box 33/1
27. Eink und Fliederbusch
Sscheft.
14
süßen Wiener Mädels können über den
ordentlich begabte Künstlerin jene ent¬
Mangel an Angriffen, auch über bewußtes
zückende Natürlichkeit, die den Grundzug
2
Mißverstehen ihrer dichterischen Absichten
ihres sympathischen Wesens bildet. Kräftig
durchaus nicht klagen. Hatten sich die Wider¬
in Figur und Haltung der Ferdinand des
sacher schließlich damit abgefunden, die
Herrn Schmietter. Schade, daß der
Zi
Künstler die Pflege seines klangvollen Tenores dramatische Potenz der beiden Dichter an¬
zuerkennen, so schränkten sie diese Aner¬
so arg vernachlässigt. Herr Weidemann
kennung dadurch beträchtlich ein, daß sie
spielte den schurkischen Präsidenten mit
Schönherr und Schnitzler durch eine be¬
Würde. Nur sein Gesang, beziehungsweise
stimmte Klassifizierung gleichsam einmauern
seine Vokalisation wird immer unerträglicher.
wollten, ihnen derart jede Entwicklungsmög¬
In der stark verstümmelten Rolle des alten
lichkeit benehmend. Bei Schönher hatten
Miller bewährte Richard Mayer wieder
diese privilegierten Literaturhüter ieichteres
seine unnachahmliche Meisterschaft. Lady
Spiel. Zog es doch der Dichter selbst vor,
Milford war Frau Brügelmann Sie wahrte
in seinen Werken heimatlichen Grund und
gesanglich wie hinsichtlich der Darstellung
Boden nicht zu verlassen, dafür aber umso
vornehmes Hofopernmaß. Gleiches gilt auch
eindringlicher aus seiner dramatischen Einzel¬
für die Besetzung der Episodenrollen durch
zelle der Welt ihren Spiegel entgegenzu¬
Frau Kittel, wie durch die Herren Ritt¬
halten. Seine Reflexstrahlen waren stark
mann, Breuer und Stoll. Den großen
genug, um die Aufmerksamkeit aller Menschen,
äußeren Erfolg des Abends durch das Ein¬
die sich für das Theater interessieren. auf
greifen einer „Clique“ und deren „Claque“
Schönherr uud sein Werk zu lenken und
erklären zu wollen, würde der Wahrheit
leuchten immer wieder mit unverminderter
widersprechen. Diesmal war’s ein ehrlicher
Kraft, wenn der inzwischen sogar sehr be¬
Publikumserfolg. Wir erinnern uns mancher
ruhmt gewordene „Bauerndichter“ in einem
Novität der letzten Jahre, bei denen eine
neuen Werke die Gewalt seiner Persönlich¬
ganz andere „Clique“ den Erfolg ihres Schütz¬
keit, wie seine zu immer stärkerer Konzen¬
lings virihueunitis vorbereitet und durch¬
tration und Festigkeit verwachsende Technik
gefühnWatte.
des Dramas aufzeigt.
keiner Stadt ist allerdings das Clique¬
Schönherrs jüngstes Schauspiel „Frau
wesen so ausgebreitet, wie in Wien. Die
Suitner“ ist ein Triumph dieser Technik.
Wiener Kunstgeschichte der letzten fünf
Meisterhaft die Knappheit des Dialoges, in
Dezennien ist reich an solchen Kämpfen, bei
dem kein Wort überflüssig erscheint, be¬
denen oft mit Recht, manchmal mit Unrecht
wunderungswürdig die Straffheit der Szenen¬
die „Clique“ als stärkstes Argument gegen
führung, das Ein- und Ausschalten des Epi¬
Erkenntnis und Wahrheit angeführt wurde.
sodenbeiwerkes, porträtgetreu die Zeichnung
Wagner, Brahms, Bruckner, Hugo Wolf, in
der Haupt- und Nebenfiguren, deren Echtheit
gemessenem Abstande von diesen Meistern
sie von dem Salontirolertum anderer Bauern¬
auch Mahler, standen im Mittelpunkte er¬
stücke wohltuend unterscheidet. Man kann
bitterter Pro- und Kontragefechte. Die Wiener
diese Bauerngestalten nicht lebenswahrer
Literatur der letzten Jahre weiß gleichfalls
und bodenständiger schildern, als Schönher:
von solch hitzigem Meinungsaustausch ein
es in diesem Stücke getan. Aber unser
Wörtlein zu erzählen, und die Bannerträger
Lob wäre nur ein halbes, wollten wir bloß
des Naturalismus, allen voran der ewig
auf die „Technik“ Schönherrs verweisen, ais
streitbare, ewig jugendliche, ewig wandlungs¬
stünde der dichterische Einfall bei ihm an
fähige Hermann Bahr, hatten mit der kon¬
zweiter Stelle. Im Gegenteil! Auch in „Frau
servativen Wiener Kritik manch' harten
Suitner“ hat Schönherr ein gewaltiges
Strauß zu bestehen Auch Karl Schönherr
menschliches Problem zur dramatischen
und Arthur Scchinztenmußten lange
Diskussion gestellt: Die Tragödie der Un¬
daran glauben, bis man endlich ihnen glaubte.
Der „Bauerndichter“ und der „Erfinder“ des fruchtbarkeit. Wie die Landkrämerin durch
847
27. Eink und Fliederbusch
Sscheft.
