II, Theaterstücke 28, Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 53

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28. Die Schvestern-oder Casanova insna

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Burgtheater.
Emschluß vereinigt hat; der reiche Junge aus guter in die Nacht hinaus, in wider Sehnsucht nach dem
Familie hat seinen reizenden Schatz entführt — ins Geiebten, nach Liebe. Ihr Blut glüht, im leichten
„Die Schwestern oder Casanova in Spa“
Ungewisse hinaus. Hoffentlich wird ihm die Möglich¬
Nachtgewand harrt sie am Fenster. Und da kommt es
von Artur=Schnitzler.
keit der Heimkehr, der Verzeihung und der gesetzlichen
heran. Tastend, in vorsichtiger Zärtlichkeit, aber nicht
Wahn und Täuschung erfüllen unser Dasein das
Verbindung mit dem Mädchen gewährt werden.
Bassi ist es, sondern der Fremde hat sie in seine Arme
Leben des Tages ebenso wie die verschwiegenen Sehn¬
Aber im Augenblick hat der Zufall den Entwurzelten
geschlossen. Und ihre aufgeregten Sinne weigern ihm
süchte in der Tiefe der Seele. Wi hangen an Trug¬
in den wilden Kreis getrieben. Da hat ihn der
nicht das Willkommen...
bidern, Wirklichkeit wird unzierst später offenbar oder
Rausch des Spieles überkommen, der blinkenden
Da der räuberische Gast sie verlassen, wird ihr
niemals und nur sie die leichten und dumpfen Sinnes
Goldrollen. Rausch umfängt ihn, den guten bürger¬
klar, was da geschehen! Eines ist da vielleicht noch
durch das Leben, statterst, ohne von Verantwortlichkeit,
lichen Jungen, den der Ueberschwang des Gefühls
möglich. Casanova muß in aller Früh Spa verlassen,
von herzbezwing###er Liebe, von erhabener Pelicht
dem heimatlichen Boden entrissen hat. Da sitzt er
solches darf sie von ihm verlangen, um den sie alle
etas zu wis
###s die Gücklichen, die Genießer
inmitten waghalsiger, von allen bösen Leiden¬
Köstlichkeit, alles Heilige, was sie besessen, dahin¬
des sonni Scheins, der auf den Erdendingen liegt.
schaften durchwühlten Gesellen. Neben ihm die
gegeben. Dann wird diese unselig=selige Stunde aus¬
Wied###t hat schon Schnitzler dies Motiv behandelt.
geliebte Anina (Frau Aknay), die mit scheuen
getilgt sein, und niemals soll der Geliebte erfahren,
mannigfacher Variation klingt es in seinen
Augen umherstarrt. Das Spiel hat ihr es nicht
welcher Raub an ihm begangen worden. In aller
Dramen und Erzählungen an. Und mit Meistertechnik
angetan, sorgend gewahrt sie nur, daß ihr geliebter
Frühe mit einem Boten schickt sie ihre Zeilen an den
hat er es, gleich einer kunstvoll durchemander¬
Bassi (Herr Schott) augenblicklich ihrem glühenden
Fremden. Doch der Zufall mengt sich hinein, von
geschlungenen Fuge, im „Grünen Kakadu“ zu einem
Liebesempfinden entrückt ist. Die anderen sind ihr
dem Brieflein erhält der argwöhnische Bassi Kenntnis,
grandiosen Maskenspiel mit heroisch=tragischem Ab¬
gleichgültig, fremd, und nur mit Neugierde mag sie
und blindwütig stürmt er jetzt auf Anina ein. Der
schluß gesteigert. Wiederum tritt uns dies Leitmotiv
den Venezianer mustern, der sie alle durch sein
vornehme Sinn des Mädchens verschmäht jede Aus¬
in den „Schwestern“ entgegen, einem biten Spiel
unerhört kühnes Spiel, durch seinen schlagfertigen
flucht und Lüge, sie beichtet das Vorgezallene, wagt
mit zierlichen, wenn auch zuwellen krausen Schnörkeln.
Witz in seinem Bann hält, und den die Blicke der
noch seitens des Geliebten ein Begreifen, ein Verzeihen
Frauen umwerben.
Der Dichter hat eine Episode aus Casanovas
dessen zu erhoffen, was ja nur die Sünde einer
Denkwürdigkeiten benützt, denen er vor kurzem auch
einzigen unbewachten Stunde gewesen ist. Sie erfährt
Sie wissen sich alle ihm verfallen, diesem galanten
die äußeren Umrisse für eine in schwüler Stimmung
aber nur die brutale Antwort eines grimmig Ent¬
Sieger, dem einzigen, der glücklich den Bleikammern
gehaltene Erzählung entnommen. Casanova, der
täuschten, der nichts mehr weiß von den Opfern, die
und den lauernden Fangarmen der Republik ent¬
merkwürdige Abenteurer aus Venedig, der fast
sie gebracht, von ihrer rückhaltlosen Hingabe, von
ronnen, der die Furcht nicht kennt und auch nicht alles
mythisch gewordene Sieger über die Frauenherzen,
ihrer weltvergessenen Zärtlichkeit. Sie fühlt sich er¬
Menschengebot von Sitte und Tugend. Die üppige
der waghalfige Spieler, ist in Spaa, dem viel¬
niedrigt, beschimpft, er ist ihr für immerdar verloren.
Schöne freilich, Aninas Nachbarin im Gasthof, ist dem
berufenen Badeorte, aufgetaucht. Dort hält er in einer
Zauberer bereits verfallen. Mit verheißenden Blicken
Nun setzt das Gegenspiel ein. Casanova ist die
heißen Nacht die Bank, inmitten einer fragwürdigen
wirbt sie um ihn. Ihr Gatte, der prahlerische Gauner,
schöne Anina als eine unerwartete Beute in die
eleganten Gesellschaft. Spieler sind's, die mit Geld,
kümmert sie nicht, und schon hat sie Casanova zu¬
Hände gefallen. Nicht sie glaubte er in die Arm,“
mit ihrem Degen schnell bei der Hand sind. An ihrer
zusüftern gewußt, daß sie ihn nachts bei sich erwarte.
geschlossen zu haben, sondern die gute Flaminik,
Seite ihre Frauen, Geliebten, Dirnen. Auch ein
In solch heißer Sehnsucht verläßt Fran Flaminia
die ihn ja schnell bereit zur Schäferstunde entboten.
junges Paar hat sich zu ihnen gesellt, das eigentlich
(Frau Albach=Retty) den Spielsaal, und mit ihr
Von ihr ist offenbar der kurze Brief, den ihr die
nichts mit ihnen zu tun haben sollte. Zwei junge die arme Anina, die sich das erstemal von Bassi ver=FAngst um das vom rachsüchtigen Gatten bedrohte
Menschen, die Liebesglut zu einem verzweifelten nahlässigt fühlt. In dem einsamen Gemach starrt fie Leben des Geliebten eingegeben. Er wird ihr den
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