II, Theaterstücke 29, Komödie der Verführung. In drei Akten (Der Verführer), Seite 121

Selte 10
Wien, Samstag
Neue Freie Presse.
17. Januar 192
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„Flamme“ angesagt, ohne daß es zu einer Aufführung in
dieses lebenskräftigste St
Newyork, die allein maßgebend ist, gekommen wäre.
„The Second Mrs. Thank
Aehnlich verhält es sich mit Schnitzler, dessen „Komödie der
daß es in London zum ersch
Verführung“ uns für diesen Winter versprochen worden.
Chronikbeilage
jenen Tagen hat sich gerade

Man wagt sich wohl, und mit Recht, an Schnitzlers seine,
der
darin aufgeworfen und vern
1
abgetönte und trotz ihres weiten Horizonts durchaus lokale
Frage nämlich, ob eine Fr
„Neuen Freien Presse“.
Kunst nicht recht heran. Nicht aus Unvermögen; Broadway
kann. Ein Stück, heute un
wagt heute alles, und es gelingt ihm eine ganze Menge.
vielleicht auch dieselbe Aus
S Stlchnetostsner unsenporten entnethengnenern uementnungnnt.
Aber offenbar aus psychologischer Einsicht. Man sollte ver¬
anders gefaßt sein. Daß de
suchen, Schnitzler hier so zu spielen, wie man ein gewisses
Europa auf Proadway.
spricht für Pincro; daß es
Wiener Kinodrama mit dem Titel „Ringelspiel“ hier pro¬
hier errang, ist Ethel B
Von Ann Tizin Leilich.
duziert hat: In der Vergangenheit, als Historie. Schnitzlers
verdanken. Ethel Barrymo
Die ersten Stadien der Saison haben nichts Ueber¬
Menschen sind heute Historie, seine Atmosphäre ein Destillat
aber der Ruhm ist nicht n
wältigendes über Broadways Bretter geführt. In der Ferne
von pre-war Vienna (Vorkriegs=Wien). Diese Kultur ist
ihr eigener. Sie ist mit ihr
verdämmert der Glanz und der Publizitätslärm, der um
versunken und heute nur mehr Humus, aus dem neues
den rein geschnittenen Lie
Reinhardts „Miracle“ gewesen und Morris Gest, sein Adjutant,
Leben sprießen wird. Seine „Komödie der Verführung“
immer am Sprung sitzende
hat offenbar noch nicht frischen Atem geschöpft für irgendeine
zum Beispiel hier bloß aufzuführen, wie sie geht und
eine vollendete Damenhaftig
neue, ähnlich wirkungsvolle Geschichte. Trotz Castiglione¬
steht, würde Durchfall bedeuten, weil man diese Menschen
Dinge hintrillernden Hum
Eruptionen scheint Reinhardt diesen Winter der anderen
hier nicht verstehen würde und daher für sie gar
Gefühle die Repräsentanti
Hemisphäre erhalten zu bleiben. Pawlowa und ihr russisches
kein Interesse aufbringen könnte. Broadway ist eine
tums und in ihrer Künst
Ballett auf xter Abschiedstournee ist nicht mehr aufregend. Die
Macht und man muß mit ihr rechnen; aber sie läßt
kanischer Darstellungskunse
Metropolitanoper, die heute in Anbetracht der internationalen
sich ködern. Hier ein wenig unterstreichen, dort ein
dankbar, Ethel Barrymore
Erstklassiakeit ihrer Kräfte — Sänger, Dirigenten und
wenig unterschlagen und den Menschen mit den Ge¬
hatte, in einer Rolle zu se
fzenische Künstler — als die erste der Welt bezeichnet werden
sichtern und den Gefühlen ihrer Zeit und ihrer Epoche
herrlichen Stimme Spielra#
kann, hat sich zur Präsentierung von etwas neuem bis jetzt
und ihrer Stadt hinausstellen! Damit erweckt man das
sie dem guten Thankeray
noch nicht herbeigelassen. Wir haben damit zu warten, wann
ewig=wache Interesse des Amerikaners für etwas anderes,
zu scharf, zu dominierend.