14
süßen Wiener Mädels können über den
ordentlich begabte Künstlerin jene ent¬
Mangel an Angriffen, auch über bewußtes
zückende Natürlichkeit, die den Grundzug
2
Mißverstehen ihrer dichterischen Absichten
ihres sympathischen Wesens bildet. Kräftig
durchaus nicht klagen. Hatten sich die Wider¬
in Figur und Haltung der Ferdinand des
sacher schließlich damit abgefunden, die
Herrn Schmietter. Schade, daß der
Zi
Künstler die Pflege seines klangvollen Tenores dramatische Potenz der beiden Dichter an¬
zuerkennen, so schränkten sie diese Aner¬
so arg vernachlässigt. Herr Weidemann
kennung dadurch beträchtlich ein, daß sie
spielte den schurkischen Präsidenten mit
Schönherr und Schnitzler durch eine be¬
Würde. Nur sein Gesang, beziehungsweise
stimmte Klassifizierung gleichsam einmauern
seine Vokalisation wird immer unerträglicher.
wollten, ihnen derart jede Entwicklungsmög¬
In der stark verstümmelten Rolle des alten
lichkeit benehmend. Bei Schönher hatten
Miller bewährte Richard Mayer wieder
diese privilegierten Literaturhüter ieichteres
seine unnachahmliche Meisterschaft. Lady
Spiel. Zog es doch der Dichter selbst vor,
Milford war Frau Brügelmann Sie wahrte
in seinen Werken heimatlichen Grund und
gesanglich wie hinsichtlich der Darstellung
Boden nicht zu verlassen, dafür aber umso
vornehmes Hofopernmaß. Gleiches gilt auch
eindringlicher aus seiner dramatischen Einzel¬
für die Besetzung der Episodenrollen durch
zelle der Welt ihren Spiegel entgegenzu¬
Frau Kittel, wie durch die Herren Ritt¬
halten. Seine Reflexstrahlen waren stark
mann, Breuer und Stoll. Den großen
genug, um die Aufmerksamkeit aller Menschen,
äußeren Erfolg des Abends durch das Ein¬
die sich für das Theater interessieren. auf
greifen einer „Clique“ und deren „Claque“
Schönherr uud sein Werk zu lenken und
erklären zu wollen, würde der Wahrheit
leuchten immer wieder mit unverminderter
widersprechen. Diesmal war’s ein ehrlicher
Kraft, wenn der inzwischen sogar sehr be¬
Publikumserfolg. Wir erinnern uns mancher
ruhmt gewordene „Bauerndichter“ in einem
Novität der letzten Jahre, bei denen eine
neuen Werke die Gewalt seiner Persönlich¬
ganz andere „Clique“ den Erfolg ihres Schütz¬
keit, wie seine zu immer stärkerer Konzen¬
lings virihueunitis vorbereitet und durch¬
tration und Festigkeit verwachsende Technik
gefühnWatte.
des Dramas aufzeigt.
keiner Stadt ist allerdings das Clique¬
Schönherrs jüngstes Schauspiel „Frau
wesen so ausgebreitet, wie in Wien. Die
Suitner“ ist ein Triumph dieser Technik.
Wiener Kunstgeschichte der letzten fünf
Meisterhaft die Knappheit des Dialoges, in
Dezennien ist reich an solchen Kämpfen, bei
dem kein Wort überflüssig erscheint, be¬
denen oft mit Recht, manchmal mit Unrecht
wunderungswürdig die Straffheit der Szenen¬
die „Clique“ als stärkstes Argument gegen
führung, das Ein- und Ausschalten des Epi¬
Erkenntnis und Wahrheit angeführt wurde.
sodenbeiwerkes, porträtgetreu die Zeichnung
Wagner, Brahms, Bruckner, Hugo Wolf, in
der Haupt- und Nebenfiguren, deren Echtheit
gemessenem Abstande von diesen Meistern
sie von dem Salontirolertum anderer Bauern¬
auch Mahler, standen im Mittelpunkte er¬
stücke wohltuend unterscheidet. Man kann
bitterter Pro- und Kontragefechte. Die Wiener
diese Bauerngestalten nicht lebenswahrer
Literatur der letzten Jahre weiß gleichfalls
und bodenständiger schildern, als Schönher:
von solch hitzigem Meinungsaustausch ein
es in diesem Stücke getan. Aber unser
Wörtlein zu erzählen, und die Bannerträger
Lob wäre nur ein halbes, wollten wir bloß
des Naturalismus, allen voran der ewig
auf die „Technik“ Schönherrs verweisen, ais
streitbare, ewig jugendliche, ewig wandlungs¬
stünde der dichterische Einfall bei ihm an
fähige Hermann Bahr, hatten mit der kon¬
zweiter Stelle. Im Gegenteil! Auch in „Frau
servativen Wiener Kritik manch' harten
Suitner“ hat Schönherr ein gewaltiges
Strauß zu bestehen Auch Karl Schönherr
menschliches Problem zur dramatischen
und Arthur Scchinztenmußten lange
Diskussion gestellt: Die Tragödie der Un¬
daran glauben, bis man endlich ihnen glaubte.
Der „Bauerndichter“ und der „Erfinder“ des fruchtbarkeit. Wie die Landkrämerin durch
847