box 3375
28. Die SchesternodeCasanowain Sna
Liusen, Mosatfußboden, Kachelwanne, Silberbeschlägen und
(Elsenbeinhandgriffen auf das herrlichste geziert war. Als er dies
Iuwel voll Stolz einem Freunde zeigte, bemerkte er dabei: „Du
lohst dir denken können, wie sehr ich mich jetzt immer auf
Samstag abend freue!“
—
Theater und Kunst.
Hinter den Kulissen.
4
Artur Se##l####sionen oder die „Schwestern". — Kühne und
„Frau Rat“ und das Kasseehaus.
versöhnliche Aktschlüsse.
Schneidereien. — Ein Witz von Julius Bittner.)
Sowohl im Leben wie in der Kunst muß jeder Konzessionen
machen. Wie oft sagt ein Dichter zuerst energisch „nein“, wenn
man ihm zumutet, sein Stück zu ändern, oder irgend etwas zu
Hchonthaf
und Koppel=Ellfeld.
streichen. Schließlich ändern oder streichen selbst Stürmer und
Dienstag, ¾8 Uhr: „Renaissance", Lustspiel von S##önthan und
Dränger. Anno dazumal — es ist noch nicht gar so lange her
Koppel=Ellfeld.
mußten die kühnsten Neuerer der Zeusur ihre Kouzessionen
Mittwoch, ¾8 Uhr: „Liebe“, Tragödie von Wildgais.
machen. So wurden Stellen gemildert, Tendenzen abgeschwächt
Donnerstag, ¾8 Uhr: „Erde“, Komödic von Kark Schänherr.
die Dichter konnten sich einfach nicht helsen. Auch Artur
Wir erhalten erst heute die Mitteilung, daß Frählein Anne
Starnberg am Sönntags den #e3 Mätz, al# Helpist Ohh¬
Schnitzler befland zuerst darauf, daß seine Komödie Die
Lachenden Ehemann" ibre rtte Vors##am hiesigen Güht¬
Schwestern, oder Casanova in Spa“ ohne Pause hernutergespielt
heater absolviert hat
werde, da nach seiner Ansicht der Zwischenakt in diesem Falle
Arthur Schuiblers neue Kemödie. Alus W#rn wird uns ge¬
Villusionstörend wirke. Und so hieß es dann auf dem Theaterzettel
chrieben: Das heater brachte Arthur Schnktzlers drei¬
ausdrücklich: „Drei Akte in einem“..
chtige Komödie „Die Schwestern“ oder „Casanova in Spo“
zhr Uraufführung. Das Stück führt in die internationale Spieler¬
Aber das Publikum ist doch stärker als der stärkste Dichter.
uhd Abenteurerwelt des achtzehnten Jahrhunderts und entrollt
Man merkte deutlich, daß durch diese geschlossene Form eine Er¬
ei
erotisches Problem. Casanova hat sich bei einem nächtlichen
müdung eintrat. Und so mußte Schnitzler nun tlein beigeben und
BAuch im Fenster geirrt und umarmt an Stelle der Frau, die ihn
ertbartet hat, eine andere, die sich ihm auch ohne Zögern ergibt.
wenigstens einen Zwischenakt konzedieren. Einmal gab ja be¬
Am andern Tag gesteht sie es ihrem jungen Gatten, der sich, als
kanntlich selbst der große Ibsen nach, der den Schluß seiner
er erfährt daß Casanova den Irrtum nicht bemerkt hat, damit ab¬
„Nora“ änderte. Das Publikum ist eben ein unerbittlicher“
finden will. Dagegen begehrt die Frau jetzt erst recht, Casanovas
Tyrann. Oskar Blumenthal schrieb einmal eine etwas kühnere
ordentliche Geliebte zu werden, was sie in Streit mit der anderen
Komödie. Ein Theaterkeiter schlug ihm vor, für seine Bühne einen
bringt, der sie jene Nacht weggenommen hat. Der Streitfall
zwischen beiden wird schließlich Casanova in novellenhafter Ein¬
milderen Schluß zu machen, und die zwei Leute, die sonst schroff
kleidung zur Entscheidung vorgelegt. Den Knoten löst eine dritte
auseinandergingen, sich versöhnen zu lassen. Lächelnd meinte er:
Dame, ein Tänzerin, welche eben erscheint, um Casanova, der lange
„Also gut, nehmen wir den versöhnlichen Schluß für Städte unter
um sie geworb u hat, Gehör zu schenken. — Schnitzler hat sich um
die Gestalt Casanova seit langem bemüht, und die Verschmelzung
100.000 Einwohnern.“
von neuwienerischer Atmosphäre mit der des Rokoko nicht zum
Die Geschichie des letzten großen Wiener Theatererfolges,
Verstenmal versucht. Hrute zeigt sichs, daß dies eine belanglose und
