Berliner Zeitung am Mittag
Berlin
8·922.1077
#ink und Pilebergusch
Artur Schnitzlers Komödie im=Lessing¬
Theater.
Diese Wiener Journalistenkontdie sall ein
E.
in## konn 'ich nicht nach¬
prüsen. Te# cs ein Haus schlüsselstüick ist, steht
jedenso's fest. Die langen und kurzen Pfiffe
auf den zum Oeffnen der Haustüren bestimmten
Eiseninstrumenten sind gestern nach langer Zeit
wieder einmal hterlant geworden. Sie zerrissen
das Rauschen ipeisch4eder Hände, die sich für die
Darsteller oder den Dichter bemühten. Der kam
aber nicht, dohn er war weit vom Schuß. Die
Wiener Angriffe haben ihn wohrscheinlich zag
gemacht, trotzdem er durchaus nicht der Mann ist,
der sich vor ein poar Pfissen fürchtet. Die waren
auch im Grunde ebenso überflüssig wie der leiden¬
schaftliche Apolaus der anderen, es ist ein Stück,
das weder heiß noch kalt macht, es hat eine
leme unausgesprochene Temperatur und sieht sich
an, als wär's nicht ganz fertig geworden. Eine
engetrübte Mischung von politischem Lustspiel
#nd Schwank. Als ein Abbild der zeitgenössischen
Prosse zu einseitig gesehen, ganz auf
schwarz eingestellt und darum schief, dann aber
wieder in der satirischen Tendenz gegen eine be¬
stimmte Klasse zweidentiger oder gesinnunggloser
Journalistik nicht konsequent genug, um schlie߬
lich im Bestreben heiter=auflösend und damit
ausglgichend zu wirken, leer und abgerissen zu
Pobe zu gehen. Als blanker Ulk. Aber auch ein
nicht geratener Schahler hat Reize, die anderen
Somödienschreibern das gunze Gewerk vergolden
könnten. Reize im Einfall, im leicht gleitenden
Gespräch, in Dialektschnitzeln. Schnitzler=Schnitzel.
Lo gibt einige.
Den veralteten Sournalisten Enstav Frey¬
tags, die in aller Lielenswürdigkeit doch schon
blaken wie eine verbrauchte Mogernteurlampe,
wollten schon manche eine neue Zeitungskomödie
folgen lassen, die den Faktor Presse in seinen
mitbestimmenden Einwirkungen auf Tag und
Stunde des vollleischen und sozialen Lebens mit
dem ganzon Donner der Rotationsmaschinen fassen
sollte. Im besten Fall gab es kleine Millen¬
Ausschnitte, aus denen immer nur eine Wald¬
und Wiesengeschichte herauswuchs. Um Frey¬
tags Schmock sind alle nicht herumgekommen. Er
iebt eben noch. Und Schnitzler stellt ihn gor in
den Mittolpunkt seines satirisch=politischen
Schwankes.
