II, Theaterstücke 29, Komödie der Verführung. In drei Akten (Der Verführer), Seite 70

29. Konoedie der Verfuchnung box 33/6
S
Vielleicht eineinhalb Jahrzehnte hat,
Weil er das falsche Theater vermeiden,
Man spricht noch immer von den zwei
U# Schnitzler an seinem Verführungsdrama ge= wollte, das immer entsteht, wenn in einer großen Rötselfragen des Schnitzlerschen
ratheater= arbeitet. Es ist ja bekannt, wie er das macht.
größeren Gesellschaft zwei Schauspieler „heim= Stückes. Erstens: Was hat er mit den vielen
— Artur
Er schreibt mit langsamer Ueberlegung einen
lich“ miteinander sprechen sollen. Die Lüge Liebesafären sagen wollen? Zweitens: Sind
s ist der
Akt nieder und sperrt die Blätter dann in den
besteht darin: Die ringsherum ganz nahe
die Figuren wirklichen Personen der Wiener
Wersonen? Schreibtisch ein. Nach Monaten nimmt er das
stehenden anderen Schauspieler dürfen von dem
Gesellschaft nachgebildet?
itzlers, Manuskript wieder heraus und liest es — als
Gespräch nichts hören. Wohl aber soll das weit
Sprechen wir zuerst vom Sinn des
t sich als ein anderer. Denn was alles hat er seither
entfernte Publikum jeden Beistrich vernehmen!
Stückes: Gräfin Aurelie und Baron Falkeni
kers ent= in sich aufgenommen, was alles erlebt! So
Wenn nun der Regisseur die heimlich
sind einander in wahrer Liebe zugetan. Aug
alle Er=sitzt plötzlich der Kritiker Artur Schnitzler
Sprechenden möglichst weit von der übrigen
der Dichter Ambros Doehl ist in die Gräfin
rfahrenen. über den Dichter gleichen Namens zu Gericht
Gesellschaft aufstellen, sogar in einen eigenen
sterblich verliebt. Eine tiefe, jedes Opfers
und bessert ihn aus und zerfetzt ihn und be¬
Unrecht,
Heimlichkeitsgang einschieben kann, so wird
fähige Liebe glüht in der jungen Judith Asrael
fiehlt ihm schließlich, die Sache anders, feiner,
Arbeit der
diese Lüge vermieden.
für ihren Schwager, den Bankpräsidenten
Er habe gescheiter zu machen. Und der arme Dichter
Westerhaus.
Und wie edel liebt der Prinz
*
schließlich schleicht sich wie mit kaltem Wasser begossen
Arduin die schon erwähnte Gräfin Aureliel
In diesem Gang gibt es nun eine höchst
Abschluß davon und geht wieder stundenlang spazieren,
Zwischen allen diesen Paaren aber, die durch
morgens und abends, von der Türkenschanze
wichtige Szene zwischen der Frau Bankpräsi¬
wahrhafte Seelenneigung verbunden sind,
zum Kahlenberg hinaus und wieder zurück
dentin und einem Jourgast, der sie liebt. Es
Schnitzlers
kommt es nie zu körperlicher Annäherung.
den alten Poetenweg, Tage und Wochen, und
ist der Herr Staatsanwalt Braunigl. Die edle
siedardus“
Dagegen geben sich Gräfin Aurelie und
sinnt und sinnt, bis ihm das Bessere einfällt.
Finanzgattin verspricht dem Herrn Staats¬
kt. Ein
Judith Asrael eigentlich ganz bedenkenlos
So ist die neue Komödie Schnitzlers ent¬
anwalt, noch am selben Abend, 8 Uhr, in
h auf das
einem jungen, hübschen Wiener hin, den sie gar
seiner Wohnung zu sein, wenn er bis dahin
standen. Fast jede Szene ein paarmal ver¬
sich aber
nicht lieben, der für sie nach dem ersten Aben¬
worfen und wieder aufgelesen und um¬
ihren Gatten ein bißchen hat einsperren lassen.
nicht an
teuer für immer abgetan ist!
gearbeitet.
Frau Retty spielt überaus lebhaft die leicht¬
Anmut.
Diese untrügliche Feststellung macht klar,
sinnige Freude, von dem unbequemen Gatten
Gewiß, das Eisen muß glutheiß sein, das
chauspiel.
was der Dichter beweisen wollte: Die wirkliche
der Dichter schmiedet. Aber er selbst muß
ten gute
kalt sein.
Liebe und die sinnliche Leidenschaft haben mit¬
Sunteritenet h er rht e
t größter
einander nichts zu schaffen! Nur daß sie oft in
Verhaftungsgrund finden!
