punereneneenee e g
auch den Mut, den „Mebardus“ zu spielen, dieses „geniale
Monstrum“, wie er das Stück in einer kritischen Laune nannte,
wegen seiner über das Theatermaß hinausragenden Länge. Erst
Baron Berger wagte das „Experiment“, das sich dann so erfolg¬
rreich gestaltete. Auch Direktor Thimig pflegte Schnitzler in
hervorragender Weise. Es gab verschiedene Reprisen unter seiner
Leitung. Er hatte auch mit der Komödie „Fink und Rosenbusch“
gerechnet, doch hielt
sie der Dichter ziemlich lange
zurück. Er hatte,
wie man erzählte, ursprünglich
die
Absicht, das Stück während des Krieges nicht aufführen
zu lassen. Da sich aber der Krieg, gleich dem „Medardus“, in
die Länge zug, entschloß er sich nun doch dazu, sein Journalisten¬
lustspiel nicht auf den Frieden warten zu lassen. Bekanntlich be¬
handelt diese Komödie einen Stoff, der jährlich in einem Lustspiel
von Tristan Bernard vorkommt, das vor vier Jahren im Josef¬
städter Theater aufgeführt wurde. Schnitzler ließ damals gemeinsam
mit Thimig sein Werk notariell als ein früher entstandenes
„legalisieren“
Nun wird die Premiere nicht im Burgtheater, sondern im
Deutschen Volkstheater stattfinden. Warum? Darüber munkelte
man gleich allerhand Geheimnisvolles. Die Theaterspatzen haben
in solchen Fällen immer etwas zu pfeisen. Diesmal pfiffen sie
besonders kräftig. Aber die Eingeweihten erzählen, daß die Sache
ganz einfach war. Direktor Wallner gab in der vorigen Saison
„Anatol“, das „Abschiedssouper“, „Liebelei“ Komtesse Mizzi“ und
setzte sich förmlich in den Kopf, auch einen funkelnagelneuen Schnitzler
zu bringen. Da schrilb er nun einen sehr liebenswürdigen Bries
an den Dichter, worin er ihn um sein neues Stück bat. Artur
Schnitzler erschien in der Direktionskanzlei und erfüllte in seiner
charmanten Weise die Bitte des Direktors. So kam nun „Fink
(und Rosenbusch“ ins Deutsche Volkstheater. Wenigstens erzählen
ites so die Eingeweihten. Die besonders Eingeweihten munkeln aber
strotz alledem etwas anderes. Beim Theater wird ja immer ge¬
munkelt und da wollen sie nun wissen, daß Schnitzler mit dem
neuen Burgtheaterdirektor nicht ganz harmoniere und man findet
eh beispielsweise sehr auffallend, daß die „Komödie der Worte“
ats dem Spielplau ganz verschwunden sei. Allerdings werden
defür andere Schnitzler=Stücke im Burgtheater gespielt.
Direktor Geyer pflegt an der Neuen Wiener Bühne neben
„Causa Kaiser“ und dem „Neuen Gold“ auch die höhere Literatur.
Sie ist ihm eigentlich Herzenssache, aber Schwänke muß man eben
wegen der Theaterkasse geben. Sie muß es dann ermöglichen,
daß man sich dann ein= oder zweimal in der Woche der Literatur
widmen kann. Es gibt bei uns Bühnenleiter mit zwei Seelen.
Die Geschäftsseele gehört der Durchschnittsware, dem täglichen
Brot des Theaters, die Kunstseele tobt sich in der Vor= oder
Nachsaison aus. Da kümmert man sich weniger um den hohen
Adel und das verehrliche Publikum und geht seine eigenen
Wege. Diese Woche führen sie bei dem einen zu Strindberg, bei
dem anderen zu Georg Kaiser. Man vergißt für eine Woche
seine lieben Stammautoren und erinnert sich an seine höheren
Ziele. Das eine Mal erinnert sich Direktor Jarno, das andere
Mal Direktor Geyer. Diesmal hat er sich zu einem „Zyklus“
entschlossen, was sicher sehr löblich ist. Den Anfang bildet Georg
Kaisers „Bürger von Calais“. (Herr Bernau bereitet übrigens
auch einen Georg Kaiser vor, und zwar den neuesten. Es gibt
nun auch ein Wettrennen in der Literatur.)
