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27. Einkund Frjederbusen
Jureer AoI.
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denen freilich einige ganz kostbare und gewissen Ur¬
bildern zum Schreien ähnliche Masken tragen. (Vor
allem, neben den Typen des entgleisten, sein „Mate¬
rial“ journalistisch nützenden Axistokraten, des müde
gewordenen Kritikers des dröhnenden „Unentweg¬
ten“, für den die Gesinnung nur ein Steckenpferd be¬
deutet, und des oppornunistisch patriarchalischen Chef¬
redakteurs, die des Kajetan, des übergeschäftigen,
überall anwesenden, alle Welt kennenden, eilig sich
abzappelnden König Harlekin des Journalismus, der
in seiner Aktentasche Gedichte, Notizen über eigene
Stucke, Nekrologe im Vorrat, schweifwedelnde Entre¬
filets über aristokratische Veranstaltungen, zu denen
er die Festspiele schreibt und auch sonst alles, was es
gibt und noch etwas mehr hat.) Unwirklich die eigent¬
liche Handlung, in der Herr Fink=Fliederbusch durch
die „sportlich=ritterlichen“ Redakteure der „Eleganten
Welt“ gezwungen wird, seinen Widersacher also sich
selber, zum Duell zu fordern und die dieses Duell, das
schließlich auch nur ein Symbol für die seelische Dis¬
position des „Helden“ ist. bis zu seinem fast possen¬
haften Ende führt: die Chefredakteuxe überlizitieren
sich, um die freche Begabung des jungen Mannes an
sich zu fesseln, der schließlich doch keinem von beiden
Wien, 1., Concordlapten.
folgt, sondern seinem „Gegenspieler“, dem sehr welt¬
klugen, sehr frivolen, ganz leidenschaftlosen zeitung¬
20 L(4.
gründenden Abgeordneten Graf Niederhof, der in
einer Szene, wie sie so durchgeistigt, überlegen, mit
erligen Börsen Courier „Borhn
unvergleichlicher Grazie und Ruhe ins Wesentliche der
Dinge greifend, heute kaum ein anderer als Schnitz¬
Morgenausgabe
ler schreiben kann, all die vermeintlichen Wichtigkei¬
ten dieser kleinen Welt ihres Scheins entkleidet. Die
Begriffe von Ueberzeugung und Gesinnung all ihres
Unwahren oder ihres Zufälligen, aus Erziehung,
Schniklers „Fink und Fliederbusch'.
Milieu oder Vererbung verständlichen, aber eben des¬
Uräüfführung im Wiener Deutschen
halb nicht diese großen Namen rechtfertigenden be¬
Volkstheater.
raubt und an ihre Stelle nur die Veranlagung setzt,
Von Zeit zu Zeit scheint es Arthur Schnitzler
die zu der Entscheidung zwingt, ob man Sportsman
zu gelüsten, zum Puppenspieler zu werden. Er ist
oder Monomane sein will — ein drittes gibt es nicht.
des trockenen Tons der Wirklichkeit satt und löst sie
Was gewiß nichts schlechteres, nur etwas wesentlich
in Geistigkeit und Spiel auf. Die Realitäten des All¬
anderes bedeutet. Und sicherlich wird ein Sportsman
tags sind ihm gleichgültig geworden; er will das We¬
wie der Graf, dem es nur an der jeweiligen Höchst¬
senhafte des menschlichen Treibens in höherem Sinne
leistung, aber nicht an ihren Motiven liegt, einen
zeigen und sublimiert es zu komödienhafter Mario¬
Fliederbusch, der bis zuletzt ihm gegenüber an der
nettenleichtigkeit. Im „Einsamen Weg“ hat er ein¬
Fiktion des Duells und an der Pose dessen festhält,
mal gesagt: „Wenn Sie im Mittelpunkt der Erde
der bereit ist, für seine „Ueberzeugung“ gegebenen¬
wohnten, wüßten Sie, daß alle Dinge gleich schwer
falls zu sterben, nicht die Tür weisen, sondern ihn als
sind—.