Er heißt Fliederbusch und ist der groteske
Repräsentant der vollkommenen geistigen Frino¬
lität. Er kann noch ganz anders schreiben links
und rechts wie sein Ahnherr; unter seinem rich¬
tigen Namen verfaßt er radikal=demokratische
Artikel in der „Gegenwart“ und heimlich schreibt
er unter dem Namen Fink reaktionär in der
klerikalen Eleganten Welt. So kommt er dazu,
als Fink gegen Fliedrbusch zu polemisieren
und als Fliederbusch den Fink, also sich selbst,
abzutun. Und als die Polemik persönlich
und beleidigend wird, muß Fink, wie es sich für
den Mitarbeiter eines Adelsblattes schickt, den
Fliederbusch zum Duell fordern. Auf diese
schwankhafte Spitze treibt Schnitzler mit
restloser Folgerung einer unpedantisch freien,
rein lustigen Voraussetzung den Konflikt. Die
Szene, in der die demokratischen Gekundanten
Fliederbuschs mit den konserrativen Zeugen
Finks in der Praterau zusammentressen, wo nur
der eine Duellant erscheint, der für die einen
Fink, für die anderen Fliederbusch ist, und Fink
vor Fliederbusch oder Fliederbusch vor Fink
geknissen hat, ist äeßerst lustig. Und die
unverschämte Aufklärung, die Fliederbusch gibt,
zeugt von einer Hemmungslosigkeit, von einem
Mangel an Skrupeln bei der Anwendung aus¬
wechselbarer Gesinnungen, die nicht nur berech¬
ememmem#s##
tigten Glauben erwecken muß, daß der sunge
Mann das Zeug zum Karrieremachen auf allen
G bieten hat, sondern auch nah verwandt ist der
rein sportlichen Lebensauffassung des konserpali¬
ven Grafen Niederhof. Dieser feudale Herr, der
eine klerikale Zeitung gründet, ohre selbst auf
eine gut ###itale Gesinnung festgelegt zu sein.
verteidigt wie ein gealterter Anatol der sich aus
die Poli#ni verlegt hat, die reine Ueberzeugungo¬
losigkeit gegen die „Monomanie“ alles streng Ge¬
sinnungshaften. Auf eine möglichst waschbart
Weltbetrachtung steuert der schnitzlerisch-gelassene
Naisonneur der Komödie hinaus.
Eines der journalistischen Häupter sagt über
den Verlauf der Dinge des Stückes: elwas sei
da ad absrkum geführt worden, er wisse nur
nicht was. Ich glaube, auch Schnitzler hat etwas
ad absundum führen wollen, von dem er nicht
genau weiß, was es eigentlich ist. Das Ver¬
gnügen, das Schnitzler an der umklappbaren
Hauptfigur hatte, ließ ihn deren Begleitgestalten,
sonst Schnitzlers reizvollste Zeichnungen, vernach¬
„
lässigen. Sie sind dürftig oder karrikiert,
oder von abgegriffener Dagewesenheit. So die
Nedakteure des demokratischen Blattes, die eine
schablonenhafte Tintenkuli=Abstempelung ohne
tiefere Wesenszüge bekommen haben. Sehr lustig
geraten ist aber der Reporter Kajetan, der
Stücke schreibt, über Wohllätigkeitsfeste und
Duelle berichtet, immer im Gehrock ist, immer
unterwegs, immer bereit, immer wichtig.
Kurt Hoet (pielt diese Figur mit einer über¬
aus komischen Charakteristik, so daß sie schauspiele.
risch die Aufführung beherrscht. Götz wäre auch
der natürliche Darsteller Fliederbuschs gewesen,
aber Bassermann hat wohl diese Rolle für
sich in Anspreuch genommen. Er hat sich dazu
jugendlich=hüpferisch und gigerlhaft gemacht, was
die Fägur ansangs läppisch erscheinen läßt. Aber
er ist auch so zu starken Wirkungen gekommen, die
seiner vollendeten Beherrschung aller schauspiele¬
rischne Mittel ja gehorsamen müssen. Ferdinand
Vonn ist der klerikale Graf Niederhof; in der
Erscheinung mehr untersetzter Landjunker als
Wiener Parlamentsaristokrat, aber im Dia¬
log gewandt und ungezwungen.
Ilka
Grüning ist eine in Klatsch und Wohltätig¬
keit machende Fürstin Priska. Diese viel
ja alles vermögende Könnerin hat auch den Ton
der lässigen Eleganz. Viktor Barnowsky
führt mit äußerster Umsicht Regle, aber er gibt
dem ersten Akt zu viel rasche und laute Bewe¬
gung, in der Herr Licho der lauteste und gesten¬
reichste und überflüssigerweise der jargonhaftest#
ist.
Emil Lines seine Zeichenkunst gibt dem
Theaterkritiker Abendstern die Züge eines
Charakters.
