Einneues Lusthpiel Artur Schnitzlers
Es nennt sich „Die Schwestern oder Casanova
in Spa“ und der Titel verrät, daß es in nächster
Nachbarschaft jener meisterlichen Novelle entstand,
in der Schnitzler jüngst von „Casanovas Heimkehr“
erzählte. Doch spielt es zwei Jahrzehnte früher.
Noch weiß der venezianische Abenteurer nichts von
Abschiedsschmerz und Alterssorgen, noch steht er —
berühmt, berüchtigt, geliebe, geschmäht, umschwärmt
und gefürchtet — in seiner Sunden Maienbinte, und
in Spa, dem Monte Carlo des achteehnten Jahr¬
hunderts, wird er, da das Spiel anhebt, zum Helden
1 perne. men
eines seltsamen Liebesstreites.
Gasthof, der eine bunte, nur vom Willen zu lust¬
vollem Vergnügen geeinte Gesellschaft beherbergt,
wohnen Wand an Wand zwei ungleiche Paare:
Andrea Bassi, ein reicher junger Mann aus Ferrara,
der die siebzehnjährige Anina entführte, da die Eltern
sich der Heirat widersetzten und der Baron Santis mit
Flamina, die zwar seine angetraute Gatrin, doch
Abenteuern nicht abgeneigt ist, bei denen der Gemahl
je nach Laune und Vorteil bald den racheschnauben¬
den Ehemann, bald auch den gefälligen Vermittler
spielt. In einer Nacht nun, da die Herren am Karten¬
tisch sitzen, dvingt Casanova durch das Fenster zu
Anina, die der Heimkehr Andreas harrt, und sie er¬
liegt seinen Schmeichelworten. Am Morgen beichtet
sie alles dem Geliebten. Doch just als dieser sich
zur blutigen Rache an dem Verführer anschickt, tritt
Casanova selbst harmlos lächelnd ein. Andrea war
im Spiel glücklich, Casanova ist aller Mittel entblößt
und erbittet ein Darlehen, um die dringenden Schul¬
den bezahlen zu können. Im Gespräche aber wird es
Andrea offenbar, daß Casanova von Flaminia er¬
wartet wurde und nur versehentlich zu Anina ge¬
langte. Und auch Flaminia erfährt gleich darauf von
diesem verhängnisvollen Irrtum. Während sie ver¬
gebens wartete, ward einer andern, was ihr zuge¬
dacht war. Empört, haßerfüllt stehen sich die zwei
Frauen gegenüber — in der Mitte der ratlose Andrea.
Der fühlt sich nun nicht mehr betrogen, da Casanova
selbst nicht weiß, daß Anina sein war. Doch diese
merkt daß Andrea sie nur aus verletzter Eitelkeit
verlassen wollte. Sie fühlt sich frei, will Casanova
nacheilen, will seine Liebe nun bewußt erwerben.
Doch auch Flaminia will ihm nach, um ihm zu geben,
was sie ihm bereits gewährte und was er just durch
diesen Zufall nicht erhielt. Jede fühlt sich betrogen.
Der Streit scheint unschlichtbar, Flaminia geht
chon mit der Dolchnadel auf Anina los, als Baron
Santis eintritt. Andrea faßt sich rasch: Es handelt
ich, so gibt er vor, um einen Disput poetischer Natur,
im die Lösung eines literarischen Problems —
arüber seien die Damen so in Hitze geraten. Der
Baron möge entscheiden. Und er trägt ihm den Fall
ein wenig verändert, novellistisch maskiert, vor.
Santis aber kann die Entscheidung nicht treffen und
indet, daß es für diesen Streitfall nur einen be¬
ufenen Richter gebe: Casanova.
Schon scheint es diesem, als sei der Streit ge¬
chlichtet und man könne zur Tafel gehen, die draußen
m Garten üppig gedeckt ist — da wird aus der Dich¬
ung wieder Leben. Andrca zieht den Degen und gleich
grauf auch Santis, der endlich sehend wird. Casanova
tellt sich ihnen. Schon klirren die Waffen — da stürzt
Teresa, die kleine Tänzerin, ein, die Casanova
Penm Wimme Pagintt, Wien
17
14. Oktober 1919.
vor drei Tagen in Brüssel sitzen ließ und die ihm
nachgeeilt ist. Vor dieser Dritten ziehen sich Flaminia
und Andrea geschlagen zurück. Einträchtig sieht man
sie bald darauf durch den Garten wandeln. Und Casa¬
nova besänftigt den immer noch schäumenden A drea
und legt ihm nahe, sich mit Anina auszusöhnen.
