II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 167

27. Fink Fliederbusch
80121977
Neue Preussische Zeilung, Be
Hus den Theatern.
Arthur Schnitzlers Komödie „Fink und Fliederbusch“ wurde
Thrater zum ersten Male aufgeführt:
gestern 1n
und nur sehr geteilter Aufnahme gewürdigt. Zwischen Klatschen
und die Rufe nach Albert Bassermann strich scharfes
Zischen und traten sogar die Hausschlüssel in Aktion. Soviel
Aufregung war das Stück gar nicht mal wert. Es ist eine ziem¬
lich fade Doppelgängerkomodie, die in journalistischen Kreisen
spielt. Fink ist gleichzeitig Fliederbusch. Was Fink heute in der¬
Eleganten Zeit schreibt, reißt Fliederbusch morgen in der Gegen¬
wart herunter. Der erste Akt geht damit hin, uns die Redaktione
der Gegenwart zu zeigen, und der zweite Akt damit, uns in die
Redaktion der Eleganten Zeit zu führen. In der Redaktion der
Gegenwart, die demokratisch ist, herrscht die heilloseste Aufgeregt¬
heit über die Parlamentsrede des feudalen Grafen Niederhof,
die von Fink in der konservativen Cieganten Zeit als ein Voll¬
blutsausdruck der Ueberzeugung gepriesen worden ist. Und in
der konservativen Eleganten Zeit ist man betreten über die blutige
Abfuhr, die von Fliederbusch in der Gegenwart dem Artikel zuteil
geworden ist. Graf Niederhof ist ganz entzückt über seinen Schritt¬
macher Fink, er will die Elegante Zeit haufen und aus ihr eine
Tageszeitung machen mit Fink als Hauptmitarbeiter. Da droht
Fink das Verhäugnis. Er wird von dem Sohne des Verlegers
der Eleganten Zeit aufgesordert, sich mit Fliederbusch zu schlagen,
er könne die Anwürfe, die Fliederbusch gegen ihn sich geleistet
habe, nicht allein mit Tinte wegwischen. Eine Blitzidee! Wie
wird sie die Komödie durchzucken und durchfunkeln, wie wird sie
Feuer aus dem Holze des Lebens schlagen? Es verläuft jämmer¬
lich. Fink=Fliederbusch hetzt Salz und Witz dieser Idee in Zwie¬
gesprächen mit sich selber zu Tode. Kein Wechselspiel, keine
Ironie, Satire und tiefere Bedeutung schafft eine neue Komödie
der Irrungen. Im dritten Akt sprechen sich der Graf Niederhof
und Fink=Fliederbusch über die Unmöglichkeit absolnter Wahrheit
in der Politik aus. Als Fink und Fliederbusch in einer Person
zum Duell erscheinen, sprüht die Ironie menschlichen Seins und
Scheins nicht Funken, sondern die Banalität setzt sich zu Tisch
mit dem Grafen Niederhof als tertius gaudens und Gastgeber.
Das Stück ist aus, Schnitzlers Witz desgleichen. Es ist das
schwächste, was Schnitzler geschrieben hat. An Frehlags „Jour¬
nalisten“ ist gor nicht zu denken. Nur das Spiel rettet das Stück
W
vor geschlossenem Hausschlüsselkonzert. Bassermann war
wieder ganz „Detail“ Bonn als Graf Niederhof Leicester in
Zivil, aver die Redakteure, o wehl
hr.

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Rricn
Asloas Alzeiger, Borie.
Theater und Musik.
Lessingtheater.
Die hiesige Erstaufführung von Arthur Schnitzlers drei¬
aktiger Komödie Fink und Flieder##bacht gestern am
Schluß der Vorstellung im Lessingtheater einige erregbare jugendliche
Gemüter in Wallung. Beifallsgetöse und grelle Pfiffe ließen sich
vernehmen. Die Bedächtigeren wohnten diesem Schauspiel nach
dem Schauspiel gelassen bei, denn es
war
im Grunde
doch nur viel Lärm um nichts. Schnitzler beschiftigt
sich in seinem jüngsten Werk mit der Zunft der Tagesschriftsteller,
und der Vergleich mit Freytags „Journalisten“ der sich von selbst
aufdrängt, fällt zu seinen Ungunsten aus. Sein Stück müßte, wenn man den
gleichen Maßitab anlegen wollte, zu leicht befunden werden; darum nimmt
man es auch besser ganz leicht, nur als das, was es ist, als einen
bloßen Spaß. Fliederbusch, ein Nachfahr von Frevtags Schmock, hat es
in der Kunst des Rechts= und Linksschreibens so weit gebracht,
daß er unter dem Decknamen Fink in einem hochkonservativen Wochen¬
blatt die Leitaufsätze beftig bekämpft, die er als Fliederbusch in der
demokratischen Tageszeitung „Die Gegenwart“ verfaßt hat. Die
Gegensätze in den beiden Blättern spitzen sich so zu, daß man im
konservativen Lager Fink veranlaßt, seinen Widersacher Fliederbusch wegen
Beleidigung zum Zweikampfe herauszufordern. Erst auf dem Kampfplatze:
gibt sich der Doppelschreiber zu erkennen und wird nun nicht etwa
von den anwesenden Leitern der beiden feindlichen Blätter ent¬
lassen, sondern diese suchen vielmehr durch gegensettiges Ueberbieten in
der Gehaltserhöhung ein solches Talent dauernd an sich zu fesseln.
Fliederbusch aber schließt lächelnd mit einem Dritten ab, der ihm noch
größere Vorteile bietet. Ein Körnegen bitterer Wahrheit liegt gewiß
auch in dieser Spöttelei über mangelnde Ueberzeugunestreue,
aber der ganze Gegenstand ist denn doch zu kraß und oberflächlich
behandelt. Die Gestalten der einzelnen Tagesschriftsteller sind
verzerrte Witzblattzeichnungen, insbesondere Fliederbusck selbst, der
durchaus nicht den Eindruck des überlegenen Spaßvogels macht, son¬
dera eines Einfaltspinsels, den das sprichwörtliche Glück der Dummen
begünstigt. Bassermann spielte ihn wenigstens gestern so und überzeugte;
es ist auch fraglich, ob es geraten wäre, die Rolle anders, d. h. ernster
anzufassen. Auch sonst war gegen die im flottesten Zeitmaß sich ab¬
spielende Aufführung nichts einzuwenden. Die Herren Wallauer,
o, Göt, Landa, Schröder, Schroth und andere gaben
einzelnen Scheiftleiter im kartkierenden Witzblattstil. Schlicht und
enswürdig spielte Ferdinand Bonn einen politisierenden Grafen und
Ilka Grüning desgleichen die einzige weibliche Rolle seiner sich nur
für Theater und Wohltätigkeitsveranstaltungen interessierenden Schwester.
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