den „Frau Rat“ errungen hat, hat eine ebenso listige wie lehr¬
hinfällige Angelegenheit geworden ist Weder der Zeit des Rokokos
reiche Pointe. Wie ist Dr. Paul Wertheimer, der glückliche Autor#
noch ihren Gestalten hat Schnitzler eigenes Leben einzubauchen
##aewußt. Diese Blutleerheit macht die Abhandlung der erotischen
der „Frau Rat“, zu diesem interessanten Sujet gekommen? Da¬
durch, daß er ein Buch mit sich in der Tasche herumgetragen hat
und damit in das Kaffeehaus gegangen ist. Ein so vielbeschäftigter
Mann, der gleichzeitig Rechtsanwalt, Publizist und Poet ist, hat,
seitdem das Café Grünsteidl und das „Jung=Wien“, dem er an¬
C Dntotte
gehörte, nicht mehr existiert, nur noch selten Zeit für eine Kaffee¬
hausstunde. Eines Abends im vorigen Frühjahr ging er aber am
Guobur
Café Kaiserhof vorüber; da zog er dem Kafseedufte nach und
spazierte hinein. Er setzt sich in eine Ecke und am Tisch gegen¬
über sitzt — Direktor Jarno, der sich hier von seinen dreifachen
Samstag, 3. April 1920.
Bürden als doppelter Direktor, Regisseur und Darsteller zuweilen
ck Angelegenheit zu einer namenlos gleichgültigen Sache, und mit dem
für eine Stunde erholt.
künstlerischen Wert bleibt auch aller menschliche aus. Hier ist nichts
Die beiden gerieten sogleich in ein Gespräch, das von den
über das Leben ausgesagt, kein tieferer Blick in ein Schicksal er¬
üblichen Kaffeehausthemen, Valuta und Schiebertum, wesentlich ab¬
öffnet, kein scellscher Zug gezeigt; und nichts so Undelikates hat
Schnitzler noch auf die Bühne gebracht, als den Streit der zwei
wich. „Nur eines“, erzählte Dr. Wertheimer, ein eifriger Bücher¬
Frauen um den Geliebten: hier wird der lotzte Rest einer Teilnahme,
leser und Kulturliebhaber vor dem Herrn, dem Direktor, der mit
die sich etwa im Zuhörer geregt bat, verscheucht. Die Darstellung
seiner unerschöpflichen Lebens= und Arbeitskraft noch Zeit und
des Buratheaters war lau. Treßler gab dem Casanova einiger¬
Lust zu allem findet — „nur eines hat mich in diesen schweren
maßen hanswursthafte Züge, was die Gestait nicht lebenskräftiger"
machte. Das Publikum, das sich nicht eben unterhalten hatte“
Zeiten des Niederganges Deutschlands, unseres moralischen und
bereitete dem Stück nur eine kühle Aufnahme.
#materiellen Elends getröstet — ein Buch, sehen Sie nur —“
Mar Pelh#.
MRW
und er zog ein braunes Büchlein aus der linken Tasche — „Die Briese
der Fran Rat Goethe“. „Merkwürdig, Doktor“, replizierte der Direktor,
„wollen Sie wissen, welches Buch mich in den letzten Tagen immer be¬
gleitet hat?“ Und er zog aus der rechten Seitentasche gleichfalls ein
brannes Buch hervor — „Die Briefe der Frau Rat Goethe“
„Alle Hochachtung vor einem Direktor, der in seinen wenigen
Mußestunden Goethe liest", meinte Wertheimer. „Mir ist dieses
Werk nämlich Erholung und Quellenstudium zugleich. Seit
Monaten beschäftige ich mich mit einem neuen Stück, das mir
Herzenssache ist. Die Frau Rat Goethe, diese prachtvolle, echte,
— ich werde sie auf die Bühne bringen.“
kernhafte deutsche Frau
„Daran hab' ich auch bei der Lektüre sogleich gedacht“
siel der Direktor ein. „Das ist eine Prachtfigur.“ Wertheimer
wurde in seinem Feuereiser dadurch noch bestärkt, er setzte sich jetzt¬
energischer hin, schrieb das Stück und brachte es Jarno,
der es sofort einstudierte und jetzt nach der erfolgreichen:
„Concordia“=Aufführung im Theater an der Wien im Stadttheater
allabendlich spielen wird. Und die Moral der Geschichte für
28. Die SchesternodeCasanowain Sna
Liusen, Mosatfußboden, Kachelwanne, Silberbeschlägen und
(Elsenbeinhandgriffen auf das herrlichste geziert war. Als er dies
Iuwel voll Stolz einem Freunde zeigte, bemerkte er dabei: „Du
lohst dir denken können, wie sehr ich mich jetzt immer auf
Samstag abend freue!“
—
Theater und Kunst.
