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28. Die Schuestern oder Casanova in Sna
milie: beide entzückend und aufreizend jung. stern“ Flaminia und Anina in dem einen
Theater und Kunst.
Punkte: Weib zu sein. Wenn sich die Männer
Das zweite Paar: er ein angeblicher Baron
so gut verstünden wie die Frauen, wär's
Santi, Flamina eine ebenso anständige Frau;
Burgtheater.
leicht zu leben, sagt Casanova, da er die drei
eines von des andern Fischzügen lebend,
eng beisammen sieht. Soll man das als Er¬
von Spiel, Liebe und ähnlichen Geschäften,
Arthur Schnitzler: „Die Schwestern“ oder
trag des Abends mit nach Hause nehmen?
zwischendurch eifersüchtige Eheleute, wenn's
„Casanova in Spa“.
Kaum, daß vielleicht ein anderer Casa¬
ihnen paßt. Und dazu Casanova, „ein ehr¬
In Schnitzlers Novelle „Casanovas
nova im letzten Akt stärker fesseln könnte als¬
licher Gauner“, ein Ehrenmann, dem man
Heimfahrt“ geschieht es, daß die junge Mar¬
nicht vertrauen darf, blendend, weltgewandt,
Herr Treßler, der den Abenteurer, den
colina im Dunkel der Nacht Casanova um¬
überlegenen, gewitzten, unbedingt über¬
jeder Situation gewachsen. Einen und einen
fängt, des Glaubens, ihren Geliebten in den
halben Akt lang ist das die amüsanteste Ge¬
redenden „Kavalier“ spielt, aber doch nicht
Armen zu halten. Morgens erkennt sie den
der blendende, hinreißende Casanova ist,
sellschaft, der man seit langem begegnet,
Betrug mit Scham und Entsetzen. Denn
dann — fängt das Lustspiel an aufzuhören.
zauberkräftig wie sein Name; ein distin¬
dieser Casanova war ein Mann mit einem
Das soundsovielte Abenteuer des Vene¬
guierter Hochstapler, der „aus dem Stegreif
gelben Gesicht voll tiefgegrabener Falten,
tianers hätte den Titel „Flaminia“ tragen
lebt“, aber nicht der Erotiker, der aus dem
schmalen Lippen, stechenden Augen, war ein
Stegreif liebt. Nebenbei stimmte es auch mit
alter Mann.
Hotelzimmerfenster, durch die man vom
den vorgeschriebenen zweiunddreißig Jahren
Zweiunddreißig ist Casanova in Spa.
Garten her einsteigen kann: und das Ka¬
nicht ganz. Die Flaminia der Frau Retty
Auf der Höhe seines „Ruhmes“, daß ihm
pitel heißt „Anina“. Wer ist nun be¬
zuerst von einer bezaubernden spielerischen
keine Frau widerstehen könne, von den
trogen: die Frau, deren Beseligung einer
Ueberlegenheit der älteren Schwester, vir¬
Gatten gefürchtet, schön und frech. Wenn
andern zugedacht war, die aber nun einmal
tuos in den Registern, dann des in seiner
nun dem Casanova eine Novelle passiert,
beseligt ward; oder die andere, die ein Casa¬
Eitelkeit gekränkten, eifersüchtigen, unbe¬
in der es sich um ein Quiproquo zur Schla¬
nova besessen zu haben glaubt, der jeboch
herrschten Weibes. Ihr anmutiges Wider¬
fenszeit handelt, muß das Abenteuer natür¬
— wenn man so sagen
solche Ehre bloß
spiel Fräulein Aknay als Anina, am Er¬
licherweise einen wesentlich anderen Aus¬
darf — platonisch zuteil geworden? Sind es
lebnis sich zusehends wandelnd, vom Mäd¬
gang nehmen als Casanovas letzte Begeg¬
die Männer der beiden? Das ist ein Pro¬
chen zur Frau reifend in einem Lächeln,
nung mit der Liebe. Dieser Ausgang: das
blem, gewiß; ein geistvoller Einfall auch, dessen Werden entzückend mitanzusehen. Von
ist der Inhalt der „drei Akte in Einem“ wie
Casanova selber darüber entscheiden zu den Frauen die dritte Frau Marberg,
Schnitzler sein Lustspiel technisch bezeichnet.
