II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 179

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27. Einkund Fliederbuse.-
Berliner Lokalanzeiger
Morgen-Ausgabe
Berlin
G9E7.107

Ansicht volle Gegenliebe, und so entsteht der Spaß,
Schnitzlers
daß Herr Fliederbusch mit sich selbst zweikämpfen
soll. Es muß gesagt werden, daß alle drei Akte
der Komödie von diesem Spaß zehren, auf diesen
„Zink und Fliederbusch“
Spaß zugeschnitten sind, der denn auch endlich,
(Erstaufführung im Lessing=Theäter.)
kurz vor Toresschluß, zum Austrag kommt. Und
hier reichen sich endlich Satyre und Groteske, die
Man muß diese gestern mit freundlichstem Bei¬
bis dahin einander ziemlich feindselig gegenüber¬
fall aufgenommene Komödie, um sichim guten mit
standen, versöhnlich die Hand. Fliederbusch, als
ihr auseinanderensetzen, ganz vou=der leichten
Fink entlarbt, muß nicht etwa den Blamierten
Seite nehmen. Als ein loses Spit mit Worten,
spielen, sondern darf voll Genugtnung sehen, wie
Gedanken und Stichen, die schließlich in den
die „Gegenwart“ und die „Elegante Zeit“ sich mit
lange und grünklichorbereiteten Hauptspaß mün¬
Honorarüberbietungen um seine Mitarbeiterschaft
den. Hat der geisthöher strebende Arthur Schnitz¬
reißen, während er würdevoll seine vielseilige
ler diesmal wirklich nichts Bedeutenderes gewollt?
Kraft einem dritten, neuen Unternehmen weiht.
Nicht etwa gar ein Journalistenlustspiel, eine Art
Es ist — fast möchte man sagen: leider! — nicht
modernenGegenstücks zu Frehtags „Journalisten“
zu verkennen, daß Schnitzler sich emsigst bemüht
oder ein satyrisches Gemälde des modernen Zei¬
hat, aus dem Gesinnungskünstler Fliederbusch
tungsbetriebes im großen Stil? Wie dem auch
eine vertiefte und nicht nur spaßhafte Gostalt zu
sei, abzurechnen haben wir nur mit einer leicht
#machen einen außergewöhnlichen Kerl, der von
wiegenden Komödie, in der es kaum Menschen,
Augenblickseindrücken so heftig beeinflußt wird,
sondern nur mehr oder minder unterhaltsame Trä¬
daß er sich mit etlicher Ehrlichkeit heute gegen
ger witziger Schnitzlerscher Einfälle, untermischt
seine Meinung von gestern zu entrüsten vermag,
mit allerlei Ernsthaftigkeiten, und eine breit ge¬
aber trotz der zur Erreichung dieses schwierigen
haltene Zustandsschilderei gibt, zu deren Kenn¬
Zieles verwendeten Monologe des genial=einfäl¬
zeichnung das Berliner Possenwort gelten dürfte:
tigen jungen Mannes wird aus ihm keine son¬
„Da stannt der Laie, und der Fachmann wundert
derlich angenehme Figur, vor allem aber — kein
sich.“
Meusch.
Halten wir uns lediglich an den Hauptspaß. Er
Und das wahrhaft Menschliche ist auch allen
wächst aus der Figur des Journalisten Flieder¬
anderen Figuren fremb, die sich um den frag¬
busch, der — kann schreiben rechts, kann schreiben
würdigen Helden scharen. Einige, wie der Aller¬
links, kann schreiben nach allen Seiten. Herr
weltsschreiber Kajetan, sehr drollig (wenn auch
Fliederbusch zeigt uns so recht, was aus Frehtags
nicht ohne beklemmend wirkende Bühnen¬
armseligem Schmok hätte werden können, wenn
Vorbilder), typisch für die Zunft der Tages¬
ihm die Konrad Bolzens nicht mit ehrenwerterer
schriftsteller keine. Der echte Schnitzler kündet
Ausübung ihres Berufes ins Handwerk pfuschten.
sich in dem fein gezeichneten Aristokraten, Sports¬
Fliederbusch schreibt in dem ultra=reaktionären
mann und Politiker Grafen Gisbert Niederhof,
Wochenblatt: „Die elegante Zeit“ stürmisch nach
der besonders in einer freilich sehr ausführlichen
rechts und alsbald in der Tageszeitung „Die
Auseinandersetzung mit Herrn Fliederbusch mit
Gegenwart" mit gleicher Leidenschaft nach links.
jovialem Zynismus die Nichtigkeit aller Fragen
Er greift seine eigenen Artikel aufs heftigste an
und Dinge, um die die Menschen dieser Welt sich
und beschimpft den pfeudonymen Fink so wutvoll,
zu streiten pflegen, darlegt.
daß die schneidigen Redaktionsherren der „Elegan¬
Ohne einen Fliederbusch=Fink von Schauspie
ten Zeit“ nur einen Austrag dieses Zwistes zwi¬
lers Gnaden kann es dem Stück leicht übel er
schen Fink und Fliederbusch mit den Waffen für
gehen. Gestern kämpfte Bassermann für die
möglich halten. iSe finden bei den kaum minder
Rolle, die eben wirklich nur eine Rolle is
schneidigen Herren von der „Gegenwart“ mit ihrer Auch seiner Kunst der Gestaltungskraft gelan
— den Rongreß Erfuchen;
S

es nicht, diesen Eindruck zu verwischen. Er ver¬
suchte es mit einer niedlichen Mischung von
Trottelei, Verschmitztheit und ehrlicher Jungen¬
haftigkeit und brachte so auch vieles wirksam und
belustigend heraus, aber schließlich blieb die
Figur do chnur ein Witz Arthur Schnitzlers. Frei¬
lich fehlte ihm vielleicht die naibe Unverschämt¬
heit der Jugend. .. Alle übrigen Gestalten kom¬
men über den episodistischen Charakter nicht hin¬
aus. Sie fanden ausnahmslos die rechten Dar¬
steller; besonders erheiternd war Kurt Götz in
der mit fest zugreifender Komik wiedergegebenen
Rolle des Allesmachers Kajetan, sehr fein und
liebenswürig Ferdinand Bonn als Graf Nieder¬
hof, neben beiden die Herren Schroth, Wallauer,
Landa, Licho und Sternberg in hervortretenderen
Aufgaben. Ilka Grüning hatte wieder als einzige
Vertreterin der holden Weiblichkeit durch das
Vielmännerstück zu wandeln und benutzie freudig
die Gelegenheit, einmal scharmant aussohen und
mit gemütlicher Vornehmheit weanerisch plau¬
schen zu dürfen.
Julius Keller.