Jeritza als Janaceks Jenufa erscheinen wird. Zu den vierund¬
für etwas noch nicht Gewußtes, für etwas neue Gebiete Er¬
amerikanischerseits meine
sechzig Theatern Newyorks hat man mit dem neuen Martin
schließendes, ohne damit aus dem Rahmen des Dramas zu
eben die Frauen in unseren
Bech ein fünfundsechzigstes gereiht, das von einem Architekten
fallen. Man muß das Publikum — und das amerihanische
Und der Erfolg gibt ihnen
aus Kalifornien erbaut wurde, der dem dort üblichen spanischen
Publikum vor allem — behandeln wie eine Schulklasse
Missionsstil einen Schuß Newyorker Atmosphäre beimischte,
voller Kinder, die dem Lernen gleichgültig=ablehnend, aber
so daß ein Ding entstand, das aussieht wie eine Kreuzung
dem Leben voller Neugierde gegenüberstehen; es handelt
Abendbummg
von einem Mönchskloster und einer Markthalle. Da hinein
sich dann bloß darum, die Voltmenge der Neugierde in
in den — es muß zugestanden werden — heiter, glücklich und
solche der Wißbegierde umzuwandeln und alle Spannung,
Von Franz Er
akustisch vorzüglich gebauten Raum setzte man am Firnistag
die jener gegolten, auf diese umzuschalten. Es würde aller¬
„Avendblad, Avendbla
Leo Falls „Madame Pompadour“. Leider nicht mit der ver¬
dings ein Magier der Adaptierkunst nötig sein, um die
garetten!“ gellt es dem An
sprochenen Massary, sondern mit einem der üblichen bild¬
Gestalt einer Aurelie für Amerika gebrauchsfähig zu machen.
zitternden, verwischten rötli
hübschen, jungen, grazilen American Girls, die ihre Rolle
Eine Schauspielerin würde eher dafür gefunden werden
er von den Straßenjungen
können als ein Schauspieler, der eine solche echte Wiener
korrekt erledigte. Die Operette selbst wurde fast erstickt in der
über der Stadt, in dichtem
Zierpflanze wie Max v. Reisenberg stilgerecht darstellen
Parade von Kostümen, deren kunstgerechte Herrlichkeit einem
Häuser, um die entlaubte
könnte. Vor allem müßte man aber den Titel ändern.
die Augen blendete. Dies, Hand in Hand mit der Virtuosität
Lampen sind wie südliche,
Allabendlich demonstrieren in den Revuen Newyorks¬
des Tanzes — beides unerreicht auf dem europäischen
wie flüssige, silberne Tul
hervorragend schön gebaute Mädchen mehr oder weniger,
Kontinent — machte Leo Fall und der berühmten Dame
schweren dunklen Falten der
meistens mehr, entblößte Glicdmaßen; in den Ziegseld
galante den Garaus; was übrig blieb, war eine prachtvolle
nasse Straßen, Häuser steig
Follies gibt es eine junge und tatsächlich entzückend schöne
Revue mit hübschen Musikeinlagen.
Flut von Licht schlägt in di
Dame, die langsam, sehr langsam, eine breit geschwungene
Im allgemeinen zeigt ein Spaziergang durch die
Plötzlich springt eine
Treppe herabsteigt, mit nichts bekleidet als mit ihrem hell¬
Schauspielhäuser, daß man heuer im Sommer fleißig in
lustern eingekränzte Brücke
blonden, geschmackvollerweise nicht dauergewellten Genoveva¬
Europa gegrast und gekauft hat, und die geschickten Zu¬
Haar
also Verführung genug. Aber es klipp und
Da sind schon die Gra
schneider tun Geld in ihre Beutel. Sogar „Alt=Heidelberg“
klar in Broadways magisch=hellem Kohlenlicht in die
die Poesie, seltene Schönheis
hat man, eingepackt in Seidenpapier, herübergebracht und
als „Student - prince“ wird es Anfang Dezember aus den
Welt hinauszuposaunen, daß es so etwas wie Verführung
zuweisen vermag. Diese br
gibt, das geht denn doch nicht.
