II, Theaterstücke 28, Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 165

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28. Die Schuestern-oder-Casanovs in Sna
2-N0 1910
# Frter Zeitung
Frankurt #. M.

Und auch sonst ist Bahr auf dem Wege nach Damaskus ziemlic
derselbe gehlieben der er auch in prosanen Zeiten war. Schon à
Wiener Theater
seinen Anfängen hat er eine merkwürdige Eigenheit gezeigt: er, d
g Wien, im Oktober.
Entdecker der österreichischen Literatur, hat sich immer nur für die
Der Salzburger Apostel Hermann Bahr kann sich über seine
kleineren Leute eingesetzt und sich aus ihnen eine Garde geschaffen
Aufnahme als dramaturgischer Beirat des Hofburgtheaters in der
Für die Bedeutenderen, die Kollegen, die Konkurrenten, hat er=hie
einen Finger gerührt. Jetzt erfahren wir, daß er das neue Werk
gottlosen Wiener Stadt nicht beklagen. Wie einen verlorenen und
Artur Schnitzlers, „Die Schwester“, aus irgend einem Grunde#anz
wieder gesundenen Sohn hat ihn die Kritik ausgenömmen, die Thea¬
abgelehnt hat und daß Schönherrs neues Drama „Das Narretspiel
ter haben eine Bahr=Woché veranstaltet. — das „Ringelspiel“ wurde
erstmalig, der „Querulant“ neu aufgeführt — die Schauspieler, die
des Lebens“ nicht an der Burg, sondern bei Reinhardt uraufgsführt
seine Sachkunde schätzen, haben die Ohren gespitzt. Und die letzteren!wird Pflegt man so die österreichische Literaturs Nehmen wir an,
sind wohl auch am meisten auf ihre Rechnung gekommen. Frau
Schnitzlers „Schwester“ sei wirklich nicht geeignet für die Burg
Bleibtreu hat den Vertrag erhalten den sies wünschte, und bleibt
(wir wissen es nicht, weil wir das Werk nicht kennen). Bleibt es
damit dem Burgtheater erhalten; Korff, wohl der freieste Schau¬
nicht doch ein Werk von Schnitzler und war es nicht der Burg an¬
spieler der deutschen Bühne, der jahrelang in Variétés herumzigeu¬
geboten? In diesem Fall hat der Direktor nichts anderes zu tun,
nerte, wurde dem Burgtheater wiedergewonnen; Bahr knauserte
als es gut aufzuführen und dem Publikum die Ablehnung zu über¬
nicht und fand den Don, den die Bureaukraten nicht gefunden
lassen, wenn es dessen Wille ist. Ich denke nicht daran, Bahr zu¬
hatten, der starken Künstlern die Arbeitsfreude wiedergibt. Die
zutrauen, daß er mit einer minder glimpflichen Behandlung zweier
Spielfreude der Schauspieler ist aber dasselbe, was für eine Armee
höberen Orts weniger gut gelittener Autoren dem höheren Ort ge¬
der Gerst ist. Das Instrument, mit dem er siegen könnte, hat Bahr
söllig sein möchte. Nein, es ist seine alte Art, die Kleinen zu ge¬
sich also rasch geschaffen. Nun käme es auf seine Politik und
winnen, die Großen zu verletzen. Persönliche Kunstpolitik. Nie¬
Strategie an, ob er von der Waffe den richtigen Gebrauch macht.
mand aber kann zween Herren dienen: seinem Amte und Herrn
Das Burgtheater brauchte einen Mann, der ihm seinen Rang als
Hermann Bahr Da Bahr aber, vor die Wahl gestellt, schwerlich
die Bühne, an der am besten gespielt wird, wiedergäbe Alles an¬
das Amt wählen wird, fürchten wir, wird das Amt bald wieder
dere käme in zweiter Linie. Wir fürchteten von vornherein, der
einen neuen Mann suchen müssen. Am Amte, an Wien und gu¬
Apostel von Salzburg werde an einem so selbstlosen, unpersönlichen
einem etwa ungünstigen Vorurteil läge es nicht, wenn es so kom¬
Werk wenig Freude haben. Und wir fürchten, wir haben uns nicht
men müßte. Wir haben es gesagt, Bahr ist mit offenen Armen auf¬
getäuscht.
genommen worden.
Gleich die erste „Novität“, mit der Bahr auf eigene Rechnung
hervortrat, zeigte ganz andere Triebkräfte als die der Unpersönlich¬
keit. Mit der „Antigone“ von Sophokles führte Bahr sich ein.
Klassisch, nicht wahr, vielleicht sogar ein bißchen akademisch? Ach
nein, der kennt Bahr schlecht, der ihm blutleere Schulsuchserei zu¬
traut Die harmlose Maske paßt ihm schon, aber der Schelm lugt
drunter hervor. Die „Antigone“ ist ein Stück von brennender poli¬
tischer Aktualität, ist ein Bekenntnis des Dichters zur reinen
Menschlichkeit im Gegensatz zur Staatsräson und gibt Gelegenheit
den Königen durch den Mund des Sehers Teirestas Dinge sagen
zu lassen, die Hermann Bahr nicht einmal in seinem „Tagebuch“!
frei hätte aussprechen dürfen. Das Drama sollte gar nicht „Ansi¬
gone“ heißen, sondern „Kreon“ denn Kreon ist der tragische Held,:
der, von seinem Herrenbewußtsein verblendet, die Götter heraus=1
sordert und von ihnen gefällt wird (wie Hermann Bahr es man¬
chem neuen Kreon im stillen wünschen mag). Diese politische
Aktualität war es, die Bahr reizte. Denn schauspielerisch ist aust
der Antigone mit ihren wundervollen, aber für unsere Bühne zu
weit ausholenden Chören wenig anzufangen Sie bleibt Rezitation.
Wir sind die letzten die einem Direktor kleine Aktualitätsscherze
verargen. Aber sie dürsen nicht auf Kosten der eigentlichen Auf=t
gabe gehen. Wir wollen nicht Herrn Bahrs geistreiche und inter¬
essante Physiognomie, wir wollen —
in seinem jetzigen Amte —
seire Meisterhand sehen. Antigone zeigt sie nicht, konnte sie nicht !1
zeigen trotz der herrlichen Gestaltung der Frau Bleibtreu.