vornehm
einer Frau vereinigt sind! An dem Mann
Die alten Römer hielten jeden Dichter
Diese Szene voll aktueller Sensationsluft
lich einem
ihrer idealen Liebe hält sie für ihr ganzes
zugleich auch für einen Propheten und hatten
hat bei der Erstaufführung überaus stark
die Arme
Leben fest. Doch den, der ihre Sinnlichkeit
für beide dieselbe Bezeichnung: vates. Als
gewirkt. Denn alles stand unter dem Eindruck
hen, der
berauscht, stößt sie nach erlangter Nüchternheit
solcher hat sich Schnitzler bei unserem Stück
jener Affäre, die den mächtigsten Finanzmann
in er ist
wieder von sich. Sie will frei sein. Ja, die
erwiesen, als Prophet und Dichter. Man wird
Oesterreichs so stark mit dem Landesgerichte in
er unbe¬
junge Geigerin Seraphine, ebenfalls ein
es kaum glauben, aber es ist doch so: Die
Verbindung brachte. Das Publikum sollte
des sehn¬
wollte der kluge Opfer des hübschen Verführers, geht in ihrer
Komödie endet bekanntlich mit dem Ausbruch

jedes Wort verstehen
as Ideal
Sucht nach Freiheit so weit, dessen Heirats¬
des Weltkrieges. Schnitzler selbst hatte aber das
Regisseur — aber wahrscheinlich gegen den
n wendet
antrag zurückzuweisen, obgleich sie ein Kind
Stück schon lange vor dem Kriege vollkommen
Willen Schnitzlers, dem es gewiß widerstrebt,
kein, denn
von ihm unterm Herzen trägt.
entworfen. Es sollte mit irgendeinem Kriege
Nebenbei
die Zeitung zu dramatisieren.
er wieder,
Das ist also der Vorkriegstypus der
enden, der da plötzlich ausbricht. Entweder bemerkt, wird der Bankpräsident unschuldig
n.
der russisch=japanische oder der Balkankrieg.
Frau, wie sie Schnitzler gesehen hat. Der Frei¬
verhaftet. Der Staatsanwalt hatte sich eben
hr lang¬
Kurzum, alles flüchtet aus der Sommerfrische
heitsdrang der selbständigen Frau und ihr
durch seine Leidenschaft für diese lüsterne Frau
bezu vier
entweder in den Krieg oder es flieht ihn.
Kampf, die Reinheit der Seele von den
zu jenem Verbrechen niedrigster Gemeinheit
spar¬
in
Wissen Sie aber, lieber Leser, welcher Tag in
Stürmen des Blutes nicht trüben zu lassen.
hinreißen lassen.
der neue
diesem allerersten, lang vor dem Weltkrieg
Artur Schnitzler hat übrigens, ganz der Gräfin Aurelie bezahlt diesen Widerstreit wit
Hans
fertiggest-lten Entwurf als Beginn des Krieges
dem freigewählten Tod.
Wahrheit gemäß, geleugnet, mit dem Bank¬
bestrichen.
bezeichnet ist? Der 1. August!
präsidenten Westerhaus den erwähnten Wiener
ten. Wie
Am 1. August 1914 ist der Weltkrieg aus¬
Finanzmann zu meinen. In der Tat: Als
die Zu¬
Nun zur zweiten Frage. Auf wen deuten
gebrochen.
der Dichter diese Szene schrieb, war jener
Hand das
die verschiedenen Figuren des Stückes? Die
Milliardär ein noch unbekannter armer
Namen lebender Persönlichkeiten wollen wir
Die beiden interessantesten und künstlerisch Teufel. Der Dichter war eben wieder einmal
nte er in
nicht nennen. Daß der Kammersänger Fenz
Prophet.
eigenartigsten Schauplätze der Aufführung sind
ung.
(eine Prachtleistung Reimers des Aelteren)
der vornehme Wiener Park des Prinzen von
Wohl aber könnte Dr. Schnitzler den
riche vor¬
viele Züge Gabillons trägt, ist kein Zweifel.
Perosa (1. Akt) und der prachtvolle Saal im
Staatsanwalt der Wiener Lokalgeschichte ent¬
hicht übel
Daß der uralte Bariton Kammersänger
Bankpalais des Präsidenten Westerhaus (Ver¬
nommen haben. Das war ein auffallend
r Proben
Meyerhofer mit dem uralt verstorbenen Ba߬
wandlung des 2. Aktes). Drei mächtige schöner, aber trotzdem interessanter Mann,
n, gleich
bariton der Hofoper Kammersänger Meyer¬
moderne Marmorsäulen, fünfeckig, kaum von dichtes, schwarzes Haar, kohlschwarze Augen,
mit der
hofer nur Namen und Alter gemeinsam hat,
zwei Männern zu umspannen, stützen die
aus denen Leidenschaft lachte und sprühte,
Herr
t,
ist auch kein Zweifel. Dieser Sänger, ein
Decke. Es ist ein weiter Saal, die Hintergrund¬
weiße Zähne, mit denen er kokettierte. Der
ne weg¬
Künstler ersten Ranges, war leidenschaftlicher
wand schief auf die Bühne gestellt. Von ihr
geborne Damenfreund. Plötzlich wurde der
Junggeselle. Die Frau war ihm ein nichtiges
zweigt sich im rechten Winkel ein breiter Gang
Staatsanwalt wegen einer Affäre
it wieder
Wesen. Man wird einsehen: das war keine
ab, durch den die Leute abgehen. Warum
„gespritzt“, die der des Schnitzlerschen Staats¬
Rollen:
Figur für Schnitzler dem die Frau den
der Regisseur dieses „Interieur“ — Schnitzler
anwaltes Braunigl ähnelte, nur daß neben der
er Spiel¬
wollte anfangs nur ein Arbeitszimmer des
Liebe auch ein bißchen Geld dabei eine Rolle Mittelpunkt der Welt bedeutet.
Bankmannes — über die ganze Bühnenbreite spielte.
Julius Stern.
ausgedehn
E
Se -Pasg 2.