II, Theaterstücke 28, Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 77

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SchestedCasnovSpa
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hätte, fordert Schnitzler einen ganzen Abend lang Auf= Abenden abgelöst werden, wie der heutige einer war. Ver¬
merksamkeit. So wird denn die im falschen Hotelzimmer
verbrachte Liebesnacht Casanovas nach allen Richtungen
loren und vertan ist auch alle schauspielerische Mühe, die
hin teils unter zweideutigem Augenzwinkern, teils unter
heute aufgewendet wurde, vor allem die erst unlärgrst so
flogen¬
wichtigtuerischer Nachdenklichkeit immer wieder durchge¬
recht entdeckte und heute schon mißbrauchte Anmut der
eines
qnatscht und unser Ekel davor wird immer größer.
Frau Aknay. Elegante Sicherheit bewährte wieder
ern ein
Schnitzler, der gewiß schon Theaterstücke schrieb, die, wenn
Frl. Marberg und Frau Albach = Retty. Neben
eil wir
auch nicht unserer restlosen Zustimmung, so doch unserer
der vollblütigen Wärme des Herrn Danegger nahm
wollen,
Achtung sicher sind (beispielsweise den „Jungen Medar¬
sich Herr Schott ein wenig steif aus. Die ergöglichsten
ihren
dus"), hat sich in den letzten Jahren schon allerlei sozu¬
Augenblicke des Abendes brachte der junge Thimig als
einigen
sagen dichterische Exzesse geleistet, die genugsam die Rich¬
Kellner. — Die Regie hatte den Einfall, das ohnedies er¬
ersehen
tung andeuteten in der dieser allgemach alternde Dichter
mühend langweilige Stück pausenlos zu durchspielen. So
njäger,
seine Reife zu finden hofft. Eines Stückes freilich, wie es
fanden die Schnitzler-Freunde erst nach dem letzten Vor¬
s ihm
die „Schwestern“ sind, hat man sich doch nur versehen
hangsinken Gelogenheit zu einigem Beifall, der indessen
einge¬
können wenn man die vor einigen Jahren erschienene
seltsam dünn und schüchtern klang und in dem kühl
Liebes¬
schweigenden Hause bald erstarb.
Schnitzlersche Novelle „Frau Beate und ihr Sohn“ kannte,
ohne
in der sich das gleiche wohlgefällige, wortreich schmatzende“
ch auf
Behagen an der gewagten Situation,
an der erotischen
Unbodenklichkeit auslebte.
merkt
Vielleicht wird sich eine
Am
Litevaturschreibung, die in Schnitzler mit dienstbeflissenem
oben
Eifer schon ein „Phänomen“ eine für unser Schrifttum
harm¬
und unsere Kultur bedeutsame Erscheinung sehen wollte
ie auf
und den Problemen seiner Dichtung gar schon bandweise
hin¬
Bas neue Lustspiel von Schnitzier.
Untersuchungen zu widmen anfängt, vielleicht wird sie
k. s. Aus Wien telegraphiert uns Felix Sält##üverden
sich nun doch überlegen, ob der Dichter der „Schwestern“
höchst
solcher Mühe wert sein mag.
Erfolg des neuesten Schnitzlerschen Lustspiels „Die Schwestern“:
den?
Schnitzlers neues Lustspiel „Die Schwestern“, das wir im Burg¬
Gründlich überlegen aber hätte sich's das Burgtheater
offen
theater zum erstenmal auf der Bühne sahen, geht durch alle drei
sollen, diesem hämischen und anrüchigen Zerrbild deutscher
alich,
Akte in einem einzigen stürmischen Galopp vorbei. Die Dinge, die
Poesie Aufnahme zu gewähren. Schon vor zwei Jahren
die
hier geschehen, würden im Leben auch nicht viel mehr Zeit in Anspruch
von der damaligen Burgtheaterleitung abgewiesen, ging
Das
nehmen als auf der Szene. Der Vorhang fällt #ur um anzudeuten,
Herr Schnitzler inzwischen mit den „Schwestern“ auch bei
das
diß die Handlung an eine neue Wendung gelangt ist.
einer anderen Bühne vergeblich hausieren, bis er sie jetzt
and¬
Casanova steht im Mittelpunkt des St#ckes, aber nicht als Objekt
endlich an den Mann und leider auch ans Publikum ge¬
eilen
des Geschehens, als der Held, sonderp# einer anderen höheren Be¬
bracht hat. Nun, das mag sich Herr Direktor Heine schon
Rutung. Er ist die atmende Seele all der entscheidenden Dinge,
auf gesagt sein lassen, daß wir uns die ersehnte Erneuerung
celche die anderen und durch sehle Gegenwart erleben. Er ist das
Wen= und Veredlung des Burgtheaters ein wenig anders vor¬
mnerste Element und ist die Handlung. Nur wenige Stunden ist er
Für stellen und daß alle schönen und teuren Klassikerwieder¬
hier am Ort, und die Menschen öffnen in seiner Nähe unbewußt ihr
etan aufführungen nicht viel nützen können, wenn sie von
wahres Wesen. Er tritk ouf, und alle Begierden rings um ihn her
beginnen stärker zu #lühen, alle Freuden des Daseins leuchten heller
alle Gefahren funkemn lockender. Er hat nur ein kleines galantes
Abenteuer, bei dem eine Verwechslung passiert, die im Dunkeln gar
nicht bemerkt wird. Aber in allen Frauen wird die Schwesternatur
enthüllt, die sie in der Liebe einander verwandt sein läßt.
Er geht und ahnt nicht einmal, daß Schicksale durch seine Daseins¬
kraft geweckt und entschieden hinter ihm zurückbleiben.
Casanovas Gestalt hat von je einen starken Zauber auf Schnitzler
geübt. Der Dichter der schmerzvoll nachdenklichen Liebe fühlt sich
von diesem großen Schmerzlosen mächtig angezogen; und in diesem
Lustspiel gelangt Schnitzlers eigenste Art zu einer vollendeten Einheit
mit der Gestatt, die ihm faszinierend gelungen ist, und damit auch
zu dem feinsten und reifsten Werk seiner Kunst.
Die Aufführung mit Treßler. der als Casanova die Heiterkit
des achtzehnten Jahrhunderts gibt; mit Heine, der den Geist disses
Zeitalters stilvoll aufblühen läßt, mit der Retty und der Mar¬
berg war der Erfolg gegeben, der allerdings bei diesem ganz und
gar verinnerlicheen Stück nach dem ersten Eindruck nicht gleichjaßlich
ist und sein konntt.