II, Theaterstücke 29, Komödie der Verführung. In drei Akten (Der Verführer), Seite 99

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29. Konoedje der Verfuchrung
Dr. Max Goldschmict
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Ausschnitt aus: Hallische Nachrichten
Ka o. Out. 1004
zu bewahren, hat man nun eine „Organisation zur
Förderung des Theaterbesuches“ gegründet.
Schnitzlers „Komödie der Verführung“ er¬
wies sich bei der reichsdeutschen Urauffüh¬
B
rung am Wiesbadener Staaistheater als
er und verführerischer Frauen, die Schnitzler
unktar aufgedautes durch die Anzahl der handelnden
nit der wehmütig lächelnden Erfahrung, „daß
oder auch nur auflauchenden Personen verwirrendes,
das Leben immer köstlicher wird, je weniger da¬
übermäßig breit gewalztes Werk, in dem nur ab und zu
von übrig bleibt“, in eine Komödie kleidet,
etwas vom Geise der früheren Schnitzlerschen Stücke
merklich das Werk eines Sechzigjährigen vor
zu spüren ist. Das Wien der Vorkriegszeit bildet den
sich. Das Schönste darin ist der Dialog mit
Hintergrund der mannigsachen Ziebes= und Ver¬
allen Feinheiten, aller Noblesse und Höhenluft
führungsgeschichten, die zu einem ermüdenden Durch¬
des kultivierten Dichters der „Liebelei“, dem der
einander zusammengewirbelt sind. Der erste und letzte
barbacische Erfolg des „Reigens“ eine verhäng¬
Ait besonders sind von unmäßiger Länge und gaben
nisvolle Berühmtheit auch in kunstfremden
dem Abend, die mehrsachen Pausen eingerechnet, die un¬
Kreisen gegeben hat. Aber es fehlt darin die
erfreuliche Tauer von bald vier Stunden. Man dachte
Fülle des aus Mitleidenden Leidenschaften auf¬
mit wehmitigen Gefühlen an Schnitzlers „Anatol“,
quellenden Lebens, keine lebendigen Menschen
der in seiner kristallenen Klarheit und der in allen
kommen in Beziehung zueinander, sondern nur
Feuern Wiener Geistes funkelnden Sprache sich, trotz
Figuren, die Theten ihres Erschafsers ver¬
seiner inneren Schwächen, als ein unverwüßliches und
körpern, obgleich sie ihre bühneniechten Me¬
immer wieder eranickendes Bühnenwerk erwiesen hat.
thoden haben. Diese liebenswürdige Karitalur!
Der laute Beifall galt in erster Linie der Auf¬
des k. und k. Wienertums bei Ausbruch des
führung, die Dr. Burbaum leitete.
Weltkrieges wurde in Wiesbaden vielleicht noch
unwienerischer gegeben, als sie am Wiener
Burgtheater gewirkt haben mag. Die Inszenie¬
rung von Dr. Hans Buxbaum — obwohl
sie noch manches hätte vertiefen und verdent¬
lichen können, wo der Dichter die Regie sich
selber überließ — suchte aber im übrigem mit
anerkennenswertem Geschick das dichterische
Aroma zu erfassen und das Werl mit aller jener
prickelnden Resignation und jenem mondänens
Sarkasmus zu beseelen, die es ersordert und es
zu einer nachschöpferischen Regieleistung machen!
konnte. Ihr diente eine ganze Reihe trefflicher
Dr. Max Goldschmiet
schauspielerischer Talente.
Namentlich die
Frauenrollen, um die sich überhaupt das Stück
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bewegt, waren ausgezeichnet besetzt: Thila
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Hummel vergeistigte heldisch die Gräfin
Aurelie; Gudrun Kabisch, die neue
Russchnitt aus:
Wiesbadener Sentimentale, war als Judith
Frankfurter-Oder-Zeitung
wahrhaft ein Erlebnis in jener dramatischsten
Szene des Stückes, in der die beiden Schwestern
Indith und Julia, von Hilde Wernburg
2 9. Okt. 1920
glaubhaft dargestellt, um den Tod des ihnen
beiden angehörenden Mannes sich zerquälen;
Friedel Nowack als Seraphine war das
reizende natürliche Geschöpf, wie es der Dichter
Schnitzlers „Nomödie der Verführung“
haben wollte. Max von Reisenberg wurde
in Wiesbaden.
nicht ganz glücklich von dem jugendlichen, noch
etwas unfertigen Wolfgang Langhoff
Arthur Schnitzlers „Komödie der Verfüh¬
gespielt; die übrigen wichtigeren Männerrollen
rung“, die vor etwa vierzehn Tagen im
mit bewährtem Können von: Kurt Sell¬
Wiener Burgtheater zum erstenmale auf die
nick, Bernhard Herrmann, Gustay
Bühne kam, hatte sich Hagemann für das Schwab, Agust Momber, Dr. Paul
Wiesbadener Staatstheater zur Gerhards, Max Andriano. Das aus¬
reichsdeutschen Uraufführung ge= verkaufte Haus dankte für die Aufführung mit
sichert. Man hat in diesen Tragövien verführ= anhaltendem Beifall.