27 Eink-und Friederbusch
24900 1917
Hamburger Correspondent
Hamburg Win 20. Nobember.“
Also Arthur Schnitzler ist dem Burgtheater untreu
geworden (wobei gleich bemer##en soll, daß es nicht seine
Schuld ist) und hat sein neuestes Werk, die dreiaktige Komödie
ink und Fliederbusch“ dem Deutschen Volkstheater zur
Uzaufführung überlassen. Das neue Stück ist einige Jahre alt,
der Dichter hatte es schon vor Kriegsbeginn fertiggestellt, aber
mit der Aufführungsbewilligung immer wieder gezögert. Man
erfuhr damals von dieser Journalisten=Komödie nur aus den
Grunde, weil Tristan Bernard den gleichen Stoff wie Schnitzle
in einer Komödie (die im Theater in der Josefstadt aufgeführ
wurde) behandelt hatte und Schnitzler darauf Wert gelegt hatte
festgestellt zu wissen, daß sein Werk vor Tristan Bernard¬
Komödie geschrieben worden war. Nun hat man das Werk gesehen
und eine allgemeine Enttäuschung läßt sich nicht leugnen. Ein
gute, bühnenwirksame Journalisten=Komödie täte der deutschen
Bühnenliteratur sicherlich not, Freytags „Journalisten“ sind doc
scheinbar wenigstens — einigermaßen veraltet. Von Arthu
Schnitzler hätte man erwarten dürfen, daß er so eine modern
Journalisten=Komödie fertig bringen werde. Wir haben un
leider überzeugt, daß diese Annahme irrig war, daß wir der
Dichter der Anatolszenen jedenfalls mehr zugetraut haben alse
zu schaffen imstande ist. „Fink und Fliederbusch“ ist ein Milieu
stück wie hundert andere geworden. Es hat sich gezeigt, da
Schnitzler, dem man eine weit genauere Kenntnis des Journa
listenmilieus zugemutet hätte, diesem Milien beinahe frem
gegenübersteht. Man hätte auch erwarten dürfen, daß Schnitzle
einem Milieu, dem er sich schließlich ja auch einigermaßen yer
wandt fühlen darf, mehr Objektivität entgegenbringen werde
Er hat sich aber sehr einseitig gezeigt, hat nur Schwächen de
Journalismus und keine Vorzüge ins heikle Rampenlich
gestellt und dem Publikum damit falsche Tatsachen vorgegaukelt
Und das ist um so verwerflicher, weil ein jedes Theaterpublikun
zu einem Arthur Schnitzler ein blindes Vertrauen besitzt
Schnitzler zeigt in dieser Journalisten=Komödie nur eine Sort
von Menschen und zwar nur solche, die man kurzweg mit den
Namen Gesinnungslumpen belegt. Gewiß, ein jeder Beruf un
Stand hat seine Aasgeier, aber es wäre sehr traurig um der
journalistischen Beruf bestellt, wenn er nur solche korrupte Seeler
besäße, wie sie Schnitzler hier in Bewegung setzt. Es ist einfach
auffallend, daß Schnitzler in dieser Komödie nicht einen einziger
anständigen Journalisten auftreten läßt. Beinahe wäre mar
versucht, dies für eine Bosheit zu halten . .. Und man ließe sich
das alles vielleicht noch gefallen, wenn das Stück dichterisch wert¬
voll ausgefallen wäre, wenn es ein Niveau hätte, das einen
Arthur Schnitzler von anno dazumal entspräche. Aber so, nichts
von alledem. Ein billiges Theaterstück ist es geworden, eines, das
nur darauf ausgeht, das Publikum zu amüsieren, freilich auf die
Gefahr hin, den breiten Massen einen Stand lächerlich zu
machen, der gewiß ein solches billiges Ausspielen nicht verdient.
Alles, was an erstklassigen Darstellern im Ensemble steht, war¬
aufgeboten worden, und die einzige Damenrolle —übrigens vom¬
Autor recht stiefmütterlich bedacht — wurde von Frl==Wald##
kreiert. Die beste Leistung des Abends bot neben Kramer und
Edthofer der neue Karl Forest aus Berlin als zappliger Re¬
porter, der auch Theaterstücke schreibt. Seinetwegen ist das neue
Schnitzlerstück sehens= bezw. hörenswert.
