Prager Tagblatt Nr. 76
Bahne und Kunnt.
Der neue Güchler.
eperree
a. p. Uraufführung im Burgtheater: „Die
Schwestern oder „Casanpva in Spa. Lustspiel
von Artur Schnitzler.
Erster Akt. Casanova ict sich im Feuster,
steigt Nachts statt in das Zimmer der ihn
erwartenden Flaminia in das der braven
Anina. Das perplexe Mädchen, obzwar in tiefer
Liebe einem Dichter verbunden, unterliegt —
die Seele ist Eines und das Nervensystem ist
ein Anderes! — der à la minute=Verführung.
Andern Tags gesteht sie's dem Dichter, gleich
Nora eine große Geste des Verstehens und Ver¬
zeihens erwartend. Der Dichter aber rast in
Schmähung und Vorwürfen, worauf Anina sagt,
sie sei mit ihm fertig und gehe nun zu Casanova.
Zweiter Akt: Casanova, des Glaubens, er sei
bei Flaminia gewesen und die Rache ihres
Walans, eines bedenkenlosen Glücksritters fürch¬
###end, will fort. Von dem Dichter entlehnt er
d zur Reise. Der Dichter, im Verlauf dieser
Darlehensbesprechung den Irrtum erkennend,
in dem sich der Marquis befindet, will nun gern
seiner Anina verzeihen. Aber sie besteht auf
ihrem Casanova. Auch Fiaminia besteht auf
ihm. Hestiger Konflikt zwischen den beiden
Frauen. Der Dichter will zur Entscheidung der
Frage, wer das höhere Aurecht auf Casanova
habe — die Frau, die er de kacto besessen, oder
die, die er zu besitzen geglaubt — jenen Freund
447 Flaminias, den Hochstapler, zum Schiedsrichter
aufrufen. Der Hochstapler erklärt sich für in¬
Ekompetent, schlägt Casanova als Richter vor.
„Dritter Akt: Casanova entscheidet ider #a
wird ihm in Form einer der Lösung harrenden
MNovelle vorgetragen), daß in der ganzen Sache
4W eigentlich der Liebhaber der Betrogene sei.
Dann fallen, zwischen den handelnden Personen,
die Verschleierungen der Tatsachen, es kommt
zum Degenstreit der Männer gegen Casanova
und zur Schlichtung durch eine plötzlich auf¬
tretende ältere Geliebte des Marquis, die ihn
nach Wien entführt.
Das Stück, in Versen geschrieben, ist durch¬
sekt von dem halb bitteren, halb sentimentalen,
Skeptizismus, der dem Humor wie der Schwer¬
mut Schnitzlerscher Dichtungen ihre in besseren
Kreisen hochgeschätzte Opalfarbe gibt. Es ist
zum Teil frisch und lustig, zum Teil auch ohne
Frage: weise. Die Erkenntnis, daß alle Frauen
Schwestern, alle Männer Brüder in genitalibus,
wird mit Sinn und Witz vorgetragen. Dennoch
ist die Komödie nicht sehr erquicklich. Sie fängt
als Problemstück an und wird ganz mechanisch
zum Lustspiel umgebogen. Nach dem vielver¬
heißenden ersten Akt wandeln sich die Menschen
auf der Bühne plötzlich zu Puppen. Und das
Ineinander von Persönlichkeiten, Schicksalen,
Trieben, löst sich in ein weitläufiges artistisches
Worte=Spiel. Die Meinung der Ausleger, solche
Wandlung ins Leichte, Je=m’en=sichestische be¬
wirke aber Casanovas Erscheinung, ist nicht
stichhältig, denn hiezu wäre es wohl nötig ge¬
wesen, den Casanova als wahrhaft bezaubernde,
das Dicke und Trübe der Menschendinge in
der essentiellen Schärfe seines Lebensgefühls
lockernde und lösende Persönlichkeit zu zeigen.
Er ist aber im Stück nur ein recht belangloser,
wenn auch körperlich wie geistig beweglicher
beau (als solchen stellt ihn auch Herr Treßler
dar), der nicht viel wäre, hieße er nicht Cosa¬
nova. Ueberraschend ist die sonderbare Un¬
delikatesse mancher Szenen. Der Eindruck wird
wach, daß der Antor hier mit Fäusten zuge¬
griffen, weil er der Kraft seiner Finaerspitzen
nicht mehr recht getrant. Zulänglich, nicht
überwältigend gespielt (die Damen Aknay,
Retty, Marberg, die Herren Schott.