Und schwebten Sie im Mittelpunkt der
wertvollen Mitarbeiter für die Zwecke seiner reak¬
Welt, dann ahnten Sie, daß alle Dinge gleich wichtig
tionären Partei benützen. Freilich scheidet man von
sind.“ Heute würde er vielleicht sagen: „... daß alle
all den wunderlich geistreichen Szenen, eren glanz¬
Dinge gleich leicht sind und gleich unwichtig sind.“ voll sprühender, funkelnder Dialog auf Schnitzlers
Was, nebenbei gesagt, auch nur eine Art sein mag,
voller Höhe steht und bei dem man immer sofort das
vor dieser Zeiten Schwere und Wichtigkeit und nicht Gefühl hat in bester geistiger Gesellschaft zu sein, mit
zuletzt vor sich selber und den eigenen feelischen Be=einem Gefühl das irgendwie unbestimmt und ohne
drängnissen die Flucht ins Reich des Scheins zu er= Endgültigkeit ist. Man könnte vom Autor des Stücks
greifen. Für den Dichter, dem jeder Anlaß gleich
ungefähr sagen, was er zu seinem Helden sagen läßt:
wertvoll wird, um zur Gestaltung und zum Aus¬
„Wissen Sie, was Sie haben? Sie haben ad absur¬
sprechen seiner inneren Welt zu reizen, mag das
dum geführt. Ich weiß zwar nicht was, aber Sie
immerhin ein Vorteil sein. Für den Leser und
haben.“ Worauf er freilich mit demselben Helden
Hörer ist es nicht immer einer.
antworten könnte: „O, Sie Pedant! Muß denn alles
Jedenfalls bexührt es seltsam, wie wenig schwer
erledigt werden? — Kann irgend etwas erledigt
und wichtig Arthur Schnitzler auch in seiner neuen
werden?. Bin ich auf die Welt gekommen, um
Komödie „Fink und Fliederbusch“ seine Menschen, etwas zu erledigen? Dazu sind andere da!“ Es
ihre Probleme, ja das Leben überhaupt nimmt. Es wird aber nicht wahr sein. Gerade der Dichter ist
ist alles wie von einem anderen Planeten aus ge¬
dazu da. Das Leben nicht.
sehen mit einer still lächelnden, ein wenig anteillosen
Merkwürdig übrigens, wie wenig sich das Publi¬
Weisheit, die hier etwas sehr Kühles, Feines und bei¬
kum für die internen Angelegenheiten des Zeitungs¬
nahe Herzloses hat; vielleicht gerade durch den Reiz,
wesens interessiert; auch hier haben viel weniger die
der darin liegt, all die allzumenschlichen Widersprüche zuständlichen Schilderungen, als die blitzenden Spie¬
zu einer höheren Einheit verbunden zu sehen nur gelfachtereien dieser köstlichen Schnitzlerschen Diolog¬
mehr die Essenz der Wirklichkeit statt ihrer selbst zu
kunst gefesselt. Vielleicht aber nur, weil doch noch
empfangen. Den Anlaß zu seinem Lustspiel war ihm
niemand den Versuch gemacht hat, einmal zu zeigen,
ein Vorfall, der sich in Paris und auch in Wien er¬
wie viel ernste Arbeit, Gewissenhaftigkeit, Kenntnis,
eignet haben soll: daß ein Zeitungsschreiber in zwei Selbstverleugnung und geistige Kraft verbraucht
Blättern von sehr entgegengesetzter politischer Rich= wird, bis so eine Zeitungsnummer zustande kommt,
tung während langer Zeit unter verschiedenen Na=die dann behaglich und unter Invektiven beim Früh¬
men Artikel schrieb, in denen er gegen sich selbst und stück gelesen wird. Schnitzler jedenfalls hat hier eine #
gegen die da und dort vertretenen Ueberzeugungen sonderbare Fremdheit dem Leitungsmilieu gegenüber
27. Einkund Frjederbusen
Jureer AoI.
