27. Eink und Fliederbusch box 33/1
Der Morgen Wien
TA001 9-2
Montag, 13. Kobember1917.—
Der Morgen
—
einem herzhaften Griff in das Milieu und dessen Nachbar¬
— Theater.
schaften. Er weiß von den Zeitungsleuten offenbar nicht
mehr als ein paar stachelige Witze, die sie über sich selbst
machen. Oder weiß er mehr und wollte es nicht merken lassen?
Arthur Schnitzlers neue Komödie.
Auch in dem Fall hätte er das Journalistenstück nicht schreiben
Die Komddie „Fink und Fiederbusch= st in
dürfen. Gelungen ist ihm nur eine Porträtkarikatur: die des
Deutschen Volkstheater von allen Anwesenden der
stückeschreibenden Reporters Kajetan. Sonst aber sind nur
Schnitzler=Gemeinde mit dem achtungsvollsten Wohlwollen be¬
ein paar belanglosen Marionetten ein paar echte Worte in
gtüßt und unter herzlichen Beifallskundgebungen abgelehnt
den Mund geschoben, die man Schnitzler aus dem Zeitungs¬
worden. Zur Schnitzler Gemeinde im besten Sinne aber ge¬
kreis zugetragen hat. Er lebt, fühlt, denkt nicht mit diesen
hirten wir alle, mußten dazu gehören. Was man jetzt von
Menschen, vermag mit ihnen weder zu leiden noch zu lachen.
nancher Seite zu hören bekommt, weil Schnitzlex in seinem
Wozu also? Nur damit der Fliederbusch den Fink und der
Schaffen auf einen toten Punkt gelangt zu sein scheint, ist
Fink den Fliederbusch blamiert? Nur damit der Autor am
blanker Unsinn: Keine Gemeinde hat diesen Schriftsteller ge¬
Ende nicht aus und nicht ein weiß und nur durch eine arge
#macht, sondern er hat sich seine Gemeinde geschaffen aus
Geschmacklosigkeit zu Ende kommen kann? Denn die Ver¬
Wiberstrebenden so gut wie aus willig Folgenden. Auch der
steigerung der Schmierfinkenhaftigkeit mit nachfolgender
ehrlichste Kritiker, dem die Wahrheit, die Überzeugung über
Apotheose der Charakterlosigkeit ist arg unerquicklich und
alles geht, vergibt sich nichts, wenn er erst den Hut zieht, ehe
Schnitzlers durchaus unwürdig. Es war eine unbegreifliche
er Arthur Schnitzler „vernichtet". Aber vielleicht hat ihn
Verwirrung. Wir bitten um unseren guten alten Fliederbusch;
mancher diesmal vorher nicht gegrüßt, weil er ihn — nicht er¬
der neue Fink, der nach der anderen Seite schreibt und Mut
kannte. Das wäre zu begreifen, denn er sieht sich diesmal gar
nur vor ungeladenen Pistolen zeigt, muß aus der deutschen
nicht ähnlich. Wenngleich gerade die Getreuesten schon vorher
Literatur wieder verschwinden.
die Köpfe darüber schüttelten, daß ihnen ihr Dichter während
Wenn man nicht wüßte, daß Schnitzler selbst bei allen
dieser ungeheuerlichsten aller Zeiten die „Komödie der Worte“
Proben seines Stückes mitgearbeitet hat, könnte man dem nomi¬
und den Badearzt „Dr. Gräsler“ bescherte, so war in diesen
nellen Spielleiter Herrn Dr. Schulbaur den Vorwurf nicht
Arbeiten doch noch manches, ja vieles zu finden, was uns
ersparen, daß die Regie die Fehler der Komödie unterstrichen,
Schnitzler so lieb und so wertvoll gemacht hat. „Fink und
ihre Mutlosigkeit beiont, ihre Langweiligkeit gedehnt habe.