Danegger, Thimig jun.), fand das Stück
viel Anklang. Nicht einmal der dritte Akt, der
nicht aufhören kann, seiner selbst nicht fror
sich durch episodische Hinzutat und Verbiegung
des Weges in Zick=Zack immer wieder prolon,
giert, immer noch ein Stückchen Sinn. tiefergä
Sinn, tiefsten Sinn hinzredet, störte Behagen
und Beifallslust der Hörer.
Eine Dresdener Ehrung für Gerhardt von Kügelgen. Zum An¬
denken an den zum 100. Males sich jährenden Tag, da der Dresdener
Professor Gerhardt vos Zügelgen auf dem Rückwege von seinem
Loschwitzer Weinberge beim Waldschlößchen ermordert wurde, fand, wie
uns unsere Dresdener Schräftleitung drahtet, am 27. März
in Dresden eine Feier statt, bei der eine an der Loschwitzer Kirche an¬
gebrachte Gedenktafel aus Untersberger Marmor mit dem Bild¬
nis von Gerhardt von Kügelgen und dem seines Sohnes Wilhelm, des
Verfassers der „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“, enthüllt
wurde.
Eine bayerische Prinzessin als Filmantorin. Die Prinzessin Pilar
von Bayern, die Tochter des als Przt und Musikers bekannten
Prinzen Ludwig Ferdinand von Bayern und der Prinzessin Maria
de la Paz, und Consine des Königs von Spanien, hat, wie uns unser
Münchener Mitarbeiter drahtet, mehrere spanische Dramen
für den Film
bearbeitet. Die AAufnahmen werden diesen
Sommer in Andalusien erfolgen. Die Expedition dorthin wird von
Direkter Polten=Bäckers geleitet. Einige Hauptrollen spielt der
bekannte Münchener Komiker Konrad Dreher.
Schnßler=Uraujjührung-inWien. Im Wiener Burgtheater
sand fhrung von Arthur,=Schnitzlers Verskomöbie „Die
Schwestern“ oder „Casanova ii Spa“ freundlichste Begrüßung
durch die große, treue Gemeinde des Dichters. Ein leichtes graziöses
und glitzerndes Spiel um einen erotischen Irrtum in der Person einer
Dame, die Casanova nächtlich empfing. De Frage, gehört er der ver¬
meintlichen oder der erreichten, wird durch die Antwort der britten
Schwester der früheren, rückkehrenden Geliebten gelöst. Die Moral:
im Erotischen sind alle Frauen tiefernst, der Schwestern Leben wäre
froher, wenn die Männer ebenso Brüder sein könnten. Das Stück hat
leider große technische Schwächen und ist zuweilen auch dichterisch müde.
r
##dls Casanova. in guter Masle, interesserte. Dr. Loester.
Meteor. Am 12. März 7 Uhr 55 Min. abends wurde in großen
Teilen Mitteldeutschlands ein prachtvolles Meteor gesehen, dessen Aicht¬
erscheinung bei dem klaren Sternenhimmel sehr auffällig war. Augen¬
zeugen des selienen Natrereignisses werden gebeten, ihre Beobachtungen
darüber an Aleris Köppen, Hamburg, Violastraße 7 einzusenden. Die
Beschreibung sollte enthalten die genaue Zeit, den Standort des Beob¬
achters, die Himmelsrichtung, in welcher das Meteor erschien und in
welcher es verschwand, die Winkelhöhe über dem Horizont beim Auf¬
leuchten und Erlöschen, den Weg unter den Sternen mit einer Zeichnung,
aus welcher auch zu ersehen ist, wie schräg die Bahn gegen den Horizont
erscheen, den scheinbaren Durchmesser (im Vergleich zum Monddurch¬
messer), die Farbe und gegebenenfalls Farbenwechsel, Aussehen, Dauer
und Bewegung des nachbleibenden Schweifes, Angaben über einen nach¬
folgenden Donner oder Knall. Niemand glaube, daß seine Beobachtung
wertlos sei, weil er nicht alle diese Fragen beantworten kann. Eine
einzige bestimute Angabe, sogar nur die, daß das Meteor gesehen wurde,
ist schon von Wert.