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Wiener Bilder“
Wiener Theaterbilder.
Deutsches Volkstheater. Diesmal vot uns Arthur
— Journalistenstück ohne Liebesbeiwerk:
„Fink und Fliederbusch“. Zwei Redaktionen
werden vorgeführt, natürlich verschiedener Richtung.
Gemeinsam ist beiden bewußt die — Ueberzeugungs¬
losigkeit und unbewußt ein Mitarbeiter. Hier schreibt
er unter dem Namen Fink, dort kennt man ihn. als
Fliederbusch. Er polemisiert mit sich selbst derart scharf,
daß er sich selbst sogar fordert. Dabei wird die
Identität festgestellt und beide Chefredakteure führen
um dieses journalistische Chamäleon eine söcnliche
Lizitation. Ist es wirklich die Ueberzeugung Schnitzlers,
daß es nur solche überzeugungslose Redaktionen im
Orte der Handlung Wien gibt, wie er sie zeichnet?
Diese Frage läßt der Dichter zum Nachteile des Ganzen
offen und es bleibt nur die mäßige Pikanterie, daß er
auf gewisse Verhältnisse anspielt. Die Eingeweihten mögen 1
sich dabet unterhalten haben, Aiem mit vem wedanten:
Es gilt ja dem anderen; das Publikum aber hatte
anderes erwartet.
Dem strebsamen Journalisten¬
jüngling lieh Herr Edthofer seine stets gewinnende
Liebenswürdigkeit, ohne tiefere Bedeutung. Der Humor
des Herrn Forest machte den Kajetan zum beleben¬
den Element der Aufführung. Herr Thaller gestaltete
mit Meisterschaft einen verkrachten Adeligen, der als
Styx Journalistik betreibt. Die Herren Kramer, Wötz,
Klitsch, Millmann, Fürth boten gute Typen. Nach dem
zweiten Akte konnte der Dichter wiederholt, für den
Beifall danken. Es war ein Achtungsersolg, bereitet
von der Schnitzler=Gemeinde.
2 l69n
Leipziger Tagblatt,
Leipzig
Schuifler-Uraustn.
i Wien. Aus Wien wird uns geschriebent
Arthur Schnitzler
istab Freylag eine späte Ehrung erwiese#
er shak mit seinem Luf
Fink und Fliederbusch, das man
im Deutschen Vo
heater sah, dem seligen Freytag den
Rang überlassen, nach ## vor das beste Journalistenstück geschrieben zu
haben. Dieser neueste Schnihzler blieb, mochke auch eine unenkwegte
Gemeinde ihren Meister wider besseres Gewissen schrankenlos feiern,
eine arge Entläuschung. Ein Thema, das nach dem Narrenkosküm der
Groteske schreit, ist in den hochsommerlichen Tennisanzug der Posse ge¬
steckt. Der Fluß der Handlung ist mit großartigem Tiessinn beschwerk,
jede der witzigen und frechen Wendungen des Dialogs hat eine psycho¬
logische Fermale aufgesetzt. Man wird bei dieser unlebendigen Nach¬
denklichkeit nirgendwo recht stoh. Ein Journalist schreibt mit zwei
Federn nach rechts und nach links, er bekämpfk, beschimpft sich selbst
und muß sich schließlich selber sordern. Er kommt auch zum vereinbarken
Duell, zwanzig Schrikt Distanz. Aber er kommt zu spät. Das Stück ist
bis dahin bereiks so verfahren, daß auch diese entzückend freche Sikualion —
nicht mehr gerettek werden kann. Fink-Fliederbusch, der als „Held und
Gesallener“ vom Kampfplatz geht, ist bereits vorher als ein Opfer Schnitz.
lerscher Bedeutsamkeit auf dem Felde der literarischen Manier gefallen.
Tristan Vernard hat — Schnitzlers Gleichzeiligkeit des Einfalls ist
eiwiesen — dasselbe Stück als harmlosen Schwank geschrieben. Der
Wiener Dichter fühlte sich zur Pyilosophie verpflichtet. Sie hat den
Einfall erschlagen. In der Hauptrolle der sorgfältig vorbereiteten Vor¬
stellung versagte der sonst so feine Herr Edlhofer. Ausgezeichnet
gerieten Episoden; unter d## wieder am besten die eines Chefredak¬
teurs durch Jaro Fürkh,
eines Deklassierten durch Theller.
