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27. Einkund Fliederbusch
(Qusllesongabe chne Gewanl
Ausschnitt aus: Die Wage, Wien
AA MN 211
vom:
21
Oskar Maurus Jontana.
Schnitzlers Journalistenkomödie.
„Die verschmützten Dinge einer entgötterten Zeit werden in
die Hand genommen, melancholisch angeschaut, aber auch fallen
gelassen.“ So schrieb ich über die „Komödie der Worte" und
meinte damit den ganzen Schnitzler. Auch in seiner vom Deutschen
Volkstheater gespielten Journalistenkomödie „Fink und Flieder¬
busch“ tut er nicht anders, er nimmt den Journalismus in die
Hand, schaut ihn melancholisch an und läßt ihn schließlich fallen,
weil ihm der Mut zur Entscheidung fehlt und hinter seiner schein¬
baren Lebenssicherheit, die sich skeptisch drapiert, ein zages und
sehr bängliches Gefühl lauert.
Der liberale Journalist Fliederbusch ist auch der konservative
Journalist Fink und weiß schließlich selber nicht, wer er ist, weil
er als echter Journalist (meint Schnitzler) nichts ist als die
Täsliche Rundschau, Berr
Wetterfahne auf dem Dach der Zeit, die jeder Wind drehen kann,
Hus dem Kunstlebene##
nach rechts, nach links, immer sofort. Dieser Widerstreit im
Journalisten wird nach Schnitzler=Art durch ein Duell (das wie¬
Arthur Schnitlers „Fink und Fliederbusch“ Aus Wien
wild uns geschrreben Arrhur Schnitzler hat Gustao Freytag
vielte Duell ist es schon, das Schnitzler da auskämpft?), Aristo¬
eine späte Ehrung erwiesen; er hat mit seinem Lustspiel „Fink
kraten, Wettrennen, Komtessen, kurz durch die elegante Welt ge¬
und Fliederbusch“, das man im Deutschen Volks¬
löst und ein gräflicher Politiker äußert in seiner Mundart: „Wir
theater sah, dem feligen Freytag den Ruhm überlassen, nach
spielen alle, wer es weiß, ist klug“ und spricht damit den Journa¬
wie vor das beste Journalistenstück geschrieben zu haben. Dieser
listen frei.
neueste Schnitzler blieb, mochte auch eine unentwegte Gemeinde
Diese Lösung ist natürlich nichts als ein Notausgang in
ihren Meister wider besseres Gewissen schrankenlos feiern, eine
den Relativismus, als die Wald= und Wiesenweisheit eines
arge Enttäuschung. Ein Thema, das nach dem Narrenkoftüm
der Groteske schreit, ist in den hochsommerlichen Tennisanzug der
Skeptikers (der außerdem diesmal — rein als Sheaterkritiker ge¬
Posse gesteckt. Der Fluß der Handlung ist mit großartigem Tief¬
sprochen — ein schwaches, ungeschicktes Stück geschrieben hat).
sinn beschwert. Jede der witzigen und frechen Wendungen des
Dialogs hat eine psychologische Fermate aufgesetzt. Man wird
Der Journalismus aber ist damit weder, wie Schnitzler zuerst
bei dieser unlebendigen Nachdenklichkeit nirgendwo recht froh.
gerne möchte, tötlich getroffen noch auch nur verwundet, das
Ein Journalist schreibt mit zwei Federn nach rechts und nach
ganze bleibt ein Lufthieb, nach dem Schnitzler seine Komödien¬
links, er bekämpft, beschimpft sich selbst und muß sich schließlich
klinge mit dem Lächeln des Anatol, das Wissen markieren soll,
selber fordern. Er kommt auch zum vereinbarten Duell, zwanzig
versorgt.
Schritt Distanz. Aber er kommt zu spät. Das Stück ist bis
Nein, es fragt sich überhaupt, ob ein solches Lebensgefühl
ahin bereits so verfahren, daß auch diese entzückend freche Situa¬
den Journalisten angreifen darf. Beide sind relativistisch, beide
tion nicht mehr gerettet werden kann. Fink=Fliederbusch, der
lächeln augurenhaft über das Spiel der Masken und beide machen
als „Held und Gefallener“ vom Kampfplatz geht, ist bereits vor¬
her als ein Opfee Schnitzlerscher Bedeutsamkeit auf dem Felde der
es dennoch mit. Die Schnitzlersche Satire bleibt darum klein im
iterarischen Manier gefallen. Tristan Bernard hat — Schnitz¬
Format und mehr eine Hechelei unter guten Bekannten, die sich
lers Gleichzeitigkeit des Einfalls ist erwiesen — dasselbe Stück
gegenseitig kleine Bosheiten erlauben dürfen. Mehr ist Schnitzlers
als harmlosen Schwank geschrieben. Der Wiener Dichter fühlte
Journalistenkomödie nicht. An den tötenden, weißglühenden,
ich zur Philosophie verpflichtet. Sie hat den Einfall erschlagen.
heiligen Haß, der Karl Kraus schöpferisch macht, darf man nicht
Das Stück, ohne Leidenschaft geschrieben, zog ohne Leidenschaft
einen Augenblick denken.
vorüber.