Fliederbusch“ aber liegt — wenigstens in den ersten Fassungen
(Denn das ist leider das Schlimmste: sie ist langweilig, selbst
— schon mehrere Jahre zurück und verrät den Verfasser aus¬
dort, wo sie ein bißchen sensationell sein möchte.) So aber ist
schließlich auf dem Titelblatt. Man kann mit Arthur Schnitzler
Schulbaur wohl nur für das Technische verantwortlich, das
nicht über dieses Stück rechten, denn es ist nicht von ihm. Jeder
selbstverständlich klappte. Schnitzler aber hat als sein eigener
seiner Nachahmer hätte ihn besser kopiert. Der Einfall, der
Regisseur den Eindruck nur verstärkt, daß er in dieser Arbeit
nicht bedeutend genug ist, um notariell geschützt und gegen
weniger denn je ein Gestalter und mehr denn je nur ein Be¬
einen, der ihn schon vorher verwertei hat, ernstlich verteidigt
trachter ist. Von den Möglichkeiten einer lustigen Theater¬
zu werden, war überhaupt nur ein Einakter= oder eigentlich
gwirkung, die überhaupt noch aus dem Stück herauszuschlagen
bloß ein Episodenscherz und erledigt, wenn ihn ein anderer
waren, sind so ziemlich alle versäumt worden. Wenn man von
bereits ausgesprochen hatie. In der Durchführung Schnitzlers
dem absieht, was vor allem Thaller als zum Marobeur auf
aber wird er unmöglich, weil Fliederbusch seine Doppelrolle
dem Felde des Journalismus gewordener Aristokrat und in
nicht einen Tag lang spielen kann — einen Parkamentsbericht¬
entsprechendem Abstand Forest als journalistischer Gschaftel¬
erstatter kennen fast alle Kollegen — und weil die Technik
huber aus eigenem für die Belebung des Milieus leisten, ist fast
dieses Ehrenhandels eine ganz unmögliche ist. Daß sich Sekun¬
nichts geschehen. Vor allem durfte man Herrn Edthofer,
danten selbst ernennen und so über das Leben unseres „Man¬
dem die Komikerkraft für diese Rolle fehlt, den Fliederbusch
danten“ verfügen, der ihnen gar kein Mandat verliehen hat,
nicht als frommen Fridolin spielen lassen, der sich fortwährend
könnte zuhöchst in der satirischen Groteske gestattet sein.
entschuldigt, daß er auf der Welt ist, statt das vorgeschriebene
Schnitzler aber fehlte Mut oder Laune sowohl zur Satire wie
„freche Biest“ zu sein. Die Übrigen nahmen sich ihrer kleinen
zur Groteske, mangelten Sachkenntnis, Liebe und Haß zu.
Rollen mit Ernst und Hochachtung an und brachten die wenigen!
—
Amtratitel. d G#
Pointen, die ihnen anver
Kunst heraus. Wirkliche
ihnen der Autor schwer g
lich ganz verboten.
Wir haben uns im
in einer modernen Kom
Wir nehmen alles reumüt
wenn er wieder zurückfin
Der Morgen Wien
TA001 9-2
Montag, 13. Kobember1917.—
Der Morgen
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einem herzhaften Griff in das Milieu und dessen Nachbar¬
— Theater.
schaften. Er weiß von den Zeitungsleuten offenbar nicht
mehr als ein paar stachelige Witze, die sie über sich selbst
machen. Oder weiß er mehr und wollte es nicht merken lassen?
Arthur Schnitzlers neue Komödie.
Auch in dem Fall hätte er das Journalistenstück nicht schreiben
Die Komddie „Fink und Fiederbusch= st in
dürfen. Gelungen ist ihm nur eine Porträtkarikatur: die des
Deutschen Volkstheater von allen Anwesenden der
stückeschreibenden Reporters Kajetan. Sonst aber sind nur
Schnitzler=Gemeinde mit dem achtungsvollsten Wohlwollen be¬
ein paar belanglosen Marionetten ein paar echte Worte in
gtüßt und unter herzlichen Beifallskundgebungen abgelehnt
den Mund geschoben, die man Schnitzler aus dem Zeitungs¬
worden. Zur Schnitzler Gemeinde im besten Sinne aber ge¬
kreis zugetragen hat. Er lebt, fühlt, denkt nicht mit diesen
hirten wir alle, mußten dazu gehören. Was man jetzt von
Menschen, vermag mit ihnen weder zu leiden noch zu lachen.
nancher Seite zu hören bekommt, weil Schnitzlex in seinem
Wozu also? Nur damit der Fliederbusch den Fink und der
Schaffen auf einen toten Punkt gelangt zu sein scheint, ist
Fink den Fliederbusch blamiert? Nur damit der Autor am
blanker Unsinn: Keine Gemeinde hat diesen Schriftsteller ge¬
Ende nicht aus und nicht ein weiß und nur durch eine arge
#macht, sondern er hat sich seine Gemeinde geschaffen aus
Geschmacklosigkeit zu Ende kommen kann? Denn die Ver¬
Wiberstrebenden so gut wie aus willig Folgenden. Auch der
steigerung der Schmierfinkenhaftigkeit mit nachfolgender
ehrlichste Kritiker, dem die Wahrheit, die Überzeugung über
Apotheose der Charakterlosigkeit ist arg unerquicklich und
alles geht, vergibt sich nichts, wenn er erst den Hut zieht, ehe
Schnitzlers durchaus unwürdig. Es war eine unbegreifliche
er Arthur Schnitzler „vernichtet". Aber vielleicht hat ihn
Verwirrung. Wir bitten um unseren guten alten Fliederbusch;
mancher diesmal vorher nicht gegrüßt, weil er ihn — nicht er¬
der neue Fink, der nach der anderen Seite schreibt und Mut
kannte. Das wäre zu begreifen, denn er sieht sich diesmal gar
nur vor ungeladenen Pistolen zeigt, muß aus der deutschen
nicht ähnlich. Wenngleich gerade die Getreuesten schon vorher
Literatur wieder verschwinden.
