27. Finkund Fliederbusch
3. Neues 8 Uhr Blatt,
Wien.
Nam Morgan und das Berliner Eessing-Theater.
Paul Morgan ist, wie bekannt, ab nächster Saison an
das Berliner Lessing=Theater engagiert und hat sich ver¬
pflichtet, dort vorher ein Gastspiel zu absolvieren. Di¬
frektor Barnowsky hat nunmehr Morgan eingeladen, in
Berlin anläßlich der Erstaufführung von Schnitzlers
1„Fink und Fliederbusch“ die hier von Karl Forest dar¬
gestellte Rolle zu übernehmen.
Trotzdem sich nun auch Artur Schnitzler um
einen Urlaub für Morgan bemüht, ist ein solcher bei Di¬
rektor Geyer von der Neuen Wiener Bühne nicht zu
erwirken. Direktor Barnowsky droht Morgan nun mit ge¬
richtlichen Interventionen. Es war jedenfalls unvorsichtig“
von Paul Morgan, „daß er sich nicht vor Eingehung der
genannten Gastspielyerpflichtung den Urlaub sicherte.
Zeitung: Deutsche Zeitung
Adresse: Berlin
8. UEZ 1917
Datum:
Artur Schnitzler „Fink und Fliederbusch.“
Man hat den Besprechungen nach der Uraufführung dieses
Stückes in Wien und Frankfurt a. M. nicht recht glauben
wollen, als isie andeuteten, daß der neuesty Schnitzler ein
oberflächlsches Spaßstück ohne tiefen Inhält und echten
Humor séi. Aber nun man sich gestern im Lessingtheater
selbst überzeugt hat, muß man leider gestehen: es ist noch
schlimmer. Wie würde Gustav Freytag ironisch gelächelt
haben, sähe er dieses gequälte Bemühen, die Menschen der
Presse, die Bereiter der öffentlichen Meinung, satirisch zu
beleuchten, oder beabsichtigte Schnitzler dies vielleicht gar nicht?
Genügt es ihm, den Scherz von dem Journalisten, den Frey¬
tag als Schmock so treffend kennzeichnete und der zu gleicher
Zeit sich liberal und konservativ betätigt, in eine neue Form
zu bringen? Das wäre für den Schnitzler, den wir bisher
kannten, den feinsinnigen Lebensbeobachter und humorvollen
Schilderer, recht betrüblich, denn gerade hier in diesem Wir¬
kungskreis drängt sich förmlich eine Fülle von Gelegenheiten zu
spottender Wahrheit und tiefschürfender Satire. Dieser Fink¬
Fliederbusch, der alles besitzt, was ein tüchtiger Journalist
brauchen kann, nur nicht Charakter und
gefestigte
Weltanschauung, ist in der Presse unserer Zeit leider eine
häufig wiederkehrende Erscheinung, so daß man dankbar ge¬
wesen wäre, wenn Schnitzler hier mit satirischen Zangen fest
und sicher zugepackt hätte. So aber blieb das Ganze eine harm¬
lose Erheiterung des Puhlikums. Selbst die Zeichnung der
beiden gegensätzlichen Redaktionen ist matt. Der Gang der
Handlung ist gedehnt und schleppend, und alle die kleinen, oft
recht schwächlichen Spotthiebe gegen Parteieinseitigkeit, Mei¬
nungsfabrikation und Journalistenfron vermögen nicht tiefer
anzusprechen. Glücklicherweise war wenigstens das Tempo der
Aufführung herzhaft und frisch, und es ließ sich so leichter über
die Schwächen des Stückes hinwegkommen. Bassermann
war als Fink=Fliederbusch köstlich in dieser inneren Haltlosig¬
keit, in diesem fast knabenhaften Draufgängertum gemischt mit
verschmitzter Lanne und übertriebenem Selbstbewußtsein. Mit
den anderen Redakteurgestalten fanden sich die Herren
Lichow, Lindt und Wallauer als liberale, Lauda,
Schröder Schrothund Sternberg so gut es ging ab.
Recht drottig wirkte Kurtchötz als Kajetan. Ferdinand
Vonn gab dem Grafen Giesberg Niederhof, nebenbei gesagt
der einzigen Gestalt, welche kräftig und scharf umrissen ge¬
zeichnet ist, frisches glaubhaftes Leben. Ilka Grüning
erfreute als Fürstin durch vornehm=künstlerisches Spiel. An
dem guten äußeren Erfolg des Abends hatte die treffliche
Regieführung von Direktor Barnowski nicht unbedeuten¬
den Anteil.
wg.
box 33/3
Zeitung: Norddeutsche Allgemeine Zeitung
Adresse: Berlin
8. 02 1917
Datum:
Theater, Konzerte und Vorträge.