In der Aufführung des Deutschen Volkstheaters gab Herr
Edthofer — wiederum falsch verwendet — den Journalisten, viel
Wie uns aus Frankfurt u. M. geschrieben wird, fand !
zu sympathisch und jungenhaft. So herzig hat ihn selbst der
die Aufführung der Schnitzler=Komödie im Neuen Theater,
Melancholiker Schnitzier nicht gesehen. Den Unterton von
—
Schäbigkeit im Betrieb trafen am besten Herr Forest und Herr
das als erste deutsche Bühne gleich nach Wien das Journalisten¬
Thaller.
Lustspiel herausbrachte, unter Direktor Hellmers Regie eine
sich in gemäßigten Grenzen haltende freundliche Aufnahme.
In der Schönherr=Kritik im vorhergegangenen Hefte hat der
Im Theater in der Königrätzer Straße wird Withelm
Witz des Setzers Hermann Bahr noch tiefere Inbrunst als Ger¬
traße nach
Stücklens ernsthafte Komödie „
hart Hauptmann zugesprochen und damit Karl Schönherr, Gerhart
Steinaych“ zur Uraufführung vorbereitet. Die Trägerin der
Hauptmann und noch mehr Hermann Bahr Unrecht getan. Denn
weiblichen Hauptrolle ist Erika Cläßner, die sich damit zum
ersten Male im Rahmen des Theuters in der Königgräßer Straße
trotz Rosenkranz und Wallfahrten wird Hermann Bahr die In¬
brunst, der sich zu verschenken er Zeit seines Lebens begierig
ar, auch jetzt nicht gefunden haben. Wie erst gar sollte diese
embrunst in dem Schrei nach dem Kinde hörbar werden? Her¬
Vonn Bahr hat ja einmal burschikos, als er es noch sein durfte,
eine Selbstbiographie mit den Worten abgeschlossen: „Kinder
keine, Hunde vier.“ In dem aber noch tiefere Inbrunst nach dem
der ist sein Landsmann
Kinde schreit als in Hauptmann —
Hermann Stehr. Weil er viel zu wenig gekannt und gelesen ist,
sei die Gelegenheit benützt, auf ihn als einen wahrhaften Dichter
zu weisen. Man lese „Den begrabenen Gott“, „Drei Nächte" und
„Die Geschichten aus dem Mandelhause“ (wie alle seine Werke
bei S. Fischer, Berlin, erschienen) und man wird in ihnen eine
inbrünstige, manchmal enge, aber immer tiefe Kunst, finden.
27. Einkund Fliederbusch
(Qusllesongabe chne Gewanl
Ausschnitt aus: Die Wage, Wien
AA MN 211
vom:
21
Oskar Maurus Jontana.
Schnitzlers Journalistenkomödie.
„Die verschmützten Dinge einer entgötterten Zeit werden in
die Hand genommen, melancholisch angeschaut, aber auch fallen
gelassen.“ So schrieb ich über die „Komödie der Worte" und
meinte damit den ganzen Schnitzler. Auch in seiner vom Deutschen
Volkstheater gespielten Journalistenkomödie „Fink und Flieder¬
busch“ tut er nicht anders, er nimmt den Journalismus in die
Hand, schaut ihn melancholisch an und läßt ihn schließlich fallen,
weil ihm der Mut zur Entscheidung fehlt und hinter seiner schein¬
baren Lebenssicherheit, die sich skeptisch drapiert, ein zages und
sehr bängliches Gefühl lauert.
Der liberale Journalist Fliederbusch ist auch der konservative
Journalist Fink und weiß schließlich selber nicht, wer er ist, weil
er als echter Journalist (meint Schnitzler) nichts ist als die
Täsliche Rundschau, Berr
Wetterfahne auf dem Dach der Zeit, die jeder Wind drehen kann,
Hus dem Kunstlebene##
nach rechts, nach links, immer sofort. Dieser Widerstreit im
Journalisten wird nach Schnitzler=Art durch ein Duell (das wie¬
Arthur Schnitlers „Fink und Fliederbusch“ Aus Wien
wild uns geschrreben Arrhur Schnitzler hat Gustao Freytag
vielte Duell ist es schon, das Schnitzler da auskämpft?), Aristo¬
eine späte Ehrung erwiesen; er hat mit seinem Lustspiel „Fink
kraten, Wettrennen, Komtessen, kurz durch die elegante Welt ge¬
und Fliederbusch“, das man im Deutschen Volks¬
löst und ein gräflicher Politiker äußert in seiner Mundart: „Wir
theater sah, dem feligen Freytag den Ruhm überlassen, nach
spielen alle, wer es weiß, ist klug“ und spricht damit den Journa¬
wie vor das beste Journalistenstück geschrieben zu haben. Dieser
listen frei.