Dieses Stück, ohne Leidens## geschrieben, zog ohne Leidenschaft
vorüber
Pr.
W
24900 1917
Hamburger Correspondent
Hamburg Win 20. Nobember.“
Also Arthur Schnitzler ist dem Burgtheater untreu
geworden (wobei gleich bemer##en soll, daß es nicht seine
Schuld ist) und hat sein neuestes Werk, die dreiaktige Komödie
ink und Fliederbusch“ dem Deutschen Volkstheater zur
Uzaufführung überlassen. Das neue Stück ist einige Jahre alt,
der Dichter hatte es schon vor Kriegsbeginn fertiggestellt, aber
mit der Aufführungsbewilligung immer wieder gezögert. Man
erfuhr damals von dieser Journalisten=Komödie nur aus den
Grunde, weil Tristan Bernard den gleichen Stoff wie Schnitzle
in einer Komödie (die im Theater in der Josefstadt aufgeführ
wurde) behandelt hatte und Schnitzler darauf Wert gelegt hatte
festgestellt zu wissen, daß sein Werk vor Tristan Bernard¬
Komödie geschrieben worden war. Nun hat man das Werk gesehen
und eine allgemeine Enttäuschung läßt sich nicht leugnen. Ein
gute, bühnenwirksame Journalisten=Komödie täte der deutschen
Bühnenliteratur sicherlich not, Freytags „Journalisten“ sind doc
scheinbar wenigstens — einigermaßen veraltet. Von Arthu
Schnitzler hätte man erwarten dürfen, daß er so eine modern
Journalisten=Komödie fertig bringen werde. Wir haben un
leider überzeugt, daß diese Annahme irrig war, daß wir der
Dichter der Anatolszenen jedenfalls mehr zugetraut haben alse
zu schaffen imstande ist. „Fink und Fliederbusch“ ist ein Milieu
stück wie hundert andere geworden. Es hat sich gezeigt, da
Schnitzler, dem man eine weit genauere Kenntnis des Journa
listenmilieus zugemutet hätte, diesem Milien beinahe frem
gegenübersteht. Man hätte auch erwarten dürfen, daß Schnitzle
einem Milieu, dem er sich schließlich ja auch einigermaßen yer
wandt fühlen darf, mehr Objektivität entgegenbringen werde
Er hat sich aber sehr einseitig gezeigt, hat nur Schwächen de
Journalismus und keine Vorzüge ins heikle Rampenlich
gestellt und dem Publikum damit falsche Tatsachen vorgegaukelt
Und das ist um so verwerflicher, weil ein jedes Theaterpublikun
zu einem Arthur Schnitzler ein blindes Vertrauen besitzt
Schnitzler zeigt in dieser Journalisten=Komödie nur eine Sort
von Menschen und zwar nur solche, die man kurzweg mit den
Namen Gesinnungslumpen belegt. Gewiß, ein jeder Beruf un
Stand hat seine Aasgeier, aber es wäre sehr traurig um der
journalistischen Beruf bestellt, wenn er nur solche korrupte Seeler
besäße, wie sie Schnitzler hier in Bewegung setzt. Es ist einfach
auffallend, daß Schnitzler in dieser Komödie nicht einen einziger
anständigen Journalisten auftreten läßt. Beinahe wäre mar
versucht, dies für eine Bosheit zu halten . .. Und man ließe sich
das alles vielleicht noch gefallen, wenn das Stück dichterisch wert¬
voll ausgefallen wäre, wenn es ein Niveau hätte, das einen
Arthur Schnitzler von anno dazumal entspräche. Aber so, nichts
von alledem. Ein billiges Theaterstück ist es geworden, eines, das
nur darauf ausgeht, das Publikum zu amüsieren, freilich auf die
Gefahr hin, den breiten Massen einen Stand lächerlich zu
machen, der gewiß ein solches billiges Ausspielen nicht verdient.