Im Lessingtheater erlebte am Freitagabend Arthur
Schnitzlers dreiaktige Komöoie „Fink und Fliederbusch“
ihre Berliner Erstaufführung. Leider het das=S##ckbling
und Naturfreude gar nichts zu tun, Fink und Fliederbusch=#ind viel¬
mehr Namen eines Zeitungsmannes. Eines Zeitungsmannes —
das ist der Witz der Geschichte. Abnherr dieser jängsten Bühnen¬
figur ist der unsterbliche Schwock der Jomnalista#, der schreiber!
konnte rechts und schreiben konnte links. Dasmann Schnitzleris
Held nicht nur, nein, er tut's sogar, und zwar gleichzeilig:
Während er als Fink in einem feudalen Gesellschaftsblatt!
leitartikelt, greift er als Fliederbusch in einer demokratischen:
Zeitung
jenen
konservativen: Fink auf beftigste an. —
GesinnungslumpereiA I wo, sagt Schnitzler, Unbetangenheit.
Maurus Jokai hat einmal erzählt, beim Schreiben seiner Romane sei
er selbst immer neugierig, wie sich die Geschichte entwickele. Aehnlich
geht's dem Fink=Fliederbusch mit seiner politischen Ueberzeugung. Er,
hat noch gar keine. Was er hat, ist nur eine glänzende Gewandtheitt
des Ausdrucks, und es bietet ihm sozusagen einen künstlerischen Reiz,
seine Technik spielen zu lassen. Man kann dabei auch an einen Land¬
schafter denken, der einmal einen Akt malt, um zu beweisen, daß er
mit seinem Handgelenk alles zwingen kann. Der Zeitungsprdteus
kommt deshalb auch keineswegs zu Fall, obwohl ihn seine Doppelrolle
bis zu der Notwendigkeit führt, sich selbst zu fordern. Wie nämlich die
Frühsonne den Duellplatz im Grunewald — ach nein, im Prater beschaut,
findet sie dort zwar kein Zweikämpferpaar, aber auch keinen blamierten
Europäer, sondern einen Sieger im Daseinskampt, einen bewunderten
Könner, um den sich gleich drei Verleger reißen. — Ein witziger Ein¬
fall, nicht wahr? Und doch lähmende Langeweile wenigstens bei dem
Teil des Publikums, der nicht auch in den Späßen des Herrnfeld¬
theaters künstlerische Offenbarungen findet. Es ist unbegreiflich, wie
hilflos Schnitzler wird, sobald er das ihm seit je vertraute Gebiet
lrenzliger Erotik verläßt. Um zu charakterisieren, muß er karikieren.
Wenn er sich nun wenigstens= ehrlich zu einem Schwank bekennen
wollte! Nein, es gilt geistreich zu sein — der alte Ruhm Lerpflichtet.
Und so kommt eine ganz abscheuliche Stilmischung heraus. Ein guter
Beweis gegen den Autor wai Bassermann, dem es trotz krampf¬
haften Bemübens nicht gelang, mit der Hauptrolle etwas, anzufangen.
Ich muß gestehen, daß mich der alberne Ton, den er sich zugelegt
hatte, und das zappelige Getue geradezu ärgerte. Die anderen
Rollen waren nur bemerkrnswert, soweit ihre Darsteller den Mut
hatten, forsch im Schwankton zu arbeiten, wie Kurt Götz als
Kajetan und Licho als Füllmann. Die anderen mußten mit Not¬
wendigkeit Marionetten bleiben. Es zeugt für die gute Vergangen¬
heit des Lessingtheaters, daß seine Premierenbesucher den schwachen
Beifall mit Zischen und Pfeifen von einer Entschiedenheit erstickten
wie man es an dieser Stäute gewiß nicht oft gehört hat. A. Bab.
Zeitung: Württembergische Zeitung
Adresse: Stuttgart
8. OEZ 19/7
Datum:
„ink und Fliederbusch“, Artur Schnitz¬
lars neueste Komödie, erlebte gestern, wie unser
Berline) Vertreter telegraphiert, im Lessingtheater
einen rachtungsvollen Durchfail, sozusagen.
Schnitzlet lat sich offenbar die Geschichte äußerst
komischündl unterhaltsam gedacht, was das Berliner
Publikum aber keineswegs fand. Es entwickelte sich
schließlich eine regelrechte Berliner Premieren¬
schlacht, und es blieb zweifelhaft, wer darin, die
Zischer oder die unentwegten Bewunderer Schnitz¬
lers, die Oberhand behielt. Jedenfalls bedeutet
dieses Stück eine arge Enttäuschung, denn man hatte
gedacht, von Schnitzler eine lustige Neuauflage von
Freytags „Journalisten“ zu erwarten.