Draußen lärmen die Freunde, lachen die Frauen,
Musik erklingt, Pfropfen knallen. Arm in Arm gehen
Casanova und Andrea zu Tisch.
Ein leichtes Spiel, das in Versen vorübergleitet,
die von Geist erfüllt, doch nicht beschwert sind und
aus deren sanftem Leuchten erhellender Lichtschein in
tiefste Seelenschächte fällt. Mit unvergleichlicher
Meisterschaft ist eine verwirrende Fülle absonderlichen
Geschehens in drei knappe, pausenlos ineinander
greifende Akte gebracht, aus wenigen Worten stezen
Schicksale und Menschen auf Ueber dem Ganzen lachte
eine milde Weisheit eines Dichters.
Eknst Goth.
—
———
Theater und Kunst.
Artur Schnitzlers neues Lustspiel.
„Die Schwe##### oder Suf#nova in Spa.“
Nach dem alten Satze der Bühnenpraxis, daß sich jeder
Stoff trägisch oder komisch behandeln lasse, hat Artur Schnitzler
in seinen jüngsten Bühnenwerk, das soeben im Oktoberheft der
„Deutshen Rundschau“ veröffentlicht wird, die oben behandelten
Konflite, die um die Gestalt Casanovas spielen, wieder hervor¬
gezogen. In der meisterlichen Novelle ist der Abenteurer gealtert,
am Ende seiner berühmten, berüchtigten Lausbahn und noch ein¬
mat erringt er Liebesglück, aber nur mehr durch eine infame
Wist.
Er steigt nachts durch das Fenster zu einem Mädchen, das
e peg Geliebten erwartet und in der Dunkelheit nicht merkt, wer
sie umfängt. Da sie gewahr wird, daß sie das Opfer zweifachen
Betruges ist — denn der Geliebte hat sie verschachert und den
Irrtum möglich gemacht — überfällt sie das Grauen des
Exlittenen, aber vor allem der Ekel vor dem alten Manne, dem
sie sich unfreiwillig hingegeben.
Im Lustspiel ist Casanova noch jung, um zwei Jahrzehnte
jünger als in der tragischen Novelle. Man ist in Spa, dem
Zentrum aller Vergnügungen der damaligen Zeit. In einem
Gasthofe wohnen Tür an Tür und Fenster an Fenster zwei
Paare, Andrea Batti, ein wohlhabender junger Mann mit seiner
keuschen Geliebten Anina, die er aus gutem Hause entführt hat,
#a die Eltern der Ehe nicht zustimmen wollten. Und daneben ein
angeblicher Baron Santis mit seiner angetrauten Frau Flaminia,
die ihre eigenen Liebeswege geht, wobei der Galte bald der eifer¬
süchtige Rächer und bald der gefällige Miettler ist. Verabschiedete
holländische Offiziere, englische Lords, Witwen aus Amsterdam —
es ist die Welt, die Casanova beherrscht, aussucht und die ihn ob¬
seiner Vergangenheit, ob seiner Sünden und seines persönlichen
Liebreizes umschmeichelt. Man liebt, man spielt.
Im ersten der drei Akte, die „in einem“, also ohne Pansen
abrollen, läßt Anina dem Casonova ein heimliches Brieschen zu¬
tragen. Flaminia sucht sie in nachbarlicher Ungeniertheit auf. Sie¬
kommt, um zu plaudern, noch mehr, um ihrem Haß gegen#
Casanova freien Lauf zu lassen. Ja, sie haßt ihn, sie verachtet,
sie durchschaut ihn, den Aufschneider, den Betrüger. Und dann
erscheint Andrea Bassi. Er sah, wie der Bursche vom Gasthof
„so jung er ist, von allen Lastern bleich“, sich zu Casanova schlich
und die Ahnung durchzuckt ihn, daß er eine Botschaft Aninas
überbrachte. Aber er irrt, wenn er an eine harmlose Leicht¬
fertigkeit glaubte. Die Geliebte enthüllt ihm die Wahrheit. Sie
hat Casanova, indes der Freund in der letzten Nacht am Spiel-
tisch war, angehört. Sie hatte einen Männerschritt auf dem Kies
vernommen, war, ihrer Nacktheit nicht achtend, aus Fenster ge¬
eilt, weil sie Andrea endlich nahen glaubte. Aber es war
Casanova, der sich über die Brüstung schwang. „Halb Rausch,
halb Ueberfall“.
und doch fühlt Anina jetzt keine Reue, keinen
Ekel, keine Schuld. Die aufspritzende Wut Andreas entzweit die
beiden vollends.
