II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 160

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27. Eink und Elirbsch
Zeitung: Deutscher Kurier
Adresse: Berlin
S.
Datum:
Beschwerden macht, braucht sie uns gewiß nicht lästig zu sein. Eine
Gemeinsamkeit des joumalistischen Standes gibt es nur auf wirt¬
schaftlichem Gebiet. Im übrigen verbindet uns mit den anpassungs¬
fähigen Hausierern dieser Komödie weder geistig noch gesellschaft¬
Ein Journalistenstück
lich irgend etwas. Wo wir ihnen im öffentlichen Kampf begegnen,
Lessingtheater.
sind sie unserer Gegnerschaft sicher, und somit können wir ruhig
Schnitzlers Komödie „Fink und Fliederbusch“ scheintin Wien
aussprechen, daß sie in mancher Beziehung gut beobachtet und mit
und anderswo das Premierenpubrikum wie die Presse in un¬
einer gewissen Wahrheitsliebe geschildert sind. Es entspricht der
gnädiger Stimmung gefunden zu haben. Wir gehen schwerlich in
oberflächlichen Natur des Verfassers, daß auch die Satire an der
der Annahme fehl, daß dabei der journalistische Stoff bewußt oder
Oberfläche bleibt. Wir sehen die klebrigen Herren, die für ein
geringes Zeilenhonorar in der Welt herumlumpen; von der un¬
unbewußt mitspielte. Rein theatralisch angesehen, liegt jedenfalls
heimlichen Kapitalmacht aber, die sich ihrer bedient, und durch die
ein Grund zur Ablehnung nicht vor. Der erste Akt ist matt; der
zweite ist lebhafter, der dritte ist lustig — was will man im
sie erst zu einer nationalen Gefahr werden, schweigt des Sängers
Höflichkeit. — Obwohl es Herrn Schnitzler also mehr auf einen
Grunde mahr? Die auftretenden Menschen sind nicht gestaltet?
freundnachbarlichen Spaß, als auf die grimmige Kennzeichnung.
Selbstverständlich nicht. Scit wann aber ist die Kritik diesem
einer fressenden Verderbnis ankam, glauben wir doch, daß seine
Autor gegenüber so anspruchsvoll? Seit wann ist Herr Schnitzler
Arbeit auch in Berlin einen gelinden Schnupfen hinterlassen wird.
etwas anderes als ein Wiener Feuilletonist, der mit gefälliger
Der christlich=konservative Graf, den er im Interesse der Objektivi¬
Theatermache und angeblich geistreichem Geplauder die Eleganz
tät auch durchhechelt, wird die getrübte Harmonie schwerlich in ihrer
von Berlin W. entzückt? Wenn man an die langatmigen Reden
früheren Reinheit wiederherstellen. In „Professor Bernhardi“.
zurückdenkt, mit denen er kürzlich im Schillertheater den heroischen
gelang es ihm besser, die christlich=germanische Korruption mit.
Erdenwandel einer jüdischen Idealgestalt begleitete, hat er in der
wirkungsvoller Einseitigkeit darzustellen. Der Graf bedient
vorliegenden Arbeit ganz amüsante Einfälle. Hält man sich nur
sich zwar der journalistischen Bagage mit lächelnder Gelassenheit,
an das Stück, begreift man nicht, warum die ästhetische Vettern¬
weiß aber doch, äußerlich wie innerlich, die Distanz zu wahren.
schaft in der Kritik nicht die lobenden Redewendungen hervorholt,
Die moralfreien Eigenschaften der börsenliberalen Redakteure be¬
die sonst gerade diesem Schrifesteller gegenüber zu einer lieben Ge¬
stimmen das Bild und uns beschleicht eine finstere Ahnung, daß man
wohnheit geworden sind. Fein geschliffener Dialog; geistvolle
diesen lichten Moment der Kritik auch dem liebwerten Vetter nicht
Prägungen; überlegene weltmännische Weisheit; kluge Anmer¬
verzeihen wird. Dabei ist uns selbstverständlich bekannt, daß man
kungen eines nachdendlichen Kopfes; der blasierte Zug einer allzu
gerade in den Spalten des Börsenliberalismus die Freiheit der
reißen Kultur — warum so grämlich, meine Herren? Die er¬
Satire so unendlich verehrt. Wir haben durchaus nicht vergessen,
lesenen Dinge, an denen euer blutsverwandter Geschmack sich sonst
daß Herr Gustav Meyrink gerade hier vornehme Ritter fand, als er
zu freuen pflegte, sind ja alle da und das feuilletonistische Ge¬
die christlichen Pfarrfrauen in nie erhörter Weise angriff. Nur
schmeide eurer glitzernden Lobspnüche könnte Herrn Schnitzler nach
meinen wir, gelegentlich beobachtet zu haben, daß die Seele des
dieser Arbeit so gut wie nach andern umgehängt werden. Daß es
Börsenliberalismus eine leichte Trübung erfuhr, wenn sie zu dem
nicht geschieht, deutet auf eine Verstimmung, die durch den jour¬
Objekt der Sative intimere Beziehungen unterhielt, als zu den
nalistischen Stoff hervorgerufen ist.
christlichen Pfarrhäusern. — In der Darstellung des Lessing¬
Freilich: wenn man in der käuflichen Armseligkeit dieser
theaters spielte Albert Bassermann einen jungen Frechling,
literarischen Welt einen Querschnitt der deutschen Presse erblicken
der im Grunde außerhalb seiner Sphäre lag, den er aber mit so
sollte, wäre kein Wort der Abwehr scharf genug. Aber was in
vielen amüsanten Zügen ausstattete, daß man der Regie die Be¬
aller Welt zwingt uns dazu? Schnitzler hat mit unverkennbarer
setzung schon vergeben mußte. Kurt Götz zeichnete einen kaner¬
Deutlichkeit den journalistischen Börsenliberalismus geschildert, zu
ten, in der Grundfarbe aber echten journalistischen Geschäftemacher
dem er von alters her die intimsten Beziehungen unterhielt.
mit sicheren Strichen und viel Humor. Auch sonst war die An¬
Wenn die moralische Preisgabe dieses Milieus ihm selber keine führung zu soben.
Erich Schlaikier.