—
3. Neues 8 Uhr Blatt,
Wien.
Nam Morgan und das Berliner Eessing-Theater.
Paul Morgan ist, wie bekannt, ab nächster Saison an
das Berliner Lessing=Theater engagiert und hat sich ver¬
pflichtet, dort vorher ein Gastspiel zu absolvieren. Di¬
frektor Barnowsky hat nunmehr Morgan eingeladen, in
Berlin anläßlich der Erstaufführung von Schnitzlers
1„Fink und Fliederbusch“ die hier von Karl Forest dar¬
gestellte Rolle zu übernehmen.
Trotzdem sich nun auch Artur Schnitzler um
einen Urlaub für Morgan bemüht, ist ein solcher bei Di¬
rektor Geyer von der Neuen Wiener Bühne nicht zu
erwirken. Direktor Barnowsky droht Morgan nun mit ge¬
richtlichen Interventionen. Es war jedenfalls unvorsichtig“
von Paul Morgan, „daß er sich nicht vor Eingehung der
genannten Gastspielyerpflichtung den Urlaub sicherte.
Zeitung: Deutsche Zeitung
Adresse: Berlin
8. UEZ 1917
Datum:
Artur Schnitzler „Fink und Fliederbusch.“
Man hat den Besprechungen nach der Uraufführung dieses
Stückes in Wien und Frankfurt a. M. nicht recht glauben
wollen, als isie andeuteten, daß der neuesty Schnitzler ein
oberflächlsches Spaßstück ohne tiefen Inhält und echten
Humor séi. Aber nun man sich gestern im Lessingtheater
selbst überzeugt hat, muß man leider gestehen: es ist noch
schlimmer. Wie würde Gustav Freytag ironisch gelächelt
haben, sähe er dieses gequälte Bemühen, die Menschen der
Presse, die Bereiter der öffentlichen Meinung, satirisch zu
beleuchten, oder beabsichtigte Schnitzler dies vielleicht gar nicht?
Genügt es ihm, den Scherz von dem Journalisten, den Frey¬
tag als Schmock so treffend kennzeichnete und der zu gleicher
Zeit sich liberal und konservativ betätigt, in eine neue Form
zu bringen? Das wäre für den Schnitzler, den wir bisher
kannten, den feinsinnigen Lebensbeobachter und humorvollen
Schilderer, recht betrüblich, denn gerade hier in diesem Wir¬
kungskreis drängt sich förmlich eine Fülle von Gelegenheiten zu
spottender Wahrheit und tiefschürfender Satire. Dieser Fink¬
Fliederbusch, der alles besitzt, was ein tüchtiger Journalist
brauchen kann, nur nicht Charakter und
gefestigte
Weltanschauung, ist in der Presse unserer Zeit leider eine
häufig wiederkehrende Erscheinung, so daß man dankbar ge¬
wesen wäre, wenn Schnitzler hier mit satirischen Zangen fest
und sicher zugepackt hätte. So aber blieb das Ganze eine harm¬
lose Erheiterung des Puhlikums. Selbst die Zeichnung der
beiden gegensätzlichen Redaktionen ist matt. Der Gang der
Handlung ist gedehnt und schleppend, und alle die kleinen, oft
recht schwächlichen Spotthiebe gegen Parteieinseitigkeit, Mei¬
nungsfabrikation und Journalistenfron vermögen nicht tiefer
anzusprechen. Glücklicherweise war wenigstens das Tempo der
Aufführung herzhaft und frisch, und es ließ sich so leichter über
die Schwächen des Stückes hinwegkommen. Bassermann
war als Fink=Fliederbusch köstlich in dieser inneren Haltlosig¬
keit, in diesem fast knabenhaften Draufgängertum gemischt mit
verschmitzter Lanne und übertriebenem Selbstbewußtsein. Mit
den anderen Redakteurgestalten fanden sich die Herren
Lichow, Lindt und Wallauer als liberale, Lauda,
Schröder Schrothund Sternberg so gut es ging ab.
Recht drottig wirkte Kurtchötz als Kajetan. Ferdinand
Vonn gab dem Grafen Giesberg Niederhof, nebenbei gesagt
der einzigen Gestalt, welche kräftig und scharf umrissen ge¬
zeichnet ist, frisches glaubhaftes Leben. Ilka Grüning
erfreute als Fürstin durch vornehm=künstlerisches Spiel. An
dem guten äußeren Erfolg des Abends hatte die treffliche
Regieführung von Direktor Barnowski nicht unbedeuten¬
den Anteil.
wg.
box 33/3
Zeitung: Norddeutsche Allgemeine Zeitung
Adresse: Berlin
8. 02 1917
Datum:
Theater, Konzerte und Vorträge.
