röfen von der Woche.
Von Woche zu Woche.
Die Woche hat uns ein Journalistenstück beschert. Als
Autor stand auf dem Zettel unser Arthur Schnitzler. Man
durfte also wohl annehmen, daß er etwpas zu sagen habe, sich
etwas vom Herzen schreiben, sich mit einem Faktor der modernen
Gesellschaft und dessen Menschen auseinandersetzen wollte.
Die Zeitungsleute sind immer aktuell. Jedes Ereignis setzt
das Wesen der Zeitung und die Eigenart derer, die sie schreiben,
von neuem auf die Tagesordnung. Da die große Masse das
Geschehen der Zeit, das Stück Leben, das sic mitlebt, zum
größten Teile nur durch das Temperament der Zeitungsleute
sieht, ist der Charakter der Zeit und der ihrer Tageschronisten
untrennbar miteinander verbunden. Aber es ergibt sich das
Merkwürdige, daß das Wesen der Zeitung, das Leben, Denken
und Fühlen derer, die sie machen, der Masse, die sich immer
dafür interessiert, ein mit noch weit mehr Siegeln verschlossenes
Buch ist, als das der Theaterwelt. Täglich sprechen die
Zeitungsleute zu ihrem Publikum, täglich hört sie dieses, stimm,
ihnen zu oder ärgert sich über sie, setzt sich also täglich mit ihnen
auseinander und kennt sie nicht. Vielleicht kommt das zum
Teil daher, daß die Individualität des Zeitungsschreibers,
die nicht nur sein höchstes Gut, sondern auch sein höchster
Ehrgeiz ist, zumeist von der Individualität der Zeitung, in
der sie sich geltend zu machen hat, in den Schatten gestellt wird.
Die schwierige Aufgabe des Journalisten, die ihm zuweilen
zum Konflikt wird, ist eben das Geltendmachen seiner Eigen¬
art im Rahmen einer größeren und weiteren Eigenart, von der
er im besten Falle nur ein Teil sein kann. Die Menschen, denen
es vergönnt ist, ihren Lebensunterholt in restloser Wahrung
und Betätigung ihrer Empfindungen und Überzeugungen zu
erwerben, sind seltene Auserwählte. Nicht nur der Schau¬
spieler und der Künstler, auch der Advokat und sein Gegen¬
part der Staatsanwalt, ja die Mehrzahl aller Beamten muß
sehr oft berufsmäßig in eine fremde Haut schlüpfen und gleich¬
sam mit einem fremden Hirn denken, mit einem fremden Herzen!
empfinden. Unter diesen ist der Journalist bei einem an¬
ständigen Blatt verhältnismäßig noch weitaus der Freieste
und zu einer Verleugnung seiner Überzeugung nur in den aller¬
seltensten Fällen gezwungen. Diese Fälle sind aber dann tra¬
gisch und nicht komisch und werden auch durchaus schmerzlich
und nicht lustig empfunden. Wobei man freilich zwischen An¬
sichten oder Auffassung irgend eines bestimmten Falles und
wirklichen Überzeugungen einigermaßen unterscheiden muß.
Unter den mancherlei Möglichkeiten die Zeitung und ihre
Leute ernst oder heiter zu nehmen, die Tragik ihres Lebens
und ihrer Arbeit zu schildern oder sich drüber lustig zu machen,
wie sie schweißtriefend mit ihrem Spiegel der Weltgeschichte
nachlaufen müssen, hat sich Schnitzler leider für keine ent¬
schieden und kein Journalistenstück geschrieben, obgleich sein
Einfall ein solches von ihm verlangte. Das ist schade. Denn
die Journalisten von heute hätten sich ganz gerne einmal
selber in einem Spiegel gesehen, den ihnen ein Künstler vor¬
halten würdes Es hätte nichts ausgemacht, wenn es ein rich¬
tiger Zerrspiegel gewesen wäre. Nur kein blinder durfte es
sein. So aber sind sie und das Publikum um die Sensation 1 2
Spemidte TTV.
S
betrogen worden
Tragikomödie der Überzeugungskämpfe
hätte es werden
n und ist nichts geworden als eine
freundlich witzelt ronisierung der Überzeugungslosigkeit
bei Zeitungsleuß####Peltikern. Kein Zweifel, daß es
überzeugungslose Schreiber und Redner gibt, aber der Ver¬
such, das Wesen und das Milieu der Politik und der Zeitung
als den Nährbosen der Überzeugungslosigkeit hinzustellen,
muß mit Nach##'s völlig verfehlt zurückgewiesen werden.