Händen der geschickten Adaptiererin — wenn mein Ge¬
ältesten Zeit der Stadt,
— Claire Kummer auf die
bächtnis mich nicht trügt
von Masten und Segeln u
Auch Hermann Bahr soll demnächst seine Stimme er¬
Bretter Broadways entlassen werden. Waren die Ungarn
Matte Lichttafeln schwimme
heben, Rudolf Schildkraut wird in einem seiner Stücke, das
schon voriges Jahr stark vertreten, so ist ihre Zahl heuer
manchmal werden sie durch
man hier als „The mongrel“ ankündigt, erscheinen. Die Fran¬
ganz überwiegend, ein Umstand, der verschiedene Gründe
dem breiten Brückenbogen
zosen begnügen sich nicht damit, gallischen Witz und die ewig
hat. Vajda, der jetzt drei Stücke auf Broadway laufen hat,
das Wasser brechen sich an
schillernden Facetten ihrer dreieckigen Probleme zur Würze
scheint die spröde Wissenschaft, wie man sein Publikum
der Schiffe, hängen in der
heimischen Fabrikates zu liefern — „comedy adepted krom
findet und Habtachtsitzen macht, im kleinen Finger zu
ein dumpfer, tiefer Ton im
the French“
— sondern sie kommen in persena über den
haben; erst machte er sich mit einem amerikanischen
Die Trams tragen ih
Ozean, um hier ihre gewichtigere und iraditionelle Kunst
Pfeudonym — Sivney Garrick — drüben eine Reputation
davon, in die Straßen
unfiltriert zu zeigen. Nach Gemier mit dem Ensemble des
und benützte dann diese — ein gewiegter Fregoli — hier
Brücken blühen farbige Bl#
Théätre Nationale de l'Odéon und Mme. Simon ist Maurice
dazu, um unter seinem wirklichen ungarischen Namen
Masten, auf den Spriets, 7
de Féraudy auf dem Programm. Die Woge, die den Italiener
„Vajda“ lustig im Strom der ungarischen Konjunktur zu
zusammengebunden aus dem
Pirandello die letzten zwei Jahre emporgetragen hat, scheint
Glockengeläute fällt
zurzeit verebbi. Er schweigt heuer auf Broadway.
deren Landsmann Molnar, und zwar durch dessen „Liliom“.
Türmen, von Kirchen, Stad
Run, last, not least, die Engländer. Sir James Barries
hervorgerufen worden. Die für die Wiener schon etwas ab¬
Nebel, ein Wind aus der 3
liebliche Phantasie „Peter Pan“ feiert Triumphe. Eine von
gestandenen Reize des Molnarschen Gardeoffiziers blühen
in engen Gassen, winddurchla
jenen professionellen Theatergesellschaften, wie sie in den
neu auf Broadway, und Herrn Kramer wird es freuen, zu
häfen her, windüberstürzte
letzten Jahren sich mehrfach gebildet haben mit dem ein¬
hören, daß er hier in Alfred Lunt einen ganz ausgezeichneten
flatternden Nebeln hebt sich
gestandenen und streng verfolgten Zweck, die gute ameri¬
Substituten gefunden. In Boston wird eben desselben
Matrosen, Schiffsknech
kanische und internationale dramatische Literatur zu pflegen,
Autors „Karneval“ ausgeprobt, und es wird interessant sein,
eines dicken drallen Mädch
führt eben William Congreves (1670 bis 1729) „Way of the
diese Vorstellung mit der hervorragend guten des Wiener
lärmenden Holzklompen to#
World“ auf. Dem brillanten und galanten Komödiendichter
Burgtheaters und die Leistung Elsie Fergusons, einer feinen,
zu dem Nationalgesang,
hatten viktorianische und puritanische Strömungen wenig
eleganten amerikanischen Schauspielerin, mit der elementar¬
winzigen Straatjes übernin
Gelegenheit gegeben, der modernen Welt seine artige Ver¬
weiblichen der Medelsky zu vergleichen. Die Deutschen
auf Kochabfällen, faulem Ol
beugung in parfümierter Loch nperücke, Schnallenschuhen,
schweigen sich hier aus; nach Tollers „Masse Mensch“ das
schönes Stück Brot an der
nach wenigen Tagen verschwunden war, kam Rudolf Lothar
farbig=glühendem Sami und Seiden, rieselnden Jabots usw.
Herrgott, gibt es nicht irgen
mit dem „Werwolf“ der gewagtesten Frivolität, die man
zu machen. Nun drückt man eben ein Auge zu — und macht
dieser unsinnigen Welt?
auf Broadway zu sehen bekommen hat. Die Amerikaner
das zweite desto weiter auf. Denn die Cherry Lane Players
Steinstufen eines Hauses sitzt
kichern und trauen ihren Ohren kaum, daß man ihnen so
haben mit Hilfe eines ausgezeichneten Londoner Kostüm¬
het is de kwestier ...“ abe
etwas erlaubt. Hans Müller war schon mehreremal — nach¬
zeichners zwei Stunden gefüllt mit der Drolerie, dem spiele¬
zwischen mir und dem Jung
dem sein „Schöpfer“ vor fünf Jahren in Chicago unter rischen Witz und der preziösen Menschheit dieser zweihundert
flieht langsam und schüchter
einem anderen Namen aufgeführt worden
— mit der Jahre alten Zeit. Währenddessen spielt man im Cort Theatre] die Gummitöne einer Zieh