Im Lessingtheater erlebte am Freitagabend Arthur
Schnitzlers dreiaktige Komöoie „Fink und Fliederbusch“
ihre Berliner Erstaufführung. Leider het das=S##ckbling
und Naturfreude gar nichts zu tun, Fink und Fliederbusch=#ind viel¬
mehr Namen eines Zeitungsmannes. Eines Zeitungsmannes —
das ist der Witz der Geschichte. Abnherr dieser jängsten Bühnen¬
figur ist der unsterbliche Schwock der Jomnalista#, der schreiber!
konnte rechts und schreiben konnte links. Dasmann Schnitzleris
Held nicht nur, nein, er tut's sogar, und zwar gleichzeilig:
Während er als Fink in einem feudalen Gesellschaftsblatt!
leitartikelt, greift er als Fliederbusch in einer demokratischen:
Zeitung
jenen
konservativen: Fink auf beftigste an. —
GesinnungslumpereiA I wo, sagt Schnitzler, Unbetangenheit.
Maurus Jokai hat einmal erzählt, beim Schreiben seiner Romane sei
er selbst immer neugierig, wie sich die Geschichte entwickele. Aehnlich
geht's dem Fink=Fliederbusch mit seiner politischen Ueberzeugung. Er,
hat noch gar keine. Was er hat, ist nur eine glänzende Gewandtheitt
des Ausdrucks, und es bietet ihm sozusagen einen künstlerischen Reiz,
seine Technik spielen zu lassen. Man kann dabei auch an einen Land¬
schafter denken, der einmal einen Akt malt, um zu beweisen, daß er
mit seinem Handgelenk alles zwingen kann. Der Zeitungsprdteus
kommt deshalb auch keineswegs zu Fall, obwohl ihn seine Doppelrolle
bis zu der Notwendigkeit führt, sich selbst zu fordern. Wie nämlich die
Frühsonne den Duellplatz im Grunewald — ach nein, im Prater beschaut,
findet sie dort zwar kein Zweikämpferpaar, aber auch keinen blamierten
Europäer, sondern einen Sieger im Daseinskampt, einen bewunderten
Könner, um den sich gleich drei Verleger reißen. — Ein witziger Ein¬
fall, nicht wahr? Und doch lähmende Langeweile wenigstens bei dem
Teil des Publikums, der nicht auch in den Späßen des Herrnfeld¬
theaters künstlerische Offenbarungen findet. Es ist unbegreiflich, wie
hilflos Schnitzler wird, sobald er das ihm seit je vertraute Gebiet
lrenzliger Erotik verläßt. Um zu charakterisieren, muß er karikieren.
Wenn er sich nun wenigstens= ehrlich zu einem Schwank bekennen
wollte! Nein, es gilt geistreich zu sein — der alte Ruhm Lerpflichtet.
Und so kommt eine ganz abscheuliche Stilmischung heraus. Ein guter
Beweis gegen den Autor wai Bassermann, dem es trotz krampf¬
haften Bemübens nicht gelang, mit der Hauptrolle etwas, anzufangen.
Ich muß gestehen, daß mich der alberne Ton, den er sich zugelegt
hatte, und das zappelige Getue geradezu ärgerte. Die anderen
Rollen waren nur bemerkrnswert, soweit ihre Darsteller den Mut
hatten, forsch im Schwankton zu arbeiten, wie Kurt Götz als
Kajetan und Licho als Füllmann. Die anderen mußten mit Not¬
wendigkeit Marionetten bleiben. Es zeugt für die gute Vergangen¬
heit des Lessingtheaters, daß seine Premierenbesucher den schwachen
Beifall mit Zischen und Pfeifen von einer Entschiedenheit erstickten
wie man es an dieser Stäute gewiß nicht oft gehört hat. A. Bab.
Zeitung: Württembergische Zeitung
Adresse: Stuttgart
8. OEZ 19/7
Datum:
„ink und Fliederbusch“, Artur Schnitz¬
lars neueste Komödie, erlebte gestern, wie unser
Berline) Vertreter telegraphiert, im Lessingtheater
einen rachtungsvollen Durchfail, sozusagen.
Schnitzlet lat sich offenbar die Geschichte äußerst
komischündl unterhaltsam gedacht, was das Berliner
Publikum aber keineswegs fand. Es entwickelte sich
schließlich eine regelrechte Berliner Premieren¬
schlacht, und es blieb zweifelhaft, wer darin, die
Zischer oder die unentwegten Bewunderer Schnitz¬
lers, die Oberhand behielt. Jedenfalls bedeutet
dieses Stück eine arge Enttäuschung, denn man hatte
gedacht, von Schnitzler eine lustige Neuauflage von
Freytags „Journalisten“ zu erwarten.
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