Diese Aufführung ist mit den größten Schwierigkeiten ver¬
hunden. Es ist nicht leicht, im Kriege diesen Dichter zu spielen,
denn er stellt an die Statisterie besondere Auforderungen. Im
Buche find nicht weniger als 87 Statisten vorgeschrieben. Da
lebt es ungefähr:
30 Bürger,
11 Bürgerinnen,
14 Ratsherren,
6 Ratsdamen,
26 Volk.
Woher nimmt man nun im Kriege 87 Statisten? Man
„müßte sie aus den Schützengräben holen, wo man aber leider die
s. Vorstellungen nicht unterbrechen kann. Man suchte an allen
Ecken und Enden. Man untersuchte den gewissen Boden, aus
dem man zu „stampfen“ pflegt. Aber man brachte kaum ein
Drittel zustande. Und so trägt der böse Krieg die Schuld daran,
daß man Georg Kaisers dichterischen Intentionen nicht ganz ent¬
sprechen kann.
Ein kleiner Scherz vom Tage. Es war bei der General¬
probe einer neuen Komödie.
Ein Kritiker (zu einem in dem Stück nicht be¬
schäftigten Schauspieler, der als Kiebitz der Prode beiwohnt):
„„Na, wie gefällt Ihnen das Stück?“
Der Schauspieler (lächelnd): „Das kann ich Ihnen
nicht sagen, denn ich bin an diesem Theater noch zwei
Jahre engagiett.“
BbCSt
Gerino-Zehog omn Mhieg bertn
Fink und Fliederbusch.“ (7%
„Wie uns aus Wien telegraphiert Goild, lag
Arthur
neues Bühnenwerk „Fink
und Fliederruchdraufführung heute im
Wiener Polkstheater stattfindet, jahre¬
lang wohlverwahrt in des Dichters Schreibpult,
wen es den gleichen Stoff behandelt wie Tristan
Bernards Komödie „Die beiden Enten“, die sei¬
nerzeit auch in Wien viel gespielt wurde. Schnitz¬
ler sowohl, wie Bernarb entwickeln in ihren
Stücken, wie ein Journalist gleichzeitig zwei
Blättern verschiedenster Richtung dient und durch
seinen polemischen Zeitungskampf ein Duell pro¬
voziert. Dae Stück enthält nur eine kleine
Frauenrolle, eine fürstliche Wohltätigkeitspatro¬
nin. Die Urankführung wird vor allem d#ich
die prächtigen Komiter Forest und Thaller
gestützt.
4
AOHT191
Nusfrerter Mdaner Extrablatt, Wian
Artur Schnitzler als Vorleser.
chen Tfreitor Wallner.
Schaublä
Versammelt sindnd Verren vom Deutschen
m m
M#
Volkstheater, um Zeugen der Vorlesung von „Fink
und Fliedervuschkz sein. So heißt die
neueste Komödie Artur Schnitzlers, deren Urauf¬
führung für den 15. Nobember im Schauspielhause
nächst dem Weghuberpurk bestimmt ist. Der Dichter
las selbst und er tat dies eindrucksvoll, mit wirksamer
Pointierung. Mit kurzen Pausen dauerte die Rezi¬
ta#len von ½10 Uhr vormittags bis ½1 Uhr nach¬
mittags. — Wie ich hore, gedenn Tirektor Wallner
an die Autoren, deren Werke im Deuischen
Volkstheater in Szeue gehen sollen, mit dem
Ersuchen heranzutreten, vor Beginn der Bühnen¬
Proben am Vorlesetisch in der Direktionskanzlei zu
erscheinen. Damit greift er auf eine Einrichtung
zurück, die Heinrich Laube im Burgtheater und
späler im Stadttheater hochgehalten hat. Unter Laube
war es Uebung, jede Novität zweimal vorlesen zu
lassen: einmal durch den Dichter oder durch den
Megisseur; ein andermal mit verteilten Rollen von
den beschäftigten Darstellern. Laube hat wiederholt
selbst vorgelesen und fast immer eireicht, daß
richtigen Eindruck
das Eusemole sofort den
empfing. Eine solche Wirkung bleibi erfahrungs¬
gemaß aus, wenn die Schauspieler zu Hause,
ohne Verbindung miteinander, ihre Rollen
memorieren. Diese für den Theaterbetrieb wichtige
Praxis kam im Laufe der Jahre abhanden. Ich
kann weiter mitteilen, daß Direktor Wallner möglicher¬
weise aus der Rüstkammer Laubeauch den Vortragsmeister
hervotholen wird, der imstande ist, den Schauspielern
ais geistiger Führer und rhetorischer Wegweiser zu
dienen. Der letzte Wiener Vortragsmeister war
Alexander Stratosch, dessen Gattin, Leopoldine
Konstauein, die Sympathien des hiesigen