Hinter den Kulissen.
4
Artur Se##l####sionen oder die „Schwestern". — Kühne und
„Frau Rat“ und das Kasseehaus.
versöhnliche Aktschlüsse.
Schneidereien. — Ein Witz von Julius Bittner.)
Sowohl im Leben wie in der Kunst muß jeder Konzessionen
machen. Wie oft sagt ein Dichter zuerst energisch „nein“, wenn
man ihm zumutet, sein Stück zu ändern, oder irgend etwas zu
Hchonthaf
und Koppel=Ellfeld.
streichen. Schließlich ändern oder streichen selbst Stürmer und
Dienstag, ¾8 Uhr: „Renaissance", Lustspiel von S##önthan und
Dränger. Anno dazumal — es ist noch nicht gar so lange her
Koppel=Ellfeld.
mußten die kühnsten Neuerer der Zeusur ihre Kouzessionen
Mittwoch, ¾8 Uhr: „Liebe“, Tragödie von Wildgais.
machen. So wurden Stellen gemildert, Tendenzen abgeschwächt
Donnerstag, ¾8 Uhr: „Erde“, Komödic von Kark Schänherr.
die Dichter konnten sich einfach nicht helsen. Auch Artur
Wir erhalten erst heute die Mitteilung, daß Frählein Anne
Starnberg am Sönntags den #e3 Mätz, al# Helpist Ohh¬
Schnitzler befland zuerst darauf, daß seine Komödie Die
Lachenden Ehemann" ibre rtte Vors##am hiesigen Güht¬
Schwestern, oder Casanova in Spa“ ohne Pause hernutergespielt
heater absolviert hat
werde, da nach seiner Ansicht der Zwischenakt in diesem Falle
Arthur Schuiblers neue Kemödie. Alus W#rn wird uns ge¬
Villusionstörend wirke. Und so hieß es dann auf dem Theaterzettel
chrieben: Das heater brachte Arthur Schnktzlers drei¬
ausdrücklich: „Drei Akte in einem“..
chtige Komödie „Die Schwestern“ oder „Casanova in Spo“
zhr Uraufführung. Das Stück führt in die internationale Spieler¬
Aber das Publikum ist doch stärker als der stärkste Dichter.
uhd Abenteurerwelt des achtzehnten Jahrhunderts und entrollt
Man merkte deutlich, daß durch diese geschlossene Form eine Er¬
ei
erotisches Problem. Casanova hat sich bei einem nächtlichen
müdung eintrat. Und so mußte Schnitzler nun tlein beigeben und
BAuch im Fenster geirrt und umarmt an Stelle der Frau, die ihn
ertbartet hat, eine andere, die sich ihm auch ohne Zögern ergibt.
wenigstens einen Zwischenakt konzedieren. Einmal gab ja be¬
Am andern Tag gesteht sie es ihrem jungen Gatten, der sich, als
kanntlich selbst der große Ibsen nach, der den Schluß seiner
er erfährt daß Casanova den Irrtum nicht bemerkt hat, damit ab¬
„Nora“ änderte. Das Publikum ist eben ein unerbittlicher“
finden will. Dagegen begehrt die Frau jetzt erst recht, Casanovas
Tyrann. Oskar Blumenthal schrieb einmal eine etwas kühnere
ordentliche Geliebte zu werden, was sie in Streit mit der anderen
Komödie. Ein Theaterkeiter schlug ihm vor, für seine Bühne einen
bringt, der sie jene Nacht weggenommen hat. Der Streitfall
zwischen beiden wird schließlich Casanova in novellenhafter Ein¬
milderen Schluß zu machen, und die zwei Leute, die sonst schroff
kleidung zur Entscheidung vorgelegt. Den Knoten löst eine dritte
auseinandergingen, sich versöhnen zu lassen. Lächelnd meinte er:
Dame, ein Tänzerin, welche eben erscheint, um Casanova, der lange
„Also gut, nehmen wir den versöhnlichen Schluß für Städte unter
um sie geworb u hat, Gehör zu schenken. — Schnitzler hat sich um
die Gestalt Casanova seit langem bemüht, und die Verschmelzung
100.000 Einwohnern.“
von neuwienerischer Atmosphäre mit der des Rokoko nicht zum
Die Geschichie des letzten großen Wiener Theatererfolges,
Verstenmal versucht. Hrute zeigt sichs, daß dies eine belanglose und
den „Frau Rat“ errungen hat, hat eine ebenso listige wie lehr¬