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denen freilich einige ganz kostbare und gewissen Ur¬
bildern zum Schreien ähnliche Masken tragen. (Vor
allem, neben den Typen des entgleisten, sein „Mate¬
rial“ journalistisch nützenden Axistokraten, des müde
gewordenen Kritikers des dröhnenden „Unentweg¬
ten“, für den die Gesinnung nur ein Steckenpferd be¬
deutet, und des oppornunistisch patriarchalischen Chef¬
redakteurs, die des Kajetan, des übergeschäftigen,
überall anwesenden, alle Welt kennenden, eilig sich
abzappelnden König Harlekin des Journalismus, der
in seiner Aktentasche Gedichte, Notizen über eigene
Stucke, Nekrologe im Vorrat, schweifwedelnde Entre¬
filets über aristokratische Veranstaltungen, zu denen
er die Festspiele schreibt und auch sonst alles, was es
gibt und noch etwas mehr hat.) Unwirklich die eigent¬
liche Handlung, in der Herr Fink=Fliederbusch durch
die „sportlich=ritterlichen“ Redakteure der „Eleganten
Welt“ gezwungen wird, seinen Widersacher also sich
selber, zum Duell zu fordern und die dieses Duell, das
schließlich auch nur ein Symbol für die seelische Dis¬
position des „Helden“ ist. bis zu seinem fast possen¬
haften Ende führt: die Chefredakteuxe überlizitieren
sich, um die freche Begabung des jungen Mannes an
sich zu fesseln, der schließlich doch keinem von beiden
Wien, 1., Concordlapten.
folgt, sondern seinem „Gegenspieler“, dem sehr welt¬
klugen, sehr frivolen, ganz leidenschaftlosen zeitung¬
20 L(4.
gründenden Abgeordneten Graf Niederhof, der in
einer Szene, wie sie so durchgeistigt, überlegen, mit
erligen Börsen Courier „Borhn
unvergleichlicher Grazie und Ruhe ins Wesentliche der
Dinge greifend, heute kaum ein anderer als Schnitz¬
Morgenausgabe
ler schreiben kann, all die vermeintlichen Wichtigkei¬
ten dieser kleinen Welt ihres Scheins entkleidet. Die
Begriffe von Ueberzeugung und Gesinnung all ihres
Unwahren oder ihres Zufälligen, aus Erziehung,
Schniklers „Fink und Fliederbusch'.
Milieu oder Vererbung verständlichen, aber eben des¬
Uräüfführung im Wiener Deutschen
halb nicht diese großen Namen rechtfertigenden be¬
Volkstheater.
raubt und an ihre Stelle nur die Veranlagung setzt,
Von Zeit zu Zeit scheint es Arthur Schnitzler
die zu der Entscheidung zwingt, ob man Sportsman
zu gelüsten, zum Puppenspieler zu werden. Er ist
oder Monomane sein will — ein drittes gibt es nicht.
des trockenen Tons der Wirklichkeit satt und löst sie
Was gewiß nichts schlechteres, nur etwas wesentlich
in Geistigkeit und Spiel auf. Die Realitäten des All¬
anderes bedeutet. Und sicherlich wird ein Sportsman
tags sind ihm gleichgültig geworden; er will das We¬
wie der Graf, dem es nur an der jeweiligen Höchst¬
senhafte des menschlichen Treibens in höherem Sinne
leistung, aber nicht an ihren Motiven liegt, einen
zeigen und sublimiert es zu komödienhafter Mario¬
Fliederbusch, der bis zuletzt ihm gegenüber an der
nettenleichtigkeit. Im „Einsamen Weg“ hat er ein¬
Fiktion des Duells und an der Pose dessen festhält,
mal gesagt: „Wenn Sie im Mittelpunkt der Erde
der bereit ist, für seine „Ueberzeugung“ gegebenen¬
wohnten, wüßten Sie, daß alle Dinge gleich schwer
falls zu sterben, nicht die Tür weisen, sondern ihn als
sind—.