lassen; ausgezeichnet, daß Casanova sich
zu mehr als einem farbenfrischen äußeren
Man darf ruhig sagen: ein Einakter in
selbst als den am meisten, als zwiefach Be¬
Eindruck nicht zugelassen. Herrn Schotts
dreien. Und da wird schon die wesentliche
trogenen erkennt. Aber das hätte auch die
feurige, schlanke Jugendlichkeit, oft flinker als
Schwäche des Stückes sichtbar: ein Stoff, für
Pointe, den Schluß des Lustspiels bilden
die Verse; Ferara liegt doch nicht ganz so
einen Einakter zu übermäßig, für drei Akte
müssen. Statt dessen endet das Spiel endlos
südlich, und so etwas wie ein poetisches Ge¬
zu schmächtig. Um ganze eineinhalb Akte.
in Reden, in schönen, feinen, echt Schnitzler¬
müt soll der Andrea immerhin auch sein.
Verlockend war sie ja sicherlich, die Lust= schen Worten, die sich mit vielem Genuß
Dem Santi gab Herr Danegger eine
spielwelt in dem vornehmen Gasthof zu
lesen, doch im Theater — es ist ein hartes
Freude an seiner frivolen Lebenskunst, die
Spa, der mit allem Komfort für die raffi¬
Wort, leider das rechte — langweilen. Daß
der Figur gar nicht übel steht. In den
niertesten Ansprüche ausgestattet ist. Da gibt
gegen Ende noch eine dritte Frau erscheint,
wenigen Worten eines alten Haudegens
es ein Paar, bräutlich in die Welt geflohen,
die berühmte Tänzerin Teresa, das wird
spiegelte Herr Heine einen Casanova von
mitten heraus aus der Wohlanständigkeit,
mehr als Verlegenheit des abendfüllenden
sechzig Jahren, der junge Thimig einen
mitten hinein in die Dreiviertelwelt; Andrea
Dichters denn als Gelegenheit empfunden,
noch knabenhaften aus dem Kellnerstand.
Bassi, ein wohlhabender, weltfremder,
noch einen Typus zu zeigen, die verwöhnte
Schade, daß die so köstliche Novelle ein
schwärmerischer Jüngling, Anina, romantisch Künstlerin, allen gehörend und doch nur
Lustspiel werden mußte, das keines ge¬
entführtes Bürgermädchen aus armer Fa= einem, Schwester den ungleichen „Schwe= worden ist!
Fred Hellex
L
Mateg, Wient un uhr
—
10A
28. Die Schuestern oder Casanova in Sna
milie: beide entzückend und aufreizend jung. stern“ Flaminia und Anina in dem einen
Theater und Kunst.
Punkte: Weib zu sein. Wenn sich die Männer
Das zweite Paar: er ein angeblicher Baron
so gut verstünden wie die Frauen, wär's
Santi, Flamina eine ebenso anständige Frau;
Burgtheater.
leicht zu leben, sagt Casanova, da er die drei
eines von des andern Fischzügen lebend,
eng beisammen sieht. Soll man das als Er¬
von Spiel, Liebe und ähnlichen Geschäften,
Arthur Schnitzler: „Die Schwestern“ oder
trag des Abends mit nach Hause nehmen?
zwischendurch eifersüchtige Eheleute, wenn's
„Casanova in Spa“.
Kaum, daß vielleicht ein anderer Casa¬
ihnen paßt. Und dazu Casanova, „ein ehr¬
In Schnitzlers Novelle „Casanovas
nova im letzten Akt stärker fesseln könnte als¬
licher Gauner“, ein Ehrenmann, dem man
Heimfahrt“ geschieht es, daß die junge Mar¬
nicht vertrauen darf, blendend, weltgewandt,
Herr Treßler, der den Abenteurer, den
colina im Dunkel der Nacht Casanova um¬
überlegenen, gewitzten, unbedingt über¬
jeder Situation gewachsen. Einen und einen
fängt, des Glaubens, ihren Geliebten in den
halben Akt lang ist das die amüsanteste Ge¬
redenden „Kavalier“ spielt, aber doch nicht
Armen zu halten. Morgens erkennt sie den
der blendende, hinreißende Casanova ist,
sellschaft, der man seit langem begegnet,
Betrug mit Scham und Entsetzen. Denn
dann — fängt das Lustspiel an aufzuhören.
zauberkräftig wie sein Name; ein distin¬
dieser Casanova war ein Mann mit einem
Das soundsovielte Abenteuer des Vene¬
guierter Hochstapler, der „aus dem Stegreif
gelben Gesicht voll tiefgegrabener Falten,
tianers hätte den Titel „Flaminia“ tragen
lebt“, aber nicht der Erotiker, der aus dem
schmalen Lippen, stechenden Augen, war ein
Stegreif liebt. Nebenbei stimmte es auch mit
alter Mann.
