II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 198

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Fink und Fliederbusch
n jenen schönen Zeiten der Vergangenheit, die vier Jahre zurückliegt,
+ da in Deutschland die französischen Lustspielautoren noch aus Paris
stammen durften und nicht aus Budapest stammen mußten, da im Tria¬
non=Theater ein unfrommer Tristan Bernard unsern Ludwig „ulda ver¬
hinderte, uns des Vorzugs der heimischen Lederfabrikation teilhaft zu
machen: da gabs ein paar Wochen lang einen Herrn Gélidon, der des
Morgens für einen roten, des Abends als Montignac für einen blauen
Tanard den Leitartikel verfaßte. Am Ende ward Schmock in ein Duell
mit sich selber gehetzt; und ich erklärte, warum ich den Inhalt eines
unbeträchtlichen Stücks übertrieben ausführlich erzählt hätte: „um den
kiomödiendichtern, deutschen und fremden, zu sagen, daß sie falsch täten.
sich mit dieser unzulänglichen „formung eines ungewöhnlich ergiebigen
Stoffs zu begnügen. Schmelzt um und prägt neu. Dosiert die Zu¬
taten anders. Laßts mit Aschensalz durchdringen, daß das Spröde mit
dem Weichen sich vereint zum guten Zeichen.“ Möglich, daß dieser Kritik
„fink und Fliederbusch seine Entstehung verdankt. Geschieht mir schon
recht. Du sollst nicht kuppeln, spricht Gott der Herr.
Bernard war ausgezogen, die Presse zu beißen. Nur war ihm im
letzten Augenblick eingefallen, daß die Dresse zurückbeißt, und so be¬
ruhigte sich eine freche Satire auf die Nachkommen Schmocks zu einem
landläufigen Hindernisschwank. Aber hatte Schnitzler denn Zähne? Und
trieb es ihn, sie der Dresse zu zeigen? Voraussetzung zur Satire ist.
daß man leidet: daß man am Unsinn der Welt, an der Schlechtigkeit ihrer20
Einrichtungen, an der Dummheit und Bosheit ihrer Bewohner leidet und
ersticken würde, wenn man sich nicht durch Spott, Hohn und Bitter¬
keiten befreite. Wodurch hätte in solche Stimmung wider die Presse
grade Schnitzler geraten sollen? Sie hatte ihn ja vom ersten Tag an
verhätschelt. Sogar verstanden hatte sie ihn. Und zu einem allgemeinen
Groll aus den Herzen der unterdrückten, den Hirnen der verkannten
kiünstler und Denker und Opfer jeglicher Gattung heraus: dazu langte
es bei diesem weichen Weltkind wohl doch nicht. Ihn schütteln hier
wirklich nicht Haß und Liebe. Seine wehmütig=milde Ironie kehrt sich
gegen Auswüchse statt gegen kiernschäden. Er klagt nicht zornig
lachend an, sondern frozzelt lächelnd. Seine Malice ist immer gut ge¬
lannt. Man wünschte sich (selbstverständlich nicht von Schnitzler) eine
unpathetisch wetternde Abrechnung mit diesem Rotationsmaschinenzeit¬
alter und ihrer druckerschwärzlichen Ausgeburt, mit der Schande unsrer
kultur, mit der Verderberin alles geistigen Lebens — und erhält, was
man nennen könnte: Aus einer kleinen Redaktion; oder aus zweien.
Aus der „Gegenwart' und der „Eleganten Welt'. Dort ist die Tha¬
rakterlosigkeit mähliche „Folge des Morgen= und Abendbetriebs; hier ist
sie nahrhaftes „fundament. Im Wappen hat die Tageszeitung ein
Wetterfähnchen, das Salonwochenklatschblatt einen Revolver. Die bei¬
den Organe durch ihre Angehörigen und diese untereinander mit der
nötigen Schärfe zu unterscheiden, hat der Dichter offenbar für über¬
flüssig gehalten. Er gibt Atelierspäße, keine Körper. Auf Einer Seite
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