Norbert Falk.
Berlin
8·922.1077
#ink und Pilebergusch
Artur Schnitzlers Komödie im=Lessing¬
Theater.
Diese Wiener Journalistenkontdie sall ein
E.
in## konn 'ich nicht nach¬
prüsen. Te# cs ein Haus schlüsselstüick ist, steht
jedenso's fest. Die langen und kurzen Pfiffe
auf den zum Oeffnen der Haustüren bestimmten
Eiseninstrumenten sind gestern nach langer Zeit
wieder einmal hterlant geworden. Sie zerrissen
das Rauschen ipeisch4eder Hände, die sich für die
Darsteller oder den Dichter bemühten. Der kam
aber nicht, dohn er war weit vom Schuß. Die
Wiener Angriffe haben ihn wohrscheinlich zag
gemacht, trotzdem er durchaus nicht der Mann ist,
der sich vor ein poar Pfissen fürchtet. Die waren
auch im Grunde ebenso überflüssig wie der leiden¬
schaftliche Apolaus der anderen, es ist ein Stück,
das weder heiß noch kalt macht, es hat eine
leme unausgesprochene Temperatur und sieht sich
an, als wär's nicht ganz fertig geworden. Eine
engetrübte Mischung von politischem Lustspiel
#nd Schwank. Als ein Abbild der zeitgenössischen
Prosse zu einseitig gesehen, ganz auf
schwarz eingestellt und darum schief, dann aber
wieder in der satirischen Tendenz gegen eine be¬
stimmte Klasse zweidentiger oder gesinnunggloser
Journalistik nicht konsequent genug, um schlie߬
lich im Bestreben heiter=auflösend und damit
ausglgichend zu wirken, leer und abgerissen zu
Pobe zu gehen. Als blanker Ulk. Aber auch ein
nicht geratener Schahler hat Reize, die anderen
Somödienschreibern das gunze Gewerk vergolden
könnten. Reize im Einfall, im leicht gleitenden
Gespräch, in Dialektschnitzeln. Schnitzler=Schnitzel.
Lo gibt einige.
Den veralteten Sournalisten Enstav Frey¬
tags, die in aller Lielenswürdigkeit doch schon
blaken wie eine verbrauchte Mogernteurlampe,
wollten schon manche eine neue Zeitungskomödie
folgen lassen, die den Faktor Presse in seinen
mitbestimmenden Einwirkungen auf Tag und
Stunde des vollleischen und sozialen Lebens mit
dem ganzon Donner der Rotationsmaschinen fassen
sollte. Im besten Fall gab es kleine Millen¬
Ausschnitte, aus denen immer nur eine Wald¬
und Wiesengeschichte herauswuchs. Um Frey¬
tags Schmock sind alle nicht herumgekommen. Er
iebt eben noch. Und Schnitzler stellt ihn gor in
den Mittolpunkt seines satirisch=politischen
Schwankes.
Er heißt Fliederbusch und ist der groteske
Repräsentant der vollkommenen geistigen Frino¬
lität. Er kann noch ganz anders schreiben links
und rechts wie sein Ahnherr; unter seinem rich¬
tigen Namen verfaßt er radikal=demokratische
Artikel in der „Gegenwart“ und heimlich schreibt
er unter dem Namen Fink reaktionär in der
klerikalen Eleganten Welt. So kommt er dazu,
als Fink gegen Fliedrbusch zu polemisieren
und als Fliederbusch den Fink, also sich selbst,
abzutun. Und als die Polemik persönlich
und beleidigend wird, muß Fink, wie es sich für
den Mitarbeiter eines Adelsblattes schickt, den
Fliederbusch zum Duell fordern. Auf diese
schwankhafte Spitze treibt Schnitzler mit
restloser Folgerung einer unpedantisch freien,
rein lustigen Voraussetzung den Konflikt. Die
Szene, in der die demokratischen Gekundanten
Fliederbuschs mit den konserrativen Zeugen
Finks in der Praterau zusammentressen, wo nur
der eine Duellant erscheint, der für die einen
Fink, für die anderen Fliederbusch ist, und Fink
vor Fliederbusch oder Fliederbusch vor Fink
geknissen hat, ist äeßerst lustig. Und die
unverschämte Aufklärung, die Fliederbusch gibt,
zeugt von einer Hemmungslosigkeit, von einem
Mangel an Skrupeln bei der Anwendung aus¬
wechselbarer Gesinnungen, die nicht nur berech¬
ememmem#s##
tigten Glauben erwecken muß, daß der sunge
Mann das Zeug zum Karrieremachen auf allen
G bieten hat, sondern auch nah verwandt ist der
rein sportlichen Lebensauffassung des konserpali¬
ven Grafen Niederhof. Dieser feudale Herr, der
eine klerikale Zeitung gründet, ohre selbst auf
eine gut ###itale Gesinnung festgelegt zu sein.