So wenig man die ehrlichen Dichter für die Unanständigkeiten
der Stückefabrikanten verantwortlich machen kann, so wenig
darf man einen weit weniger erträgnisreichen Beruf, zu dem
wahrhaftig kein anderer Weg als der der Begeisterung zum
täglichen Einstehen für seine überzeugung führt, seine
Marodeure entgelten lassen. Es gibt überall Leute, die ihra
Überzeugung für einen augenblicklichen Erfolg verkaufen. Aber
sie werden von ihren Berufsgenossen weder geliebt noch ge¬
achtet und man duldet nicht, daß sie sich als die Repräsentanten
ihres Standes aufspielen oder als solche genommen werden.!
Judex.
— — —
Wicner Mentagblatt
KEA0U 1377
österr. Finanz-Ro“
Wien
Theater.
Deutsches Volkstheater. „Fink und Fliederbusch“
von Arthur Schnitzler. Schnitzlers dichterische Kraft
liegt in der Erotik. Keiner wie er verstand es, die
Liebesbeziehungen des modernen Geschlechtes so tief
zu fassen und so fein zu gestalten wie er. Und nun
kommt er mit einem reinen Männerstück, einer Komödie,
in der nur eine einzige Frauenrolle und auch die nur
aus dekorativem Grunde vorkommt. Trotzdem ist das
neue Werk interessant und das allein ist ein Beweis
dichterischer Kraft. Wenn die Presse die Komödie un¬
freundlich aufnahm, so liegt es wohl an der realistischen“
Behandlung, die der Dichter darin dem Journalismus
angedeihen läßt. Man sieht daraus, daß selbst ein
berühmter Autor es nicht wagen darf, über die Presse
objektiv zu urteilen. Die Darstellung ist fast durchwegs
gut. Am besten der opportunistische Chefredakteur des
Herrn Götz, der deklassierte Aristokrat des Herrn Thaller,
und Herr Edthofer in der Titelrolle des talentvollen
aber gesinnungslosen Zeitungsschreibers.
G.
Von Woche zu Woche.
Die Woche hat uns ein Journalistenstück beschert. Als
Autor stand auf dem Zettel unser Arthur Schnitzler. Man
durfte also wohl annehmen, daß er etwpas zu sagen habe, sich
etwas vom Herzen schreiben, sich mit einem Faktor der modernen
Gesellschaft und dessen Menschen auseinandersetzen wollte.
Die Zeitungsleute sind immer aktuell. Jedes Ereignis setzt
das Wesen der Zeitung und die Eigenart derer, die sie schreiben,
von neuem auf die Tagesordnung. Da die große Masse das
Geschehen der Zeit, das Stück Leben, das sic mitlebt, zum
größten Teile nur durch das Temperament der Zeitungsleute
sieht, ist der Charakter der Zeit und der ihrer Tageschronisten
untrennbar miteinander verbunden. Aber es ergibt sich das
Merkwürdige, daß das Wesen der Zeitung, das Leben, Denken
und Fühlen derer, die sie machen, der Masse, die sich immer
dafür interessiert, ein mit noch weit mehr Siegeln verschlossenes
Buch ist, als das der Theaterwelt. Täglich sprechen die
Zeitungsleute zu ihrem Publikum, täglich hört sie dieses, stimm,
ihnen zu oder ärgert sich über sie, setzt sich also täglich mit ihnen
auseinander und kennt sie nicht. Vielleicht kommt das zum
Teil daher, daß die Individualität des Zeitungsschreibers,
die nicht nur sein höchstes Gut, sondern auch sein höchster
Ehrgeiz ist, zumeist von der Individualität der Zeitung, in
der sie sich geltend zu machen hat, in den Schatten gestellt wird.