Hotelzimmerfenster, durch die man vom
den vorgeschriebenen zweiunddreißig Jahren
Zweiunddreißig ist Casanova in Spa.
Garten her einsteigen kann: und das Ka¬
nicht ganz. Die Flaminia der Frau Retty
Auf der Höhe seines „Ruhmes“, daß ihm
pitel heißt „Anina“. Wer ist nun be¬
zuerst von einer bezaubernden spielerischen
keine Frau widerstehen könne, von den
trogen: die Frau, deren Beseligung einer
Ueberlegenheit der älteren Schwester, vir¬
Gatten gefürchtet, schön und frech. Wenn
andern zugedacht war, die aber nun einmal
tuos in den Registern, dann des in seiner
nun dem Casanova eine Novelle passiert,
beseligt ward; oder die andere, die ein Casa¬
Eitelkeit gekränkten, eifersüchtigen, unbe¬
in der es sich um ein Quiproquo zur Schla¬
nova besessen zu haben glaubt, der jeboch
herrschten Weibes. Ihr anmutiges Wider¬
fenszeit handelt, muß das Abenteuer natür¬
— wenn man so sagen
solche Ehre bloß
spiel Fräulein Aknay als Anina, am Er¬
licherweise einen wesentlich anderen Aus¬
darf — platonisch zuteil geworden? Sind es
lebnis sich zusehends wandelnd, vom Mäd¬
gang nehmen als Casanovas letzte Begeg¬
die Männer der beiden? Das ist ein Pro¬
chen zur Frau reifend in einem Lächeln,
nung mit der Liebe. Dieser Ausgang: das
blem, gewiß; ein geistvoller Einfall auch, dessen Werden entzückend mitanzusehen. Von
ist der Inhalt der „drei Akte in Einem“ wie
Casanova selber darüber entscheiden zu den Frauen die dritte Frau Marberg,
Schnitzler sein Lustspiel technisch bezeichnet.
lassen; ausgezeichnet, daß Casanova sich
zu mehr als einem farbenfrischen äußeren
Man darf ruhig sagen: ein Einakter in
selbst als den am meisten, als zwiefach Be¬
Eindruck nicht zugelassen. Herrn Schotts
dreien. Und da wird schon die wesentliche
trogenen erkennt. Aber das hätte auch die
feurige, schlanke Jugendlichkeit, oft flinker als
Schwäche des Stückes sichtbar: ein Stoff, für
Pointe, den Schluß des Lustspiels bilden
die Verse; Ferara liegt doch nicht ganz so
einen Einakter zu übermäßig, für drei Akte
müssen. Statt dessen endet das Spiel endlos
südlich, und so etwas wie ein poetisches Ge¬
zu schmächtig. Um ganze eineinhalb Akte.
in Reden, in schönen, feinen, echt Schnitzler¬
müt soll der Andrea immerhin auch sein.
Verlockend war sie ja sicherlich, die Lust= schen Worten, die sich mit vielem Genuß
Dem Santi gab Herr Danegger eine
spielwelt in dem vornehmen Gasthof zu
lesen, doch im Theater — es ist ein hartes
Freude an seiner frivolen Lebenskunst, die
Spa, der mit allem Komfort für die raffi¬
Wort, leider das rechte — langweilen. Daß
der Figur gar nicht übel steht. In den
niertesten Ansprüche ausgestattet ist. Da gibt
gegen Ende noch eine dritte Frau erscheint,
wenigen Worten eines alten Haudegens
es ein Paar, bräutlich in die Welt geflohen,
die berühmte Tänzerin Teresa, das wird
spiegelte Herr Heine einen Casanova von
mitten heraus aus der Wohlanständigkeit,
mehr als Verlegenheit des abendfüllenden
sechzig Jahren, der junge Thimig einen
mitten hinein in die Dreiviertelwelt; Andrea
Dichters denn als Gelegenheit empfunden,
noch knabenhaften aus dem Kellnerstand.
Bassi, ein wohlhabender, weltfremder,
noch einen Typus zu zeigen, die verwöhnte
Schade, daß die so köstliche Novelle ein
schwärmerischer Jüngling, Anina, romantisch Künstlerin, allen gehörend und doch nur
Lustspiel werden mußte, das keines ge¬
entführtes Bürgermädchen aus armer Fa= einem, Schwester den ungleichen „Schwe= worden ist!
Fred Hellex
L
Mateg, Wient un uhr
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