neueste Schnitzler blieb, mochte auch eine unentwegte Gemeinde
Diese Lösung ist natürlich nichts als ein Notausgang in
ihren Meister wider besseres Gewissen schrankenlos feiern, eine
den Relativismus, als die Wald= und Wiesenweisheit eines
arge Enttäuschung. Ein Thema, das nach dem Narrenkoftüm
der Groteske schreit, ist in den hochsommerlichen Tennisanzug der
Skeptikers (der außerdem diesmal — rein als Sheaterkritiker ge¬
Posse gesteckt. Der Fluß der Handlung ist mit großartigem Tief¬
sprochen — ein schwaches, ungeschicktes Stück geschrieben hat).
sinn beschwert. Jede der witzigen und frechen Wendungen des
Dialogs hat eine psychologische Fermate aufgesetzt. Man wird
Der Journalismus aber ist damit weder, wie Schnitzler zuerst
bei dieser unlebendigen Nachdenklichkeit nirgendwo recht froh.
gerne möchte, tötlich getroffen noch auch nur verwundet, das
Ein Journalist schreibt mit zwei Federn nach rechts und nach
ganze bleibt ein Lufthieb, nach dem Schnitzler seine Komödien¬
links, er bekämpft, beschimpft sich selbst und muß sich schließlich
klinge mit dem Lächeln des Anatol, das Wissen markieren soll,
selber fordern. Er kommt auch zum vereinbarten Duell, zwanzig
versorgt.
Schritt Distanz. Aber er kommt zu spät. Das Stück ist bis
Nein, es fragt sich überhaupt, ob ein solches Lebensgefühl
ahin bereits so verfahren, daß auch diese entzückend freche Situa¬
den Journalisten angreifen darf. Beide sind relativistisch, beide
tion nicht mehr gerettet werden kann. Fink=Fliederbusch, der
lächeln augurenhaft über das Spiel der Masken und beide machen
als „Held und Gefallener“ vom Kampfplatz geht, ist bereits vor¬
her als ein Opfee Schnitzlerscher Bedeutsamkeit auf dem Felde der
es dennoch mit. Die Schnitzlersche Satire bleibt darum klein im
iterarischen Manier gefallen. Tristan Bernard hat — Schnitz¬
Format und mehr eine Hechelei unter guten Bekannten, die sich
lers Gleichzeitigkeit des Einfalls ist erwiesen — dasselbe Stück
gegenseitig kleine Bosheiten erlauben dürfen. Mehr ist Schnitzlers
als harmlosen Schwank geschrieben. Der Wiener Dichter fühlte
Journalistenkomödie nicht. An den tötenden, weißglühenden,
ich zur Philosophie verpflichtet. Sie hat den Einfall erschlagen.
heiligen Haß, der Karl Kraus schöpferisch macht, darf man nicht
Das Stück, ohne Leidenschaft geschrieben, zog ohne Leidenschaft
einen Augenblick denken.
vorüber.
In der Aufführung des Deutschen Volkstheaters gab Herr
Edthofer — wiederum falsch verwendet — den Journalisten, viel
Wie uns aus Frankfurt u. M. geschrieben wird, fand !
zu sympathisch und jungenhaft. So herzig hat ihn selbst der
die Aufführung der Schnitzler=Komödie im Neuen Theater,
Melancholiker Schnitzier nicht gesehen. Den Unterton von
—
Schäbigkeit im Betrieb trafen am besten Herr Forest und Herr
das als erste deutsche Bühne gleich nach Wien das Journalisten¬
Thaller.
Lustspiel herausbrachte, unter Direktor Hellmers Regie eine
sich in gemäßigten Grenzen haltende freundliche Aufnahme.
In der Schönherr=Kritik im vorhergegangenen Hefte hat der
Im Theater in der Königrätzer Straße wird Withelm
Witz des Setzers Hermann Bahr noch tiefere Inbrunst als Ger¬
traße nach
Stücklens ernsthafte Komödie „
hart Hauptmann zugesprochen und damit Karl Schönherr, Gerhart
Steinaych“ zur Uraufführung vorbereitet. Die Trägerin der
Hauptmann und noch mehr Hermann Bahr Unrecht getan. Denn
weiblichen Hauptrolle ist Erika Cläßner, die sich damit zum
ersten Male im Rahmen des Theuters in der Königgräßer Straße
trotz Rosenkranz und Wallfahrten wird Hermann Bahr die In¬
brunst, der sich zu verschenken er Zeit seines Lebens begierig
ar, auch jetzt nicht gefunden haben. Wie erst gar sollte diese
embrunst in dem Schrei nach dem Kinde hörbar werden? Her¬
Vonn Bahr hat ja einmal burschikos, als er es noch sein durfte,
eine Selbstbiographie mit den Worten abgeschlossen: „Kinder
keine, Hunde vier.“ In dem aber noch tiefere Inbrunst nach dem
der ist sein Landsmann
Kinde schreit als in Hauptmann —
Hermann Stehr. Weil er viel zu wenig gekannt und gelesen ist,
sei die Gelegenheit benützt, auf ihn als einen wahrhaften Dichter
zu weisen. Man lese „Den begrabenen Gott“, „Drei Nächte" und
„Die Geschichten aus dem Mandelhause“ (wie alle seine Werke
bei S. Fischer, Berlin, erschienen) und man wird in ihnen eine
inbrünstige, manchmal enge, aber immer tiefe Kunst, finden.