II, Theaterstücke 28, Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 57

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28. Die Schuestern-oder-Casanova in sna
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gekannt hat, erwacht die Weibsnatur, auf¬
Hier ist der Typus hingestellt, der, von meisten durch die vollendete Vortragskunst und
geschlossen bis in die letzte Tiefe. Nur die zar¬
der großen Neugier des Lebens entflammt,
den anmutigen Humor der Frau Retty, die die
teste und dabei in Meisterschaft erstarkte Dichter¬
ein großes Leben begierig genießt. Der alte
Flaminia gab. Dann traf Herr Treßler den
hand vermag dies Erwachen so zart und so leben¬
Gudar spricht es aus, was diese Menschenart
Stil und die Art des Rokoko, und wenn ihm
dig zu schildern. Der Kuß, den Annina am
im Innersten bewegt. „Nicht Angst, noch Jubel
auch die im tiefsten rätselhafte Faszination des
Morgen nach jener Nacht dem frechen. kleinen
hat mich je durchschauert.“ sagt er. „nicht Haß
Casanova nicht liegt, so brachte er doch die
Tilo gewährt, gleichgültig, als wäre es das Ein¬
noch Zärtlichkeit mein Blut gejagt — nur
starke, liebenswürdige Lebendigkeit der Figur.
fachste, mit solcher Münze zu zahlen, und im
immer dies: was willst du, Feind im Dunkel?
Ueberraschend Frau Aknay als Annina. Vor¬
selben Augenblick auch schon erstaunt, weil solches
Schicksäl, was willst du mir?“ Und hier ist das
trefflich das zierliche, erst nach und nach er¬
möglich war: „Was wird aus mir?“ In den
achtzehnte Jahrhundert, das einzige, das letzte
wachende Porzellaupüppchen, das sie gab.
Schranken und in der Konvention ihrer jungen
jedenfalls von all den anderen, das die große
Reizend Fräulein Marberg in der kurzen Rolle
Liebe zu Andrea hält sie das Abenteuer dieser
Kunst des leichten, freien und geistreichen
der Teresa, in der ihre Komik innere weibliche
Nacht für tragische Schuld. Dann, als sie erfährt,
Lebens besaß, die Kunst, Bravour mit Anmut,
Leere zum Auflachen spaßhaft enthüllt. Breit
daß Casanova eine andere zu besitzen geglaubt
starkes Gefühl mit Heiterkeit zu vereinen,
und gemeinverständlich die Gestalt des Santis,
hat, während er sie umarmte, dann, wie sie er¬
Daseinslust mit Todesverachtung. Es spiegelt
den Herr Danegger spielt. Nur Herr Schott
kennt, daß Casanova nichts von ihr weiß, daß
sich im innersten Weben dieser ganz aus dem
als Andrea Bassi war leider nicht jung und
jene gemeinsame Stunde nichts Gemeinsames
Geist des achtzehnten Jahrhunderts geschöpften,
nicht leicht und nicht Rokoko. Er ist vielleicht
wischen ihr und Casanova bedeutet, ahnt sie,
genial erfundenen Handlung. Es blitzt aus
zu brav für solche Rollen. Mit der kleinen
um wie viel weiter die Natur die Schranken
vielen farbig funkelnden Worten, und sein un¬
Episodenfigur des Gudar stand Herr Heine in
nachahmliches Lächeln schimmert, wenn auf die
der Liebe gezogen, ahnt, wie viel freies Gebiet
der ersten Reihe. Er gibt ihr die Bedeutung,
Beteuerung Theresens: „Ewig bin ich dein!“
vor ihr liegt, und entwandelt dem Schatten der
gibt ihr die persönliche Interessantheit, die sie
Tragik, mindestens dem Schakten dieser Tragik,
der alte Gudar bemerkt: „Lang ist das Leben —
haben muß, und er wirkt wohltuend in seinem
in freundlicheres Licht. Andrea Bassi auch fühlt
kurz die Ewigkeit.“ Und Schnitzlers eigenste
sicheren Stilgefühl wie in der klugen Energie
die engen Begriffe von Besitz, Gemeinsamkeit
Art, sein Grübeln über Liebe und Treue, über
seines Sprechens. Er ist noch einer von denen,
und Treue, die er bis jetzt gehegt hat, in sich
Mann und Frau, seine Lust, geheimen Ver¬
die uns merken lassen, daß Schauspielerei eine
wanken. Dies alles schwindet hin, wie das Ge¬
knüpfungen nachzuspüren, verborgene Zu¬
Kunst und eine Weisheit sein kann.
schehene der letzten Nacht, das er nicht fassen,
sammenhänge zu enträtseln, seine Meisterschaft
Die technische Reife dieses Werkes wird
nicht unter Anklage stellen kann, entgleitet, wie
des Wortes, sein Geschmack, seine subtile Kunst
auf der Bühne besonders deutlich. Dieses Lust¬
dieser Casanova, den man nicht zu halten, nicht
der Szenenführung, dies ist hier vereint, wie
spiel geht durch alle drei Akte in einem einzigen
zur Verantwortung zu ziehen vermag. Casanova
in einem köstlichen Extrakt, ist hier entfaltet
Galopp vorbei. Die Dinge, die sich hier zu¬
geht. Er hat dies Gehen, dieses Weiterwandern
zu süßestem Duft und feinster Farbe. Hochblüte.
tragen, würden im wirklichen Leben beinahe
selbst sehr oft geschildert. Die Schicksale, die er
Ein kleiner Saal würde dies echte Kammer¬
genau in derselben Zeit abrollen können wie
hinter sich zurückläßt, die aufgewühlten, auf¬
spiel dem Verstehen vielleicht näher rücken. Die
auf der Szene. Der Vorhang fällt nur, um an¬
gewachten Menschen hat er nie gezeigt, hat kaum
Aufführung im Burgtheater ließ aber so viel
zudeuten, daß die Handlung jetzt eine neue
nach ihnen umgeblickt. Hier ist seine leuchtende
vom achtzehnten Jahrhundert und von Wendung nimmt. Diese Vereinfachung ist
Wegspur — einmal — leuchtend nachgezogen. Schnitzler merken, alg nur möglich war. Am Meisterichaft.
Felix Salten.
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