Die schwierige Aufgabe des Journalisten, die ihm zuweilen
zum Konflikt wird, ist eben das Geltendmachen seiner Eigen¬
art im Rahmen einer größeren und weiteren Eigenart, von der
er im besten Falle nur ein Teil sein kann. Die Menschen, denen
es vergönnt ist, ihren Lebensunterholt in restloser Wahrung
und Betätigung ihrer Empfindungen und Überzeugungen zu
erwerben, sind seltene Auserwählte. Nicht nur der Schau¬
spieler und der Künstler, auch der Advokat und sein Gegen¬
part der Staatsanwalt, ja die Mehrzahl aller Beamten muß
sehr oft berufsmäßig in eine fremde Haut schlüpfen und gleich¬
sam mit einem fremden Hirn denken, mit einem fremden Herzen!
empfinden. Unter diesen ist der Journalist bei einem an¬
ständigen Blatt verhältnismäßig noch weitaus der Freieste
und zu einer Verleugnung seiner Überzeugung nur in den aller¬
seltensten Fällen gezwungen. Diese Fälle sind aber dann tra¬
gisch und nicht komisch und werden auch durchaus schmerzlich
und nicht lustig empfunden. Wobei man freilich zwischen An¬
sichten oder Auffassung irgend eines bestimmten Falles und
wirklichen Überzeugungen einigermaßen unterscheiden muß.
Unter den mancherlei Möglichkeiten die Zeitung und ihre
Leute ernst oder heiter zu nehmen, die Tragik ihres Lebens
und ihrer Arbeit zu schildern oder sich drüber lustig zu machen,
wie sie schweißtriefend mit ihrem Spiegel der Weltgeschichte
nachlaufen müssen, hat sich Schnitzler leider für keine ent¬
schieden und kein Journalistenstück geschrieben, obgleich sein
Einfall ein solches von ihm verlangte. Das ist schade. Denn
die Journalisten von heute hätten sich ganz gerne einmal
selber in einem Spiegel gesehen, den ihnen ein Künstler vor¬
halten würdes Es hätte nichts ausgemacht, wenn es ein rich¬
tiger Zerrspiegel gewesen wäre. Nur kein blinder durfte es
sein. So aber sind sie und das Publikum um die Sensation 1 2
Spemidte TTV.
S
betrogen worden
Tragikomödie der Überzeugungskämpfe
hätte es werden
n und ist nichts geworden als eine
freundlich witzelt ronisierung der Überzeugungslosigkeit
bei Zeitungsleuß####Peltikern. Kein Zweifel, daß es
überzeugungslose Schreiber und Redner gibt, aber der Ver¬
such, das Wesen und das Milieu der Politik und der Zeitung
als den Nährbosen der Überzeugungslosigkeit hinzustellen,
muß mit Nach##'s völlig verfehlt zurückgewiesen werden.
So wenig man die ehrlichen Dichter für die Unanständigkeiten
der Stückefabrikanten verantwortlich machen kann, so wenig
darf man einen weit weniger erträgnisreichen Beruf, zu dem
wahrhaftig kein anderer Weg als der der Begeisterung zum
täglichen Einstehen für seine überzeugung führt, seine
Marodeure entgelten lassen. Es gibt überall Leute, die ihra
Überzeugung für einen augenblicklichen Erfolg verkaufen. Aber
sie werden von ihren Berufsgenossen weder geliebt noch ge¬
achtet und man duldet nicht, daß sie sich als die Repräsentanten
ihres Standes aufspielen oder als solche genommen werden.!
Judex.
— — —
Wicner Mentagblatt
KEA0U 1377
österr. Finanz-Ro“
Wien
Theater.
Deutsches Volkstheater. „Fink und Fliederbusch“
von Arthur Schnitzler. Schnitzlers dichterische Kraft
liegt in der Erotik. Keiner wie er verstand es, die
Liebesbeziehungen des modernen Geschlechtes so tief
zu fassen und so fein zu gestalten wie er. Und nun
kommt er mit einem reinen Männerstück, einer Komödie,
in der nur eine einzige Frauenrolle und auch die nur
aus dekorativem Grunde vorkommt. Trotzdem ist das
neue Werk interessant und das allein ist ein Beweis
dichterischer Kraft. Wenn die Presse die Komödie un¬
freundlich aufnahm, so liegt es wohl an der realistischen“
Behandlung, die der Dichter darin dem Journalismus
angedeihen läßt. Man sieht daraus, daß selbst ein
berühmter Autor es nicht wagen darf, über die Presse
objektiv zu urteilen. Die Darstellung ist fast durchwegs
gut. Am besten der opportunistische Chefredakteur des
Herrn Götz, der deklassierte Aristokrat des Herrn Thaller,
und Herr Edthofer in der Titelrolle des talentvollen
aber gesinnungslosen Zeitungsschreibers.
G.