II, Theaterstücke 29, Komödie der Verführung. In drei Akten (Der Verführer), Seite 100

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Dr. Max Goldschmidt
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Germanta, Prria
3 0. Obt 1924
im Wald“, ist Talent nicht abzusprechen. Schade, daß er es
Wiener Theaterbrief.
auf keinen besseren Stoff verwendet. Da spaziert, ein junger
Unverbesserliche Optimisten haben erwartet, daß das eben
Monarch im Wald. Dort begegnet er einer jungen Frau Adida.
abgelaufene Musik= und Theaterfest der Stadt Wien
der ihr Mann verboten hat, über den Bach zu gehen. Natürlich
eine Heerschau der jungen österreichischen Talente bringen würde.
tut sie es doch. Der Mann wird auf Neisen geschickt, bei denen
Es gibt ja im neuen Oesterreich genug soziale und menschliche
er zugrunde geht. Der Kaiser und Adida finden sich in Sünde
Probleme, die der Gestaltung harren. Aber diese Erwartungen
zusammen. Aber die Schuld rächt sich, der Feind fällt ins Land,
sind mit geringen Ausnahmen enttäuscht worden. Kein friches
der Kaiser wird entihront und verjagt, das Kind des ehebreche¬
Zupacken ins Leben, in die drängende und gährende Gegen¬
rischen Paares stirbt, weil kein Arzt aufgetrieben werden kann.
wart. Da präsentierte sich in einer Burgtheater=Pre¬
Als verzweifelter Büßer irrt der Kaiser wieder im Wald. Da
mière der ältliche Schnitzler der sich von seinen Jugend¬
naht sich ihm der „Uralte“, macht das Kind wieder lebendig und
aventüren noch immer nichttbsreißen kann: In seiner Ko¬
ermahnt den jungen Exkaiser zur tätigen Arbeit, die dieser auch
mödie der Verführung" wandert er durch jenes Traum¬
auf sich nimmt. Mit einem solchen moralinsauren und zugleich
Wien, das er und seine literarische Schule eigentlich erst er¬
nebulosen Schluß endet das poesievoll und dramatisch beginnende
Stück.
schaffen haben. Das Stück spielt im Mai 1914 im fliederduf¬
tenden Frühlingspark eines Alt=Wiener Barockpalais. Dahin
Nicht minder symbolistisch und auf Zeichen und Wundern
hat die schöne Gräfin Aurelie ihre drei Freier besteilt, da will sie
statt auf einer tragfähigen Exposition aufgebaut, ist das Stück
Schlag Mitternacht ihre Liebeswahl vornehmen: drei Männer
des jungen Grazers Ernst Fischer „Das Schwert des
den skeptischen Prinz Arduin, den Dichter Doehl und den rätsel¬
Attila“. Diese Waffe, die der Hunnenkönig Attila mit holz¬
haftmelancholischen Freiherrn von Falkenier. Die Wahl Aure¬
knechtmäßigem Fluchen in die Erde vergräbt, führt ein Eigen¬
liens fällt auf Falkenier, der aber die Geliebte abweist.