.Daß aus dieser finstern Stunde nie
Gemeinsam uns ein Weg ins Helle führt,
Das, glaub' mir, fühl' ich tiefer noch als du.“
Anina will von dem Geliebten fort
„Du bist ein
fremder Mann für mich wie er“
Aber es ist ein Lustspiel. Indes die beiden streiten, wird
Casanova gemeldet. Anina geht ins Zimmer Flaminias. Andrea
empfängt ihn. Casanova braucht wieder einmal Geld. Andrea hats
in der letzten Nacht Glück im Spiel gehabt. Casanova bittet, ihmn#
verlassen und habe nichts. Andrea ist bereit, ihm
mit Gold gefüllten Beutel auf Wechsel
die schweren,
Eist
anzuvertrauen, aber nur unter einer Bedingung.
muß er erfahren, warum Casanova so plötzliche Eile hat. Da
gesteht dieser. Er habe einen Brief erhalten, in dem eine un¬
bekannte Schreiberin von ihm „als Dank“ verlangt, daß
fliehe. „Als Dank“ — zweifellos kommt der Brief von Flaminia,
der aber dieser Dank, nach dem, was nachts vorgefallen,
gebührt. Casanova erzählt sein jüngstes Abenteuer. Und da
erkennt Andrea den fürchterlichen, den grotesken Irrtum
Casanova hatte sich im Fenster versehen. Er glaubte mit gutem
Recht, daß ihn die Baronin Santis erwarte. Da gibt ihm
Andrea, froh der Aufklärung, sein ganzes Gold, denn er fühlt
sich nicht betrogen. Anina ist rein. Aber das Mädchen, das
nun, da Casanova sort ist, eintritt, ist nicht so leicht zufrieden.
„Nimmt er nicht die Erinn'rung jener Stunde,
Den Duft von meinem Leib, von meinen Küssen
Den Nachgeschmack, der Seufzer Wonnehauch
Für ewig mit —:
Es nennt sich „Die Schwestern oder Casanova
in Spa“ und der Titel verrät, daß es in nächster
Nachbarschaft jener meisterlichen Novelle entstand,
in der Schnitzler jüngst von „Casanovas Heimkehr“
erzählte. Doch spielt es zwei Jahrzehnte früher.
Noch weiß der venezianische Abenteurer nichts von
Abschiedsschmerz und Alterssorgen, noch steht er —
berühmt, berüchtigt, geliebe, geschmäht, umschwärmt
und gefürchtet — in seiner Sunden Maienbinte, und
in Spa, dem Monte Carlo des achteehnten Jahr¬
hunderts, wird er, da das Spiel anhebt, zum Helden
1 perne. men
eines seltsamen Liebesstreites.
Gasthof, der eine bunte, nur vom Willen zu lust¬
vollem Vergnügen geeinte Gesellschaft beherbergt,
wohnen Wand an Wand zwei ungleiche Paare:
Andrea Bassi, ein reicher junger Mann aus Ferrara,
der die siebzehnjährige Anina entführte, da die Eltern
sich der Heirat widersetzten und der Baron Santis mit
Flamina, die zwar seine angetraute Gatrin, doch
Abenteuern nicht abgeneigt ist, bei denen der Gemahl
je nach Laune und Vorteil bald den racheschnauben¬
den Ehemann, bald auch den gefälligen Vermittler
spielt. In einer Nacht nun, da die Herren am Karten¬
tisch sitzen, dvingt Casanova durch das Fenster zu
Anina, die der Heimkehr Andreas harrt, und sie er¬
liegt seinen Schmeichelworten. Am Morgen beichtet
sie alles dem Geliebten. Doch just als dieser sich
zur blutigen Rache an dem Verführer anschickt, tritt
Casanova selbst harmlos lächelnd ein. Andrea war
im Spiel glücklich, Casanova ist aller Mittel entblößt
und erbittet ein Darlehen, um die dringenden Schul¬
den bezahlen zu können. Im Gespräche aber wird es
Andrea offenbar, daß Casanova von Flaminia er¬
wartet wurde und nur versehentlich zu Anina ge¬
langte. Und auch Flaminia erfährt gleich darauf von
diesem verhängnisvollen Irrtum. Während sie ver¬
gebens wartete, ward einer andern, was ihr zuge¬
dacht war. Empört, haßerfüllt stehen sich die zwei
Frauen gegenüber — in der Mitte der ratlose Andrea.
