgezogen zu malen, und dieses Bild
dara an den Herzog — siehe oben — zu verkaufen. Dies ist der
eit ige Zug, der modern anmutet. Dann verschwindet die Gräfin
für rinige Zeit, um, wie man erfährt, hinter den Kulissen Unzucht zu
treiben, und der Herr „von“, der Juwelierssohn, tritt auf den Plan,
um an mehreren Frauenspersonen nachzuweisen, daß er durchaus
nicht impotent ist. Außerdem ist noch ein großer Verdiener da, ein
Bankkondottiere, der eine Frau hat, die es mit einem Staatsanwalt
hält, und der von der Schwester dieser Frau geliebt wird. Dieser
Bankmagnat wird sodann vom Staatsanwalt eingesperrt und er¬
schießt sich einer telephonischen Mitteilung zufolge im Gefängnis,
was einen knallenden Aktschluß gibt. Dann kommen wir zu einem
emeritierten Kammersänger, der einmal den Don Juan gesungen hat
und nach Verlust der Stimme, jedoch nicht der Zeugungskraft diese
Rolle weiterspielt. Im Hause des also wirksamen Baritons wird
weiter verführt, doch sind auch diese Verführungen recht mühelos.
Kaum sind Männchen und Weibchen allein auf der Bühne
und die Lampe herabgedreht, liegen sie sich auch schon
in den eigens dazu vorbereiteten Armen. Die Gräfin
tätig.
siehe oben — ist noch immer hinter der Kulisse
Im letzten Akte erscheint sie dann, sichtlich überanstrengt.
hat sich zu dem berühmten Dichter geflüchtet, welcher zufolge seines
Amtes versteht und verzeiht und sich — nicht bedient. Er hat nur
eines im Kopfe: die Gräfin dem Baron zwar nicht unversehrt, aber
doch in natura zurückzustellen. Kaum dies ausgesprochen, kommt
auch schon der Baron, natürlich von weit her. Auch er versteht.
auch er verzeiht, er will jetzt, was die Gräfin im ersten Akte ge¬
wollt hat, nämlich heiraten. Jetzt will sie aber nicht, sondern
kriegt das Moralische und springt ins Wasser, wohin ihr der
Baron flugs nachfolgt. Der Kammersänger läßt sich dadurch nicht
stören, ein auf der Bühne zufällig anwesendes junges Mädchen zu
verführen, womit angedeutet werden soll, daß der Titel „Komödie
der Verführung“ richtig ist.
sessss. „TTTTTTYTNNNWNTE
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Traurg, über ein Werk von Schnitzler so schreiben zu müssen, aber
es ist nicht möglich, darüber keine Satire zu schreiben. Traurig,
einen verehrten, Meister auf solchem Holzwege zu sehen. Heute, heute,
heute, nach solchem Erleben, in Zeiten, die so nach neuen Wegen
bangen, die so mach dem Messias Ausschau halten, so ein Nichts von
einem Stücke! Es ist jammervoll, diese Operette ohne Musik anhören
zu müssen, doppelt jammervoll, da auf ihrem Titelblatte der Name
eines unserer Allerbesten steht.
Die Aufführung war nicht gut, das Tempo schleppend. Frau¬
Wolgemuth und Herr Aslantaten, was sie konnten, die übrige
Damenwelt war nicht allzu verführerisch. Der Erfolg gilt dem in
Wien mit Recht geliebten und verehrten Dichter, nicht diesem schwachen
Julius Bittnen“
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