II, Theaterstücke 29, Komödie der Verführung. In drei Akten (Der Verführer), Seite 61

29. Kongedie der Verfuchnung box 33/6
Dr. Max Goldschmidt
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Badische Presse, Karlsruhe
3 Nov 1091
S
probe des jungen Grazers Ernst Fischer, „Das Schwert des Attila“.
Das Wiener
Musik¬
die leider durch die Art der Wiedergabe um die halbe, ja stellenweise¬
um die ganze Wirkung kam, noch das herzlich schwache und gleich=
und
Theaterfest.
falls ungenügend dargestellte Märchenspiel „Der Agiser im Walde“,
Von
von Walter Eidlitz noch endlich „Die Komödie der Verfuyrung von
Hofrat Max von Millenkovich-Morold.
Arthux Schnitzler, in der sich der berühmte und in Wienhochansehene
Verfassel Von füst allen guten Geistern des Theaters und der Dicht¬
Schluß und Rückblick.
kunst verlassen zeigt, können als Festvorstellungen im rechten Wort¬
Mit einer Volksbelustigung im Nathause, mit Clown und
sinne betrachtet werden. Sie würden auch im gewöhnlichen Spiel¬
Kasperl endete das Musikfest. Die letzte „ernste“ Vorstellung war das
plane keinen Anklang gefunden haben.
„Volksschauspiel vom Doktor Faust“ im Schönbrunner Schloßtheater
Scheinbar tiefen Widerhall fand das Drama mit Musik „Die
Das durch Richard Kralit ebenso feinfinnig als wirksam ernenerte
glückliche Hand“ von Arnold Schönberg in der Volksoper.
Urbild des Goetheschen „Faust“ wurde schon vor mehreren Jahren im
Man konnte sagen: ein solcher Erfolg ist schon lange nicht erlebt
Akademietheater von der „Wiener Kammerkunst“ aufgeführt. Seinen
worden. Man muß aber auch gleich hinzusetzen: so wenig hat die
aufrichtige Gesinnung der Zuhörer dem äußeren Beifall kaum je¬
Zweck und seinen Mitteln gemäß wendete sich dieses Unternehmen
mals entsprochen. Niemand, auch nicht der auf Schönberg einge¬
damals hauptsächlich an gebildete Kenner der deutschen Sage und
schworene Teil der günstigen Kritik, konnte aus dem bloß halbstün¬
deutschen Schrifttums. Im Nahmen des Musik= und Theaterfestes
digen „Drama“ klug werden, das in leeren Sinnbildern, wozu auch
aber hätte das Volksschauspiel, das Kasperltheater, denn doch stär¬
Licht und Farbe verwendet werden die menschliche Tragödie eines
ker betont und klarer zum Ausdruck gebracht werden müssen. Statt
großen Künstlers oder herrlichen Mannes aufzeigen möchte, der mit
dessen war die Darstellung bei weitem nicht so frisch und kräftig wie
„glücklicher Hand“ Werke, Taten vollbringt und dennoch (weshalb?)
in der „Kammermusik“ und die Verpflanzung der gerade in ihrer tra¬
zugrunde geht. Es kommt weder zu packenden Bildern noch zu einem
gischen Hälfte wahrhaft volkstümlichen, schlicht=innigen Hanswurstiade
einleuchtenden Sinne. Dasjenige aber, was trotzdem, über allen
in das schönste, aber volkstümlichste, höchst vornehmste und eni¬
Nebel der „Handlung“ hinweg, einen starken Theatereindruck erzwin¬
legenste Theater Wiens, nach Schönbrunn, schien dem „Volke“ von
gen könnte, nämlich die Musik, ist nicht nur untheatralisch und daher
vornherein zu sagen: das ist nichts für dich, während sie dem kleinen
untauglich, sondern auch mit ihrem häßlichen abstoßenden zum
Kreise wohlhabender und anspruchsvoller Besucher doch nur einen
Zorn oder Lachen reizenden Gemisch von Sprech= und Singstimmen,
unbefriedigenden, sonderbaren Eindruck verschaffte.