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Bahne und Kunnt.
Der neue Güchler.
eperree
a. p. Uraufführung im Burgtheater: „Die
Schwestern oder „Casanpva in Spa. Lustspiel
von Artur Schnitzler.
Erster Akt. Casanova ict sich im Feuster,
steigt Nachts statt in das Zimmer der ihn
erwartenden Flaminia in das der braven
Anina. Das perplexe Mädchen, obzwar in tiefer
Liebe einem Dichter verbunden, unterliegt —
die Seele ist Eines und das Nervensystem ist
ein Anderes! — der à la minute=Verführung.
Andern Tags gesteht sie's dem Dichter, gleich
Nora eine große Geste des Verstehens und Ver¬
zeihens erwartend. Der Dichter aber rast in
Schmähung und Vorwürfen, worauf Anina sagt,
sie sei mit ihm fertig und gehe nun zu Casanova.
Zweiter Akt: Casanova, des Glaubens, er sei
bei Flaminia gewesen und die Rache ihres
Walans, eines bedenkenlosen Glücksritters fürch¬
###end, will fort. Von dem Dichter entlehnt er
d zur Reise. Der Dichter, im Verlauf dieser
Darlehensbesprechung den Irrtum erkennend,
in dem sich der Marquis befindet, will nun gern
seiner Anina verzeihen. Aber sie besteht auf
ihrem Casanova. Auch Fiaminia besteht auf
ihm. Hestiger Konflikt zwischen den beiden
Frauen. Der Dichter will zur Entscheidung der
Frage, wer das höhere Aurecht auf Casanova
habe — die Frau, die er de kacto besessen, oder
die, die er zu besitzen geglaubt — jenen Freund
447 Flaminias, den Hochstapler, zum Schiedsrichter
aufrufen. Der Hochstapler erklärt sich für in¬
Ekompetent, schlägt Casanova als Richter vor.
„Dritter Akt: Casanova entscheidet ider #a
wird ihm in Form einer der Lösung harrenden
MNovelle vorgetragen), daß in der ganzen Sache
4W eigentlich der Liebhaber der Betrogene sei.
Dann fallen, zwischen den handelnden Personen,
die Verschleierungen der Tatsachen, es kommt
zum Degenstreit der Männer gegen Casanova
und zur Schlichtung durch eine plötzlich auf¬
tretende ältere Geliebte des Marquis, die ihn
nach Wien entführt.
Das Stück, in Versen geschrieben, ist durch¬
sekt von dem halb bitteren, halb sentimentalen,
Skeptizismus, der dem Humor wie der Schwer¬
mut Schnitzlerscher Dichtungen ihre in besseren
Kreisen hochgeschätzte Opalfarbe gibt. Es ist
zum Teil frisch und lustig, zum Teil auch ohne
Frage: weise. Die Erkenntnis, daß alle Frauen
Schwestern, alle Männer Brüder in genitalibus,
wird mit Sinn und Witz vorgetragen. Dennoch
ist die Komödie nicht sehr erquicklich. Sie fängt
als Problemstück an und wird ganz mechanisch
zum Lustspiel umgebogen. Nach dem vielver¬
heißenden ersten Akt wandeln sich die Menschen
auf der Bühne plötzlich zu Puppen. Und das
Ineinander von Persönlichkeiten, Schicksalen,
Trieben, löst sich in ein weitläufiges artistisches
Worte=Spiel. Die Meinung der Ausleger, solche
Wandlung ins Leichte, Je=m’en=sichestische be¬
wirke aber Casanovas Erscheinung, ist nicht
stichhältig, denn hiezu wäre es wohl nötig ge¬
wesen, den Casanova als wahrhaft bezaubernde,
das Dicke und Trübe der Menschendinge in
der essentiellen Schärfe seines Lebensgefühls
lockernde und lösende Persönlichkeit zu zeigen.
