II, Theaterstücke 28, Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 143


sohns Mutter ein lusliger Maskenscherz statt. Der da¬
mals siebzehnjährige Felix lral als Tiroler auf und ließ
aus einem Beutel Bonbons und selbstverfertigte Verse
ziehen. Unter diesen befanden sich auch die folgenden:
Schreibl der Komponiste ernst,
Schläfert er uns ein;
Schreibt der Komponiste froh,
Ist er gemein;
Schreibt der Komponiste lang,
Ist es zum Erbarmen;
Schreibt der Komponiste kurz,
Kann man nicht erwarmen;
Schreibt ein Komponiste klar,
Ist’s ein armer Tropf:
Schreibl ein Komponiste lief,
Seieanhien. De Ann. 2t. Gnen., Vierten saherstun e
bezaubernd ins Ohr klingen, blühen hier noch einmal auf.
Es ist ein lustiges, sogar sehr verwegen lusliges Spiel
ernsler Menschlichkeilen. Aber de. Dichter leugnet ihren
Ernst. Die heitere Höhe, die er sich erkämpft hat, kennt
keine verheerenden Weller mehr: sie grollen nur noch
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verhallend aus der Tiefe empor. Mit souveräner und aus
wirklicher geisliger Freiheil wachsender lronie lächell er
über die großen Schmerzen der Liebe; der pathelische N
Zorn des Mannes, der seine Braut aus den Armen einesg
anderen kommen siehl, ist ihm der Aufschrei dummer &
Eitelkeit; die Treulosigkeit der von einer heißen Slunde D
berauschten Frau, ihr Feld elementarer Gewalten, das
ihn selbst unberührt und unverantwortlich läßl. Und das
Stür krönl ein Worl, dessen menschliche Schönheil un¬
DIE THEHTER- UN
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verlierbar ist: Treue ist Rückkehr. Daß die Geliebte frei¬
willig zu dem, Gelieblen zurückgelunden hei, entsühni
und enlsündigt sie.
Bleibl nur eine Frage: ob dieses Spiel, dessen
künstlerische und menschliche Kullur von lesselndem Reiz
ist, auch die überzeugende Kraft der Darstellung hal. Ist
es denkbar, daß diese heiße Jugend, die man von ihrem
Erlebnis betäubt und gebrochen glauben müßle, so rasch
die innere Freiheit gewinnt, um den Humor ihrer Lage in
ein geistreich phanlasievolles Spiel umzuselzen?
Was das Stück darstellen will, erfordert Zeil; und
gerade mit ihr hat der Dichter diesmal geknappt. Ihm
liegt soviel daran, die Schicksale des Lusispieles in zwei
Slunden einzufassen, daß er dessen drei Akte in pausen¬
loser Folge spielen läßt. Aber drei Akte in einem zu
geben, ist ebenso künstlerisch bedenklich, wie einen Ein¬
akler mehraklig zu spielen (was —
Goelhe bekanntlich Kleisls „Zer¬
brochenem Krug“ antal). „Die
Schwestern“ haben trotzdem
im Burglheater sehr eindrucks¬
voll gewirkt. Die beflügelle Laune
der Frau Reity und des Herrn
Treßler, die keusche Innigkeil
der Frau Aknay hal alle mensch¬
lichen und dichterischen Reize des
Werkes beredt gemachl.
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Der künstlerische
Ausverkauf Wiens forierl.
Nachdem man unsere Geschäfte
geleert hat, beginnt man unsere
Theater und Ateliers auszuräumen.
Ein großes Pariser Blatt verkün¬
digle jüngsl, daß „Wien der künst¬
lerische Mittelpunkt Zentraleuropas“
werden wird. Schön wär's, aber zur
Zeit klingl das sehr unwahrschein¬
lich. Der Dollar hal einen zu be¬
sirickenden Klang. Die Amerikaner
werben und werben und wenn so böse Buben locken,
folgt man ihnen gerne. Es beginnt eine große
Kunstwanderung nach dem’, Westen. Die erlauchleisien
Namen unserer Kunst werden bald auf amerikanischen
Plakalen prunken. Von Richard Strauß angefangen bis zu
einer kleinen Opereitendiva hinunter — alles walll und
wandert hinüber, ein eigenes Schiff sieht bereit, die
prächligsten Holels sind gemielet und Europa schickt
seine beste Kunst auf eine ausgiebige Nähr- und Er¬
holungsreise. Wer zurückkommen wird? Wer jetzt schon
fleißig Englisch sludiert, um sich so bald wie möglich ins
Amerikanische überselzen zu lassen? Man errählt und
vermutet und befürchtel allerlei. Vielleicht wird Richurd
Strauß drüben Militärkapel meisler. Max Reinhardt gründel
dorl das Cabarel der Fünflausend und Franz Lehär
schreibl sogar luslige Operetten. Im Reich der unbe¬
grenzlen Valulamöglichkeilen ist alles denkbar.