Der fühlt sich nun nicht mehr betrogen, da Casanova
selbst nicht weiß, daß Anina sein war. Doch diese
merkt daß Andrea sie nur aus verletzter Eitelkeit
verlassen wollte. Sie fühlt sich frei, will Casanova
nacheilen, will seine Liebe nun bewußt erwerben.
Doch auch Flaminia will ihm nach, um ihm zu geben,
was sie ihm bereits gewährte und was er just durch
diesen Zufall nicht erhielt. Jede fühlt sich betrogen.
Der Streit scheint unschlichtbar, Flaminia geht
chon mit der Dolchnadel auf Anina los, als Baron
Santis eintritt. Andrea faßt sich rasch: Es handelt
ich, so gibt er vor, um einen Disput poetischer Natur,
im die Lösung eines literarischen Problems —
arüber seien die Damen so in Hitze geraten. Der
Baron möge entscheiden. Und er trägt ihm den Fall
ein wenig verändert, novellistisch maskiert, vor.
Santis aber kann die Entscheidung nicht treffen und
indet, daß es für diesen Streitfall nur einen be¬
ufenen Richter gebe: Casanova.
Schon scheint es diesem, als sei der Streit ge¬
chlichtet und man könne zur Tafel gehen, die draußen
m Garten üppig gedeckt ist — da wird aus der Dich¬
ung wieder Leben. Andrca zieht den Degen und gleich
grauf auch Santis, der endlich sehend wird. Casanova
tellt sich ihnen. Schon klirren die Waffen — da stürzt
Teresa, die kleine Tänzerin, ein, die Casanova
Penm Wimme Pagintt, Wien
17
14. Oktober 1919.
vor drei Tagen in Brüssel sitzen ließ und die ihm
nachgeeilt ist. Vor dieser Dritten ziehen sich Flaminia
und Andrea geschlagen zurück. Einträchtig sieht man
sie bald darauf durch den Garten wandeln. Und Casa¬
nova besänftigt den immer noch schäumenden A drea
und legt ihm nahe, sich mit Anina auszusöhnen.
Draußen lärmen die Freunde, lachen die Frauen,
Musik erklingt, Pfropfen knallen. Arm in Arm gehen
Casanova und Andrea zu Tisch.
Ein leichtes Spiel, das in Versen vorübergleitet,
die von Geist erfüllt, doch nicht beschwert sind und
aus deren sanftem Leuchten erhellender Lichtschein in
tiefste Seelenschächte fällt. Mit unvergleichlicher
Meisterschaft ist eine verwirrende Fülle absonderlichen
Geschehens in drei knappe, pausenlos ineinander
greifende Akte gebracht, aus wenigen Worten stezen
Schicksale und Menschen auf Ueber dem Ganzen lachte
eine milde Weisheit eines Dichters.
Eknst Goth.
—
———
Theater und Kunst.
Artur Schnitzlers neues Lustspiel.
„Die Schwe##### oder Suf#nova in Spa.“
Nach dem alten Satze der Bühnenpraxis, daß sich jeder
Stoff trägisch oder komisch behandeln lasse, hat Artur Schnitzler
in seinen jüngsten Bühnenwerk, das soeben im Oktoberheft der
„Deutshen Rundschau“ veröffentlicht wird, die oben behandelten
Konflite, die um die Gestalt Casanovas spielen, wieder hervor¬
gezogen. In der meisterlichen Novelle ist der Abenteurer gealtert,
am Ende seiner berühmten, berüchtigten Lausbahn und noch ein¬
mat erringt er Liebesglück, aber nur mehr durch eine infame
Wist.
Er steigt nachts durch das Fenster zu einem Mädchen, das
e peg Geliebten erwartet und in der Dunkelheit nicht merkt, wer
sie umfängt. Da sie gewahr wird, daß sie das Opfer zweifachen
Betruges ist — denn der Geliebte hat sie verschachert und den
Irrtum möglich gemacht — überfällt sie das Grauen des
Exlittenen, aber vor allem der Ekel vor dem alten Manne, dem
sie sich unfreiwillig hingegeben.