hinfällige Angelegenheit geworden ist Weder der Zeit des Rokokos
reiche Pointe. Wie ist Dr. Paul Wertheimer, der glückliche Autor#
noch ihren Gestalten hat Schnitzler eigenes Leben einzubauchen
##aewußt. Diese Blutleerheit macht die Abhandlung der erotischen
der „Frau Rat“, zu diesem interessanten Sujet gekommen? Da¬
durch, daß er ein Buch mit sich in der Tasche herumgetragen hat
und damit in das Kaffeehaus gegangen ist. Ein so vielbeschäftigter
Mann, der gleichzeitig Rechtsanwalt, Publizist und Poet ist, hat,
seitdem das Café Grünsteidl und das „Jung=Wien“, dem er an¬
C Dntotte
gehörte, nicht mehr existiert, nur noch selten Zeit für eine Kaffee¬
hausstunde. Eines Abends im vorigen Frühjahr ging er aber am
Guobur
Café Kaiserhof vorüber; da zog er dem Kafseedufte nach und
spazierte hinein. Er setzt sich in eine Ecke und am Tisch gegen¬
über sitzt — Direktor Jarno, der sich hier von seinen dreifachen
Samstag, 3. April 1920.
Bürden als doppelter Direktor, Regisseur und Darsteller zuweilen
ck Angelegenheit zu einer namenlos gleichgültigen Sache, und mit dem
für eine Stunde erholt.
künstlerischen Wert bleibt auch aller menschliche aus. Hier ist nichts
Die beiden gerieten sogleich in ein Gespräch, das von den
über das Leben ausgesagt, kein tieferer Blick in ein Schicksal er¬
üblichen Kaffeehausthemen, Valuta und Schiebertum, wesentlich ab¬
öffnet, kein scellscher Zug gezeigt; und nichts so Undelikates hat
Schnitzler noch auf die Bühne gebracht, als den Streit der zwei
wich. „Nur eines“, erzählte Dr. Wertheimer, ein eifriger Bücher¬
Frauen um den Geliebten: hier wird der lotzte Rest einer Teilnahme,
leser und Kulturliebhaber vor dem Herrn, dem Direktor, der mit
die sich etwa im Zuhörer geregt bat, verscheucht. Die Darstellung
seiner unerschöpflichen Lebens= und Arbeitskraft noch Zeit und
des Buratheaters war lau. Treßler gab dem Casanova einiger¬
Lust zu allem findet — „nur eines hat mich in diesen schweren
maßen hanswursthafte Züge, was die Gestait nicht lebenskräftiger"
machte. Das Publikum, das sich nicht eben unterhalten hatte“
Zeiten des Niederganges Deutschlands, unseres moralischen und
bereitete dem Stück nur eine kühle Aufnahme.
#materiellen Elends getröstet — ein Buch, sehen Sie nur —“
Mar Pelh#.
MRW
und er zog ein braunes Büchlein aus der linken Tasche — „Die Briese
der Fran Rat Goethe“. „Merkwürdig, Doktor“, replizierte der Direktor,
„wollen Sie wissen, welches Buch mich in den letzten Tagen immer be¬
gleitet hat?“ Und er zog aus der rechten Seitentasche gleichfalls ein
brannes Buch hervor — „Die Briefe der Frau Rat Goethe“
„Alle Hochachtung vor einem Direktor, der in seinen wenigen
Mußestunden Goethe liest", meinte Wertheimer. „Mir ist dieses
Werk nämlich Erholung und Quellenstudium zugleich. Seit
Monaten beschäftige ich mich mit einem neuen Stück, das mir
Herzenssache ist. Die Frau Rat Goethe, diese prachtvolle, echte,
— ich werde sie auf die Bühne bringen.“
kernhafte deutsche Frau
„Daran hab' ich auch bei der Lektüre sogleich gedacht“
siel der Direktor ein. „Das ist eine Prachtfigur.“ Wertheimer
wurde in seinem Feuereiser dadurch noch bestärkt, er setzte sich jetzt¬
energischer hin, schrieb das Stück und brachte es Jarno,
der es sofort einstudierte und jetzt nach der erfolgreichen:
„Concordia“=Aufführung im Theater an der Wien im Stadttheater
allabendlich spielen wird. Und die Moral der Geschichte für