die Köpfe darüber schüttelten, daß ihnen ihr Dichter während
Wenn man nicht wüßte, daß Schnitzler selbst bei allen
dieser ungeheuerlichsten aller Zeiten die „Komödie der Worte“
Proben seines Stückes mitgearbeitet hat, könnte man dem nomi¬
und den Badearzt „Dr. Gräsler“ bescherte, so war in diesen
nellen Spielleiter Herrn Dr. Schulbaur den Vorwurf nicht
Arbeiten doch noch manches, ja vieles zu finden, was uns
ersparen, daß die Regie die Fehler der Komödie unterstrichen,
Schnitzler so lieb und so wertvoll gemacht hat. „Fink und
ihre Mutlosigkeit beiont, ihre Langweiligkeit gedehnt habe.
Fliederbusch“ aber liegt — wenigstens in den ersten Fassungen
(Denn das ist leider das Schlimmste: sie ist langweilig, selbst
— schon mehrere Jahre zurück und verrät den Verfasser aus¬
dort, wo sie ein bißchen sensationell sein möchte.) So aber ist
schließlich auf dem Titelblatt. Man kann mit Arthur Schnitzler
Schulbaur wohl nur für das Technische verantwortlich, das
nicht über dieses Stück rechten, denn es ist nicht von ihm. Jeder
selbstverständlich klappte. Schnitzler aber hat als sein eigener
seiner Nachahmer hätte ihn besser kopiert. Der Einfall, der
Regisseur den Eindruck nur verstärkt, daß er in dieser Arbeit
nicht bedeutend genug ist, um notariell geschützt und gegen
weniger denn je ein Gestalter und mehr denn je nur ein Be¬
einen, der ihn schon vorher verwertei hat, ernstlich verteidigt
trachter ist. Von den Möglichkeiten einer lustigen Theater¬
zu werden, war überhaupt nur ein Einakter= oder eigentlich
gwirkung, die überhaupt noch aus dem Stück herauszuschlagen
bloß ein Episodenscherz und erledigt, wenn ihn ein anderer
waren, sind so ziemlich alle versäumt worden. Wenn man von
bereits ausgesprochen hatie. In der Durchführung Schnitzlers
dem absieht, was vor allem Thaller als zum Marobeur auf
aber wird er unmöglich, weil Fliederbusch seine Doppelrolle
dem Felde des Journalismus gewordener Aristokrat und in
nicht einen Tag lang spielen kann — einen Parkamentsbericht¬
entsprechendem Abstand Forest als journalistischer Gschaftel¬
erstatter kennen fast alle Kollegen — und weil die Technik
huber aus eigenem für die Belebung des Milieus leisten, ist fast
dieses Ehrenhandels eine ganz unmögliche ist. Daß sich Sekun¬
nichts geschehen. Vor allem durfte man Herrn Edthofer,
danten selbst ernennen und so über das Leben unseres „Man¬
dem die Komikerkraft für diese Rolle fehlt, den Fliederbusch
danten“ verfügen, der ihnen gar kein Mandat verliehen hat,
nicht als frommen Fridolin spielen lassen, der sich fortwährend
könnte zuhöchst in der satirischen Groteske gestattet sein.
entschuldigt, daß er auf der Welt ist, statt das vorgeschriebene
Schnitzler aber fehlte Mut oder Laune sowohl zur Satire wie
„freche Biest“ zu sein. Die Übrigen nahmen sich ihrer kleinen
zur Groteske, mangelten Sachkenntnis, Liebe und Haß zu.
Rollen mit Ernst und Hochachtung an und brachten die wenigen!
—
Amtratitel. d G#
Pointen, die ihnen anver
Kunst heraus. Wirkliche
ihnen der Autor schwer g
lich ganz verboten.
Wir haben uns im
in einer modernen Kom
Wir nehmen alles reumüt
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