Er ist aber im Stück nur ein recht belangloser,
wenn auch körperlich wie geistig beweglicher
beau (als solchen stellt ihn auch Herr Treßler
dar), der nicht viel wäre, hieße er nicht Cosa¬
nova. Ueberraschend ist die sonderbare Un¬
delikatesse mancher Szenen. Der Eindruck wird
wach, daß der Antor hier mit Fäusten zuge¬
griffen, weil er der Kraft seiner Finaerspitzen
nicht mehr recht getrant. Zulänglich, nicht
überwältigend gespielt (die Damen Aknay,
Retty, Marberg, die Herren Schott.
Danegger, Thimig jun.), fand das Stück
viel Anklang. Nicht einmal der dritte Akt, der
nicht aufhören kann, seiner selbst nicht fror
sich durch episodische Hinzutat und Verbiegung
des Weges in Zick=Zack immer wieder prolon,
giert, immer noch ein Stückchen Sinn. tiefergä
Sinn, tiefsten Sinn hinzredet, störte Behagen
und Beifallslust der Hörer.
Eine Dresdener Ehrung für Gerhardt von Kügelgen. Zum An¬
denken an den zum 100. Males sich jährenden Tag, da der Dresdener
Professor Gerhardt vos Zügelgen auf dem Rückwege von seinem
Loschwitzer Weinberge beim Waldschlößchen ermordert wurde, fand, wie
uns unsere Dresdener Schräftleitung drahtet, am 27. März
in Dresden eine Feier statt, bei der eine an der Loschwitzer Kirche an¬
gebrachte Gedenktafel aus Untersberger Marmor mit dem Bild¬
nis von Gerhardt von Kügelgen und dem seines Sohnes Wilhelm, des
Verfassers der „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“, enthüllt
wurde.
Eine bayerische Prinzessin als Filmantorin. Die Prinzessin Pilar
von Bayern, die Tochter des als Przt und Musikers bekannten
Prinzen Ludwig Ferdinand von Bayern und der Prinzessin Maria
de la Paz, und Consine des Königs von Spanien, hat, wie uns unser
Münchener Mitarbeiter drahtet, mehrere spanische Dramen
für den Film
bearbeitet. Die AAufnahmen werden diesen
Sommer in Andalusien erfolgen. Die Expedition dorthin wird von
Direkter Polten=Bäckers geleitet. Einige Hauptrollen spielt der
bekannte Münchener Komiker Konrad Dreher.
Schnßler=Uraujjührung-inWien. Im Wiener Burgtheater
sand fhrung von Arthur,=Schnitzlers Verskomöbie „Die
Schwestern“ oder „Casanova ii Spa“ freundlichste Begrüßung
durch die große, treue Gemeinde des Dichters. Ein leichtes graziöses
und glitzerndes Spiel um einen erotischen Irrtum in der Person einer
Dame, die Casanova nächtlich empfing. De Frage, gehört er der ver¬
meintlichen oder der erreichten, wird durch die Antwort der britten
Schwester der früheren, rückkehrenden Geliebten gelöst. Die Moral:
im Erotischen sind alle Frauen tiefernst, der Schwestern Leben wäre
froher, wenn die Männer ebenso Brüder sein könnten. Das Stück hat
leider große technische Schwächen und ist zuweilen auch dichterisch müde.
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##dls Casanova. in guter Masle, interesserte. Dr. Loester.
Meteor. Am 12. März 7 Uhr 55 Min. abends wurde in großen
Teilen Mitteldeutschlands ein prachtvolles Meteor gesehen, dessen Aicht¬
erscheinung bei dem klaren Sternenhimmel sehr auffällig war. Augen¬
zeugen des selienen Natrereignisses werden gebeten, ihre Beobachtungen
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Beschreibung sollte enthalten die genaue Zeit, den Standort des Beob¬
achters, die Himmelsrichtung, in welcher das Meteor erschien und in
welcher es verschwand, die Winkelhöhe über dem Horizont beim Auf¬
leuchten und Erlöschen, den Weg unter den Sternen mit einer Zeichnung,
aus welcher auch zu ersehen ist, wie schräg die Bahn gegen den Horizont
erscheen, den scheinbaren Durchmesser (im Vergleich zum Monddurch¬
messer), die Farbe und gegebenenfalls Farbenwechsel, Aussehen, Dauer
und Bewegung des nachbleibenden Schweifes, Angaben über einen nach¬
folgenden Donner oder Knall. Niemand glaube, daß seine Beobachtung
wertlos sei, weil er nicht alle diese Fragen beantworten kann. Eine
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