Publikums gewonnen hat. Direklor Jahn hal sogar
an einen Vortragsmeister für die Hofoper gedacht und
seinerzeit Hermann Wintelmann für dieses Amt
in Aussicht genommen. Allerlei Juftigien und Eitel¬
keiten vereitelten den Plan. —9—
auch den Mut, den „Mebardus“ zu spielen, dieses „geniale
Monstrum“, wie er das Stück in einer kritischen Laune nannte,
wegen seiner über das Theatermaß hinausragenden Länge. Erst
Baron Berger wagte das „Experiment“, das sich dann so erfolg¬
rreich gestaltete. Auch Direktor Thimig pflegte Schnitzler in
hervorragender Weise. Es gab verschiedene Reprisen unter seiner
Leitung. Er hatte auch mit der Komödie „Fink und Rosenbusch“
gerechnet, doch hielt
sie der Dichter ziemlich lange
zurück. Er hatte,
wie man erzählte, ursprünglich
die
Absicht, das Stück während des Krieges nicht aufführen
zu lassen. Da sich aber der Krieg, gleich dem „Medardus“, in
die Länge zug, entschloß er sich nun doch dazu, sein Journalisten¬
lustspiel nicht auf den Frieden warten zu lassen. Bekanntlich be¬
handelt diese Komödie einen Stoff, der jährlich in einem Lustspiel
von Tristan Bernard vorkommt, das vor vier Jahren im Josef¬
städter Theater aufgeführt wurde. Schnitzler ließ damals gemeinsam
mit Thimig sein Werk notariell als ein früher entstandenes
„legalisieren“
Nun wird die Premiere nicht im Burgtheater, sondern im
Deutschen Volkstheater stattfinden. Warum? Darüber munkelte
man gleich allerhand Geheimnisvolles. Die Theaterspatzen haben
in solchen Fällen immer etwas zu pfeisen. Diesmal pfiffen sie
besonders kräftig. Aber die Eingeweihten erzählen, daß die Sache
ganz einfach war. Direktor Wallner gab in der vorigen Saison
„Anatol“, das „Abschiedssouper“, „Liebelei“ Komtesse Mizzi“ und
setzte sich förmlich in den Kopf, auch einen funkelnagelneuen Schnitzler
zu bringen. Da schrilb er nun einen sehr liebenswürdigen Bries
an den Dichter, worin er ihn um sein neues Stück bat. Artur
Schnitzler erschien in der Direktionskanzlei und erfüllte in seiner
charmanten Weise die Bitte des Direktors. So kam nun „Fink
(und Rosenbusch“ ins Deutsche Volkstheater. Wenigstens erzählen
ites so die Eingeweihten. Die besonders Eingeweihten munkeln aber
strotz alledem etwas anderes. Beim Theater wird ja immer ge¬
munkelt und da wollen sie nun wissen, daß Schnitzler mit dem
neuen Burgtheaterdirektor nicht ganz harmoniere und man findet
eh beispielsweise sehr auffallend, daß die „Komödie der Worte“
ats dem Spielplau ganz verschwunden sei. Allerdings werden
defür andere Schnitzler=Stücke im Burgtheater gespielt.
Direktor Geyer pflegt an der Neuen Wiener Bühne neben
„Causa Kaiser“ und dem „Neuen Gold“ auch die höhere Literatur.
Sie ist ihm eigentlich Herzenssache, aber Schwänke muß man eben
wegen der Theaterkasse geben. Sie muß es dann ermöglichen,
daß man sich dann ein= oder zweimal in der Woche der Literatur
widmen kann. Es gibt bei uns Bühnenleiter mit zwei Seelen.
Die Geschäftsseele gehört der Durchschnittsware, dem täglichen
Brot des Theaters, die Kunstseele tobt sich in der Vor= oder
Nachsaison aus. Da kümmert man sich weniger um den hohen
Adel und das verehrliche Publikum und geht seine eigenen
Wege. Diese Woche führen sie bei dem einen zu Strindberg, bei
dem anderen zu Georg Kaiser. Man vergißt für eine Woche
seine lieben Stammautoren und erinnert sich an seine höheren
Ziele. Das eine Mal erinnert sich Direktor Jarno, das andere
Mal Direktor Geyer. Diesmal hat er sich zu einem „Zyklus“
entschlossen, was sicher sehr löblich ist. Den Anfang bildet Georg
Kaisers „Bürger von Calais“. (Herr Bernau bereitet übrigens
auch einen Georg Kaiser vor, und zwar den neuesten. Es gibt
nun auch ein Wettrennen in der Literatur.)