dasein. Es wird ausgegraben und von einem unvorsichtigen
Er
entdeckte in ihr allerle. Möglichkeiten, denen er sich nicht ge¬
jungen Mann in den Lüften geschwungen. Darauf bemächtigt
wachsen fühlt. Die Komödie der Verführung setzt ein, die mehr
sich des Schwertes ein wahrer Blutrausch. Es rast eigenlätig)
Komödie als Verführung ist: In ihrem Aerger wirft sich die
von einem Willkürakt zum anderen es beherrscht mit dämoni¬
stolze Aurelie einem sehr belanglosen jungen Mann an den
scher Gewalt seinen jeweiligen Besitzer und bringt ihm zwarl
Hals, Max v. Reisenberg, ein nettes Wiener Früchtel, der
Macht und Ehre, aber auch innere Zerrissenheit und Be¬
immer das Glück hat, zur Stelle zu sein, wo eine Frau in Zorn
fleckung. Der letzte Besitzer löst endlich den Fluch, indem er die
und Liebesenttäuschung ist und sich wegwirft. So sinkt ihm Se¬
verbrecherische Waffe von sich wirft und der Welt entflieht. Der
raphine, das kecke Töchterchen des Kammersängers Fenz. eines
Wert des Stückes liegt mehr in seiner pazifistischen Tendenz
ausgesungenen Don Juan, in die Arme, so besteht er ein Aben¬
und in manchen sprachlich schönen Stellen. Immerhin brachten
teuer mit der schönen Jüdin Judith. Diese liebt hoffnungslos
Herr Anberssen in der sehr wortreichen Rolle des jungen
ihren Schwager, der sein Leben an eine schlechtes Weib ver¬
Helden und Herr Lohner als liebenswürdiger junger Kaiser
gute Wirkungen hervor.
schwendet. Judith sagt es dem Eroberer wider Willen direkt
ins Gesicht, was sie eigentlich zu ihm getrieben hat. Nun verliert
Mit hohem Lobe sei zuletzt noch einer Aufführung ge¬
sich die Handlung im letzten Akt in einer Fülle von
dacht, die uns in den letzten Oktobertagen die freie Schau¬
recht widerwärtigen und unwahrscheinlichen Liebeskonfusionen.
spielervereinigung auf der Reliefbühne des Konzerthaussaales
Die Versprechungen, die der „Junge Medardus“ und der
bescherte. Diese Bühne hatte keine Tiefe, sondern di eHand¬
„Grüne Kakadu“ für die Entwicklung Schnitzlers gaben, hat
lung spielt sich nur im Vordergrund ab und nur einige scheinbar
dieses neueste Drama nicht eingelöst. Unvergleichlich war im
zufällig befestigte Balken geben dem flächenhaften Spiel räum¬
dritten Akt Frau Wohlgemut als liebende, enttäuschte,
liche Wirkung. Aber dieses szenische Experiment bewährte sich
bacchantisch entfesselte Aurelie, Herrn Aslan lag der selbst¬
gut bei dem bäuerlichen Drama, dem es als Rahmen zus
quälerische Glückszerstörer Falkonier ausnehmend gut. Herrn
dienen hatte. Richard Villinger, der Verfasser, ist ein,
Günther gelang der so unbedeutende und von so viel Glück
Oberösterreicher aus dem Innviertel, eine klobige, trotzige
verfolgte Max. Reizend war auch Maria Mayen in der
Bauerngestalt. Sein Stück, „Der Knecht“, hat nichts von
wienerisch anmutigen Gestalt der bedenkenlosen Seraphine.
süßlicher Dorfpoesie. Es wandelt auf Anzengrubers und Schän¬
Im Nahmen des Theaterfestes brachte das Burgtheater noch
herrs Spuren, nur noch wilder und ungestümer. Es gärt und
zwei Novitäten von jungen österreichischen Dramatikern.
brodelt darin von heißer Leidenschaft. Die Handlung ist karg;
Walter Eidlitz, dem Verfasser des Dramas „Der Kaiser
und knapp: Der Knecht liebt die junge, hübsche Magd, er
schlägt den Förster, der ihr nachstellt, erflieht in die Wälder.
Sie heiratet den reichen, alten Großbauer, aber am Hochzeits¬
abend tötet sie ihn, von Ekel erfaßt, und stürzt nun, selbst eine
Verfemte, dem Verfemten in die Arme, durch Liebe und Schuld
zur unausbleiblichen Sühne mit ihm verbunden. Grausam und
doch glaubhaft ist das Geschehen. urwelthaft die Gestalten, hart
und sparsam die Sprache. Wilhelm Ulitsch in der düsteren
Tragik des Knechtes, Frau Pünkesdy als Magd, halb
Dirndel, halb Walküre, prägten sich unauslöschlich ein.
Dr. Josefine Widmar.