Alles, was an erstklassigen Darstellern im Ensemble steht, war¬
aufgeboten worden, und die einzige Damenrolle —übrigens vom¬
Autor recht stiefmütterlich bedacht — wurde von Frl==Wald##
kreiert. Die beste Leistung des Abends bot neben Kramer und
Edthofer der neue Karl Forest aus Berlin als zappliger Re¬
porter, der auch Theaterstücke schreibt. Seinetwegen ist das neue
Schnitzlerstück sehens= bezw. hörenswert.
box 33/1
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Wiener Bilder“
Wiener Theaterbilder.
Deutsches Volkstheater. Diesmal vot uns Arthur
— Journalistenstück ohne Liebesbeiwerk:
„Fink und Fliederbusch“. Zwei Redaktionen
werden vorgeführt, natürlich verschiedener Richtung.
Gemeinsam ist beiden bewußt die — Ueberzeugungs¬
losigkeit und unbewußt ein Mitarbeiter. Hier schreibt
er unter dem Namen Fink, dort kennt man ihn. als
Fliederbusch. Er polemisiert mit sich selbst derart scharf,
daß er sich selbst sogar fordert. Dabei wird die
Identität festgestellt und beide Chefredakteure führen
um dieses journalistische Chamäleon eine söcnliche
Lizitation. Ist es wirklich die Ueberzeugung Schnitzlers,
daß es nur solche überzeugungslose Redaktionen im
Orte der Handlung Wien gibt, wie er sie zeichnet?
Diese Frage läßt der Dichter zum Nachteile des Ganzen
offen und es bleibt nur die mäßige Pikanterie, daß er
auf gewisse Verhältnisse anspielt. Die Eingeweihten mögen 1
sich dabet unterhalten haben, Aiem mit vem wedanten:
Es gilt ja dem anderen; das Publikum aber hatte
anderes erwartet.
Dem strebsamen Journalisten¬
jüngling lieh Herr Edthofer seine stets gewinnende
Liebenswürdigkeit, ohne tiefere Bedeutung. Der Humor
des Herrn Forest machte den Kajetan zum beleben¬
den Element der Aufführung. Herr Thaller gestaltete
mit Meisterschaft einen verkrachten Adeligen, der als
Styx Journalistik betreibt. Die Herren Kramer, Wötz,
Klitsch, Millmann, Fürth boten gute Typen. Nach dem
zweiten Akte konnte der Dichter wiederholt, für den
Beifall danken. Es war ein Achtungsersolg, bereitet
von der Schnitzler=Gemeinde.
2 l69n
Leipziger Tagblatt,
Leipzig
Schuifler-Uraustn.
i Wien. Aus Wien wird uns geschriebent
Arthur Schnitzler
istab Freylag eine späte Ehrung erwiese#
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Fink und Fliederbusch, das man
im Deutschen Vo
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Gemeinde ihren Meister wider besseres Gewissen schrankenlos feiern,
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Groteske schreit, ist in den hochsommerlichen Tennisanzug der Posse ge¬
steckt. Der Fluß der Handlung ist mit großartigem Tiessinn beschwerk,
jede der witzigen und frechen Wendungen des Dialogs hat eine psycho¬
logische Fermale aufgesetzt. Man wird bei dieser unlebendigen Nach¬
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Federn nach rechts und nach links, er bekämpfk, beschimpft sich selbst
und muß sich schließlich selber sordern. Er kommt auch zum vereinbarken
Duell, zwanzig Schrikt Distanz. Aber er kommt zu spät. Das Stück ist
bis dahin bereiks so verfahren, daß auch diese entzückend freche Sikualion —
nicht mehr gerettek werden kann. Fink-Fliederbusch, der als „Held und
Gesallener“ vom Kampfplatz geht, ist bereits vorher als ein Opfer Schnitz.
lerscher Bedeutsamkeit auf dem Felde der literarischen Manier gefallen.
Tristan Vernard hat — Schnitzlers Gleichzeiligkeit des Einfalls ist
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Wiener Dichter fühlte sich zur Pyilosophie verpflichtet. Sie hat den
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gerieten Episoden; unter d## wieder am besten die eines Chefredak¬
teurs durch Jaro Fürkh,
eines Deklassierten durch Theller.
Dieses Stück, ohne Leidens## geschrieben, zog ohne Leidenschaft
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