verteidigt wie ein gealterter Anatol der sich aus
die Poli#ni verlegt hat, die reine Ueberzeugungo¬
losigkeit gegen die „Monomanie“ alles streng Ge¬
sinnungshaften. Auf eine möglichst waschbart
Weltbetrachtung steuert der schnitzlerisch-gelassene
Naisonneur der Komödie hinaus.
Eines der journalistischen Häupter sagt über
den Verlauf der Dinge des Stückes: elwas sei
da ad absrkum geführt worden, er wisse nur
nicht was. Ich glaube, auch Schnitzler hat etwas
ad absundum führen wollen, von dem er nicht
genau weiß, was es eigentlich ist. Das Ver¬
gnügen, das Schnitzler an der umklappbaren
Hauptfigur hatte, ließ ihn deren Begleitgestalten,
sonst Schnitzlers reizvollste Zeichnungen, vernach¬
„
lässigen. Sie sind dürftig oder karrikiert,
oder von abgegriffener Dagewesenheit. So die
Nedakteure des demokratischen Blattes, die eine
schablonenhafte Tintenkuli=Abstempelung ohne
tiefere Wesenszüge bekommen haben. Sehr lustig
geraten ist aber der Reporter Kajetan, der
Stücke schreibt, über Wohllätigkeitsfeste und
Duelle berichtet, immer im Gehrock ist, immer
unterwegs, immer bereit, immer wichtig.
Kurt Hoet (pielt diese Figur mit einer über¬
aus komischen Charakteristik, so daß sie schauspiele.
risch die Aufführung beherrscht. Götz wäre auch
der natürliche Darsteller Fliederbuschs gewesen,
aber Bassermann hat wohl diese Rolle für
sich in Anspreuch genommen. Er hat sich dazu
jugendlich=hüpferisch und gigerlhaft gemacht, was
die Fägur ansangs läppisch erscheinen läßt. Aber
er ist auch so zu starken Wirkungen gekommen, die
seiner vollendeten Beherrschung aller schauspiele¬
rischne Mittel ja gehorsamen müssen. Ferdinand
Vonn ist der klerikale Graf Niederhof; in der
Erscheinung mehr untersetzter Landjunker als
Wiener Parlamentsaristokrat, aber im Dia¬
log gewandt und ungezwungen.
Ilka
Grüning ist eine in Klatsch und Wohltätig¬
keit machende Fürstin Priska. Diese viel
ja alles vermögende Könnerin hat auch den Ton
der lässigen Eleganz. Viktor Barnowsky
führt mit äußerster Umsicht Regle, aber er gibt
dem ersten Akt zu viel rasche und laute Bewe¬
gung, in der Herr Licho der lauteste und gesten¬
reichste und überflüssigerweise der jargonhaftest#
ist.
Emil Lines seine Zeichenkunst gibt dem
Theaterkritiker Abendstern die Züge eines
Charakters.
Norbert Falk.