Und schwebten Sie im Mittelpunkt der
wertvollen Mitarbeiter für die Zwecke seiner reak¬
Welt, dann ahnten Sie, daß alle Dinge gleich wichtig
tionären Partei benützen. Freilich scheidet man von
sind.“ Heute würde er vielleicht sagen: „... daß alle
all den wunderlich geistreichen Szenen, eren glanz¬
Dinge gleich leicht sind und gleich unwichtig sind.“ voll sprühender, funkelnder Dialog auf Schnitzlers
Was, nebenbei gesagt, auch nur eine Art sein mag,
voller Höhe steht und bei dem man immer sofort das
vor dieser Zeiten Schwere und Wichtigkeit und nicht Gefühl hat in bester geistiger Gesellschaft zu sein, mit
zuletzt vor sich selber und den eigenen feelischen Be=einem Gefühl das irgendwie unbestimmt und ohne
drängnissen die Flucht ins Reich des Scheins zu er= Endgültigkeit ist. Man könnte vom Autor des Stücks
greifen. Für den Dichter, dem jeder Anlaß gleich
ungefähr sagen, was er zu seinem Helden sagen läßt:
wertvoll wird, um zur Gestaltung und zum Aus¬
„Wissen Sie, was Sie haben? Sie haben ad absur¬
sprechen seiner inneren Welt zu reizen, mag das
dum geführt. Ich weiß zwar nicht was, aber Sie
immerhin ein Vorteil sein. Für den Leser und
haben.“ Worauf er freilich mit demselben Helden
Hörer ist es nicht immer einer.
antworten könnte: „O, Sie Pedant! Muß denn alles
Jedenfalls bexührt es seltsam, wie wenig schwer
erledigt werden? — Kann irgend etwas erledigt
und wichtig Arthur Schnitzler auch in seiner neuen
werden?. Bin ich auf die Welt gekommen, um
Komödie „Fink und Fliederbusch“ seine Menschen, etwas zu erledigen? Dazu sind andere da!“ Es
ihre Probleme, ja das Leben überhaupt nimmt. Es wird aber nicht wahr sein. Gerade der Dichter ist
ist alles wie von einem anderen Planeten aus ge¬
dazu da. Das Leben nicht.
sehen mit einer still lächelnden, ein wenig anteillosen
Merkwürdig übrigens, wie wenig sich das Publi¬
Weisheit, die hier etwas sehr Kühles, Feines und bei¬
kum für die internen Angelegenheiten des Zeitungs¬
nahe Herzloses hat; vielleicht gerade durch den Reiz,
wesens interessiert; auch hier haben viel weniger die
der darin liegt, all die allzumenschlichen Widersprüche zuständlichen Schilderungen, als die blitzenden Spie¬
zu einer höheren Einheit verbunden zu sehen nur gelfachtereien dieser köstlichen Schnitzlerschen Diolog¬
mehr die Essenz der Wirklichkeit statt ihrer selbst zu
kunst gefesselt. Vielleicht aber nur, weil doch noch
empfangen. Den Anlaß zu seinem Lustspiel war ihm
niemand den Versuch gemacht hat, einmal zu zeigen,
ein Vorfall, der sich in Paris und auch in Wien er¬
wie viel ernste Arbeit, Gewissenhaftigkeit, Kenntnis,
eignet haben soll: daß ein Zeitungsschreiber in zwei Selbstverleugnung und geistige Kraft verbraucht
Blättern von sehr entgegengesetzter politischer Rich= wird, bis so eine Zeitungsnummer zustande kommt,
tung während langer Zeit unter verschiedenen Na=die dann behaglich und unter Invektiven beim Früh¬
men Artikel schrieb, in denen er gegen sich selbst und stück gelesen wird. Schnitzler jedenfalls hat hier eine #
gegen die da und dort vertretenen Ueberzeugungen sonderbare Fremdheit dem Leitungsmilieu gegenüber