Tönen und Klangen, Lärm und Gerausch so ziemlich das Gegenteil
An solchen inneren Widersprüchen, an dem Mißverhältnis zwi¬
von allem, was bis jetzt als Musik gegolten hat. Nehmen wir an,
schen Absicht und Ausführung, zwischen Möglichkeit und Wirklichleit
daß die Schönbergianer Recht hätten und seine Kunst die Zukunft
litt das ganze Musikjest. Vor allem: es war kein Fest, sondern nur
wäre ——. so ändert dies doch nichts an der Tatsache, daß in der Ge¬
eine fünf Wochen dauernde ziemlich planlose Folge guter und minder
genwart wenigstens die Besucher der Volksoper nichts damit anzu¬
guter Aufführungen, deren Bestes (die Abende in der Staatsoper.

fangen wissen, daß bei der Uraufführung der „Glücklichen Hand“.
die Anzengruber=Abende im Volkstheater mit dem Meisterdarsteller
eben nur Verblüffung, die sich schließlich in Zorn oder Lachen löste,
Rudolf Tyrolt, Männergesangverein und Schuberlbund und einiges
die allgemeine Wirkung war. Just so allgemein war aber auch das
andere) den Einheimischen und Fremden auch sonst jahraus jahrein
Beifalltosen. Schönberg wurde wie ein unbestrittener Meister gefeiert.
zum festlichen Genusse dargeboten wird. So hat denn, außer den Be¬
Es wiederholte sich da in gesteigertem Maße, was auch die Urauf¬
richterstattern, wohl kein Mensch dem „Feste“ in seiner vollen Aus¬
führungen in den Konzertsälen während des Festes kennzeichnete:
dehnung beigewohnt und wie konnte auch wahre Feststimmung, das
daß die fragwürdigsten und anfechtbarsten Stücke am lautesten be¬
Gefühl des Außerordentlichen, bei den Mitwirkenden und den Teil¬
jubelt wurden. Nicht, weil sie am besten gefielen, sondern weil ihre
nehmern so lange anhalten? Verneint wurde der Begriff des Festen
Urheber und deren Freunde dafür Sorge getragen hatten, daß vor¬
aber nicht nur durch übermäßige Länge und die verwirrende Buntheit,
wiegend persönlich eingenommene Anhänger, grundsätzlich verpflich¬
sondern auch besonders dadurch, daß das Hauptgewicht von Anfang
tete Gönner, parteimäßige Lobredner und — dankbare Freikarten¬
an auf die Uraufführung neuer unerprobter, zum Teil dem Namen
besitzer die Zuhörerschaft bildeten. Unbefangene und ehrliche Be¬
nach gänzlich unbekannter Männer und Werke gelegt war. Bei die¬
sucher gab es immer nur sehr wenige. Die Konzerte waren halb
leer und nichtsdestoweniger halb verschenkt. Der Fehlschlag dieses
sem wenig Loctenden, Unsicheren, sogar Furcht und Mißtrauen Her¬
eigenartigen „Festes“ soll sich auf eine ungewöhnlich hohe Summe
aufbeschwörenden, das schon in den Ankündigungen lag. konnte
belaufen.
„wahre Feststimmung“ überhaupt nicht auskommen. Ein Fest soll,
In der Schlußsitzung des Hauptausschusses für das Musik= und
auch wenn es sich um Neues handelt, doch stets einer starten Hoff¬
Theaterfest wurden alle hier vorgebrachten Einwendungen und Be¬
nung, einer frohen Zuversicht Bestätigung und Erfüllung bringen.
denken wenn auch mit einer gewissen Zurückhaltung — geäußert.
Mit der Erfüllung sah es just am schlimmsten aus. Es gab fast nur
Der Festleiter Dr. Bach abe; auch sein Shutzherr, der Bürgermeister,
zweifelhafte und unentschiedene Eindrücke, oder — ausgesprochene
ließen sich nicht irre machen: sie bezeich ten die Verluste als uner¬
Mißerfolge, so namentlich im Burgtheater. Weder die schöne Talent= heblich, die Festdauer als keineswege zu lang und sich selbst als 19
„gar nicht eigensinnig“.
sie würden daher in Zukunft ganz be¬
stimmt wieder Feste ähnlicher Art veranstalten.
(perharh bonnt„—