Diese Aufführung ist mit den größten Schwierigkeiten ver¬
hunden. Es ist nicht leicht, im Kriege diesen Dichter zu spielen,
denn er stellt an die Statisterie besondere Auforderungen. Im
Buche find nicht weniger als 87 Statisten vorgeschrieben. Da
lebt es ungefähr:
30 Bürger,
11 Bürgerinnen,
14 Ratsherren,
6 Ratsdamen,
26 Volk.
Woher nimmt man nun im Kriege 87 Statisten? Man
„müßte sie aus den Schützengräben holen, wo man aber leider die
s. Vorstellungen nicht unterbrechen kann. Man suchte an allen
Ecken und Enden. Man untersuchte den gewissen Boden, aus
dem man zu „stampfen“ pflegt. Aber man brachte kaum ein
Drittel zustande. Und so trägt der böse Krieg die Schuld daran,
daß man Georg Kaisers dichterischen Intentionen nicht ganz ent¬
sprechen kann.
Ein kleiner Scherz vom Tage. Es war bei der General¬
probe einer neuen Komödie.
Ein Kritiker (zu einem in dem Stück nicht be¬
schäftigten Schauspieler, der als Kiebitz der Prode beiwohnt):
„„Na, wie gefällt Ihnen das Stück?“
Der Schauspieler (lächelnd): „Das kann ich Ihnen
nicht sagen, denn ich bin an diesem Theater noch zwei
Jahre engagiett.“
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Gerino-Zehog omn Mhieg bertn
Fink und Fliederbusch.“ (7%
„Wie uns aus Wien telegraphiert Goild, lag
Arthur
neues Bühnenwerk „Fink
und Fliederruchdraufführung heute im
Wiener Polkstheater stattfindet, jahre¬
lang wohlverwahrt in des Dichters Schreibpult,
wen es den gleichen Stoff behandelt wie Tristan
Bernards Komödie „Die beiden Enten“, die sei¬
nerzeit auch in Wien viel gespielt wurde. Schnitz¬
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Stücken, wie ein Journalist gleichzeitig zwei
Blättern verschiedenster Richtung dient und durch
seinen polemischen Zeitungskampf ein Duell pro¬
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die prächtigen Komiter Forest und Thaller
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und Fliedervuschkz sein. So heißt die
neueste Komödie Artur Schnitzlers, deren Urauf¬
führung für den 15. Nobember im Schauspielhause
nächst dem Weghuberpurk bestimmt ist. Der Dichter
las selbst und er tat dies eindrucksvoll, mit wirksamer
Pointierung. Mit kurzen Pausen dauerte die Rezi¬
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mittags. — Wie ich hore, gedenn Tirektor Wallner
an die Autoren, deren Werke im Deuischen
Volkstheater in Szeue gehen sollen, mit dem
Ersuchen heranzutreten, vor Beginn der Bühnen¬
Proben am Vorlesetisch in der Direktionskanzlei zu
erscheinen. Damit greift er auf eine Einrichtung
zurück, die Heinrich Laube im Burgtheater und
späler im Stadttheater hochgehalten hat. Unter Laube
war es Uebung, jede Novität zweimal vorlesen zu
lassen: einmal durch den Dichter oder durch den
Megisseur; ein andermal mit verteilten Rollen von
den beschäftigten Darstellern. Laube hat wiederholt
selbst vorgelesen und fast immer eireicht, daß
richtigen Eindruck
das Eusemole sofort den
empfing. Eine solche Wirkung bleibi erfahrungs¬
gemaß aus, wenn die Schauspieler zu Hause,
ohne Verbindung miteinander, ihre Rollen
memorieren. Diese für den Theaterbetrieb wichtige
Praxis kam im Laufe der Jahre abhanden. Ich
kann weiter mitteilen, daß Direktor Wallner möglicher¬
weise aus der Rüstkammer Laubeauch den Vortragsmeister
hervotholen wird, der imstande ist, den Schauspielern
ais geistiger Führer und rhetorischer Wegweiser zu
dienen. Der letzte Wiener Vortragsmeister war
Alexander Stratosch, dessen Gattin, Leopoldine
Konstauein, die Sympathien des hiesigen
Publikums gewonnen hat. Direklor Jahn hal sogar
an einen Vortragsmeister für die Hofoper gedacht und
seinerzeit Hermann Wintelmann für dieses Amt
in Aussicht genommen. Allerlei Juftigien und Eitel¬
keiten vereitelten den Plan. —9—