Im Lustspiel ist Casanova noch jung, um zwei Jahrzehnte
jünger als in der tragischen Novelle. Man ist in Spa, dem
Zentrum aller Vergnügungen der damaligen Zeit. In einem
Gasthofe wohnen Tür an Tür und Fenster an Fenster zwei
Paare, Andrea Batti, ein wohlhabender junger Mann mit seiner
keuschen Geliebten Anina, die er aus gutem Hause entführt hat,
#a die Eltern der Ehe nicht zustimmen wollten. Und daneben ein
angeblicher Baron Santis mit seiner angetrauten Frau Flaminia,
die ihre eigenen Liebeswege geht, wobei der Galte bald der eifer¬
süchtige Rächer und bald der gefällige Miettler ist. Verabschiedete
holländische Offiziere, englische Lords, Witwen aus Amsterdam —
es ist die Welt, die Casanova beherrscht, aussucht und die ihn ob¬
seiner Vergangenheit, ob seiner Sünden und seines persönlichen
Liebreizes umschmeichelt. Man liebt, man spielt.
Im ersten der drei Akte, die „in einem“, also ohne Pansen
abrollen, läßt Anina dem Casonova ein heimliches Brieschen zu¬
tragen. Flaminia sucht sie in nachbarlicher Ungeniertheit auf. Sie¬
kommt, um zu plaudern, noch mehr, um ihrem Haß gegen#
Casanova freien Lauf zu lassen. Ja, sie haßt ihn, sie verachtet,
sie durchschaut ihn, den Aufschneider, den Betrüger. Und dann
erscheint Andrea Bassi. Er sah, wie der Bursche vom Gasthof
„so jung er ist, von allen Lastern bleich“, sich zu Casanova schlich
und die Ahnung durchzuckt ihn, daß er eine Botschaft Aninas
überbrachte. Aber er irrt, wenn er an eine harmlose Leicht¬
fertigkeit glaubte. Die Geliebte enthüllt ihm die Wahrheit. Sie
hat Casanova, indes der Freund in der letzten Nacht am Spiel-
tisch war, angehört. Sie hatte einen Männerschritt auf dem Kies
vernommen, war, ihrer Nacktheit nicht achtend, aus Fenster ge¬
eilt, weil sie Andrea endlich nahen glaubte. Aber es war
Casanova, der sich über die Brüstung schwang. „Halb Rausch,
halb Ueberfall“.
und doch fühlt Anina jetzt keine Reue, keinen
Ekel, keine Schuld. Die aufspritzende Wut Andreas entzweit die
beiden vollends.
.Daß aus dieser finstern Stunde nie
Gemeinsam uns ein Weg ins Helle führt,
Das, glaub' mir, fühl' ich tiefer noch als du.“
Anina will von dem Geliebten fort
„Du bist ein
fremder Mann für mich wie er“
Aber es ist ein Lustspiel. Indes die beiden streiten, wird
Casanova gemeldet. Anina geht ins Zimmer Flaminias. Andrea
empfängt ihn. Casanova braucht wieder einmal Geld. Andrea hats
in der letzten Nacht Glück im Spiel gehabt. Casanova bittet, ihmn#
verlassen und habe nichts. Andrea ist bereit, ihm
mit Gold gefüllten Beutel auf Wechsel
die schweren,
Eist
anzuvertrauen, aber nur unter einer Bedingung.
muß er erfahren, warum Casanova so plötzliche Eile hat. Da
gesteht dieser. Er habe einen Brief erhalten, in dem eine un¬
bekannte Schreiberin von ihm „als Dank“ verlangt, daß
fliehe. „Als Dank“ — zweifellos kommt der Brief von Flaminia,
der aber dieser Dank, nach dem, was nachts vorgefallen,
gebührt. Casanova erzählt sein jüngstes Abenteuer. Und da
erkennt Andrea den fürchterlichen, den grotesken Irrtum
Casanova hatte sich im Fenster versehen. Er glaubte mit gutem
Recht, daß ihn die Baronin Santis erwarte. Da gibt ihm
Andrea, froh der Aufklärung, sein ganzes Gold, denn er fühlt
sich nicht betrogen. Anina ist rein. Aber das Mädchen, das
nun, da Casanova sort ist, eintritt, ist nicht so leicht zufrieden.
„Nimmt er nicht die Erinn'rung jener Stunde,
Den Duft von meinem Leib, von meinen Küssen
Den Nachgeschmack, der Seufzer Wonnehauch
Für ewig mit —: