II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 131

27. Eink-und Fliederbusch
BUNE.
Zeitung. Frankfurter Zeitung
Frankfurt a K.
Adresse:
à e. N0V. 194)
Datum:
„Fink und Fliederbusch“.
Eine Journalistenkomödie von Artyur Schnitzler.
Deutsche Erstaufführung im Frankjürter
Neuen Theater am 17. Novembery
Es ist auffällig, daß seit Gustav Freytags „Journalisten“
kein rechtes Journalistenlustspiel mehr geschrieben worden ist
oder wenigstens keines auf der Bühne Fuß gefaßt hat: aus¬
fällig sicherlich für den, der der Zeitungswelt sern steht, aber
dem Journalisien selbst eigentlich kaum verwunderlich. Weiß
er doch nur zu gut, wie wenig Talent er hat, sich als lustige
Person zu empfinden und wie wenig andererseits vom jour¬
nalistischen Geist denen vertraut ist die Bühnenlustigkeiten
fabrizieren. Und wenn schon Freutags biederer Humor im
Grunde kaum von seinen Zeitungsleuten selber ausgeht, son¬
dern aus alt vertrauten Lustspielquellen fließt, wie sollte wohl
in der modernen Zeit des Telegraphen und des Telephons, der
Schreibmaschine und des Diktaphons noch viel von Konrad Vol¬

zens Laune übrig sein! Gewiß haben die Zeitungsleute ihre
Originale und schnurr.gen Känze, ihre Clowns und Windhunde,
und manche Stunde in einer Redaktion ist mindestens
so lustig und vergnüglich wie nur ein Lustspielakt auf einer
Bühne; aber dieser Humor hat mit dem Metier an sich nichts
zu tun, zieht seine Nahrung sicher nicht aus Druckmaschinen
und Manuskripten, die höchstens einen spärlichen, im Grunde
nur Fachleuten ganz eingängigen Jargon=Witz erwachsen
lassen. Viel eher möchte Tragik auf dem Wege des heutigen
Journalisten keimen, und wenn die Bübne davon wenig weiß,
so mag sie es der Verschwiegenheit der Leute danken, die sonst
der Welt Fanfare blasen. Vielleicht haben die Geister des
Humors die Zeitungswelt geräumt, als die moderne Technik
stieg, desto mehr trat die Bedeutung des Einzelnen zurück, das
gedruckte Wort erhob sich immer gewaltiger über den lebendigen
Schreiber, es löste sich von ihm los zu unheimlichem Ge¬
spensterieben von Begriffen, von Ideen und Schlagworten, die
sich fast körperlos im leeren Raum bekämpfen. Kommt es da
überhaupt noch auf den Urheber einer Meinung an?
Und kann eine Persoulichkekt wirklich nicht mehr als eine
Ueberzeugung haben? Wenn Freytags Schmock rechts wie links
schreiben konnte, kann da ein Ueberschmock nicht rechts
und links zu gleicher Zeit schreiben? Denn ist das Spiel solcher
furnalistischen Geister nicht eine tolle Komödie der Worte?
Läßt sich der Kampf der öffentlichen Meinung nicht futuristisch
als ein Wirbelreigen von fingerfertigen Schreiberhandgelenken
malen?
Dies Schreckbild einer grausen Zukunft, die niemals
Gegenwart werden darf, beschwert Arthur Schnitzler
in seinem neuesten Bühnenwerk, der Komödie „Fink und
Fliederbusch“
(Buchausgabe bei S. Fischer, Berlin).
Denn der Titelbeld seines Stückes i#
sowohl Fink als Flieder¬
busch: Fink als Mitarbeiter eines konfervativen Gesellschafts¬
blattes, Fliederbusch als Mitarbeiter einer bewolratischen
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Zeitung, und daß er als Fink gegen Fliederbusch polemisiert,
ja sogar ein Duell mit sich selber annehmen muß, das fast
zum Austrag kommt, das ist die groteste Glpfelung des lusti¬
gen und geistreichen Einfalls, der dem Dichter vielleicht aus
einem tatsächlichen Vorkommnis in der Wiener Zeitungswelt
zugeflossen ist. Der Einfall taugt sowohl für einen Schwank
wie für eine Komödie, und als Schwank ist er auch schon ein¬
mal, unabhängig von Schnitzler, durch den Franzosen Tristan
Bernard bearbeitet worden. Schnitzler mußte ihn als Ko¬
mödie behandeln, und daß er zu einer heiteren, aber nicht ge¬
rade sehr lustigen, und im Grunde bitter ernsten Komödie
gedieh, ist auch im Wesen des Dichters bedingt. Niemand kann
aus seinem Schatten heraustreten. Die Gestalt des Ueber¬
schmocks kommt eigensten Gedankenkreisen Schnitzlers zu sehr
entgegen, als daß sie ihn nicht zu gedanklichster Vertiefung
herausgefordert hatte Sein Dichterauge hat stets das weite
Land der Seele gesehen, von ihrer ständigen Lüge und unend¬
lichen Anpassungsfähigteit, von ihrer Chamäleon= und Pro¬
teusnatur gewußt; sein Dichtergeist hat je und je den ewigen
Gegensätzen Sein und Schein, Wahrheit und Lüge, Wirklich¬
keit und Traum nachgesonnen, und ist gern auf den Grenz¬
gebieten gegangen, wo beide ineinander übersließen und wo es
nur der geschickten Hand des Meisters bedarf, um Spiel und
Ernst verwirrend leicht zu tauschen.
„Es fließen ineinander Traum und Wachen,
Wahrheit und Luge. Sicherheit ist nirgends.
Wir wissen nichts von anderen, nichts von uns.
Wir spielen immer.“
Sagt sein Parazelsus. Und Fliederbusch fragt sich in allem
Komödiantenernst, ob er eigemlich Fink oder Fliederbusch sei.
„Ein Fliederbusch, den es gelegentlich juckt, einen Fink zu

spielen? Oder ein gebarener Fink, der nur durch einen Ferium
des Schicksals als ein Fliederbusch auf die Welt gekormen
ist?“ Denn er ist nach der Formung des Dichters kein be¬
wußter Betrüger, der vor sein wahres Gesicht eine Maske
hält, sondern ein naider Jüngling, der in der Entwickelung zu
sich selbst begriffen ist sich in der Redaktion der demokratischen
Zeitung zu Hause und im sicheren Hafen gelandet glaubt, als
ihn deren Chefredakteur als journalistisches Talent entdeckt
und fest verpflichtet hat, der seine Meinung aber instinktiv
sofort über Vord wirft, als er sich bei dem Herausgeber des
konservativen Gesellschaftsblattes von der aristokratischen
Sphäre angezogen und ebenso freundlich
aufgenommen
fühlt. Seine endültige Ueberzeugung findet er, in ihrer letzten
Formulierung, auch erst dann, als er die Bekanntschaft eines
feudal=klerikalen Politikers macht, der sich auf dem Weg zur
Ministerlaufbahn dem Gesellschaftsblatt mit Kauf= und Neu¬
gründugsabsichten nähert und dabei das schreibfertige Hand¬
gelenk des jouralistischen Verwandlungskünstlers schätzen
lernt. Dieser Schmock mit zwei Ueberzeugungen hat also im
Grunde gar keine; dieser Gesinnungslump ist eigentlich jeder
Gesinnung bar und der Dichter vermeidet beflissen, ihm Ge¬
danken oder Meinungen unterzulegen, läßt ihn vielmehr nur
handeln, benutzt ihn aber aus
Komödienschach; er hat eben
Naivität seines Helden ein
ist, die der Figur ihre Exist
und vom Abgleiten in den
Doppelspiel zu einer bewußt#
Bedeutung für Schnitzlers
verliert natürlich bei der 1
spiel jenseits bewußter Erke
wahrscheinlichkeit und wird
symbolischen Verkörperung
Metiers. Damit kommt frei
künstlerische Stilreinheit de
in einer ziemlich realistisch,
Uebertreibungen, gezeichnel
dem flüchtigen Blick des Be
tant
des Kreises sei
kann.
Einer solchen Ve
anständige Journalist bein
fühlen, und so wird Schn
Männer von der Presse un
haben. Die herbe Ironie,
tischen Redaktion als kett
Wiener Lokalfarben ausgem
der Heimatstadt des Dichter
ist dem fernerstehenden Be¬
ob hier rein künstlerische S
letzenden Schlüsselstückes vo
spiegel blickt zwar trüb, aber
Besten zu halten? Mit war
er, daß er von dem beinahe
dem er sich an seine antitl
und Leben, Traum und Wir
Reporterjournalisten, Dr. K
selber vor, der stets mit solchg
und ein epochales Werk üb
verheißt.
Schnitzler müßte nicht de
er ist, wenn ei seinem He
bestimmter Prägung gegeber
mit der hellen Stimme des
blüht nicht in klare Luf. hine
ters überspinnen ihn mit ein
Symbolik: er hat nicht nu
Handwerkertums, sondern a
Snobs zu gelten, „dieser k
Feiglingen und Renegaten“,
genossen des Feudalismus“
der Dichter auch den Vertr
einen klerikal=konservativen
Ehrgeiz in der Mitte des L#
und den Typ des blasiertin
einen Typ, der Schnitzler
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