II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 218

27.
Einkund Fliederbusch
Telsphon 12.801

„OBSERVER“
I. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs-Husschnitte
Wien, I., Concordiap’atz Nr. 4.
Kade Kampurger Zeitns
„Hamburs.
10 5. 1978

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Deutsches Schaufpielhaus.
Fink und Fliederbusch.
Komödie in 3 Akten von Artbur Schuinler.
Wollte sich ein Kritiker darüber aufregen, wie Shnitzler
in diesem Stücke die Presse zeichnet, so verdiente er, selbst
als Figur darin vorzukommen. Er wäre genau so engherzig
wie jene Oberlehrer, die gegen die Konferenzszene in Wede¬
kinds Frühlings Erwachen entrüstet protestierten. Was dem
einen Stand recht ist, ist dem anderen billig; jeder muß es
sich gefallen lassen, gelegentlich vom Ram enlicht bestrahlt
zu werden, und nicht nur vom milden der Großväterzeit,
sondern auch vom scharfen unserer Tage. Es ist selbstver¬
ständlich, daß Schnitzler von den eigenartigen Verhältnissen
Wiens ausgeht, wo selbst das Weltblatt manche Eigenschaften
eines Wurstblatts liebevoll hegt und pflegt, wo die geschäft¬
lichen und gesellschaftlichen Rücksichten stärker binden als bei
uns und man sich rechtschaffen aufs Schweifwedeln vor
Grafen, Exzellenzen, Schauspielern und Bezirksvereinsvor¬
stehern versteht. Aber es wäre Verblendung, zu leugnen, daß
wir auch in Deutschland Blätten haben, die den Mantel
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a


Politik geworfen hat. Aber
vortrefflich nach dem Wind zu hängen wissen; wäre Selbst¬
Redaktion der Gegenwart erön
gerechtigkeit, zu bestreiten, daß es auch bei uns unter den
Lust, selbst eine Erwiderung
Presseleuten Existenzen gibt, die bei aller bürgerlichen Acht¬
sehr scharf aus. Die Folgei
barkeit innerlich einen Knax weggekriegt haben. Das Gegen¬
den Fliederbusch vor die Pist
teil wäre ein blaues Wunder, Man erwartet von der Zei¬
verläuft die Handlung völlig so
tung die Wahrheit; aber der Leser bevorzugt die Wahrheit,
nicht anders zu erwarten ist,
die ihm gefällt. Der Journalist ist neben dem Pastor der
veräbsäumte, diesen Herrn F
einzige, dessen Beruf ganz eigentlich darin besteht, täglich die
versehen. Der verfügbare G
eigene Ueberzeugung zu vertreten. Das ist ein gefährliches
den Grafen, der die Frage der
Handwerk. Keinem Beamten, keinem Fabrikanten, keinem
dem höheren Standpunkte des
Arbeiter wird ähnliches zugemutet; sie dürfen und müssen
sant und elegant erläutert.
ihre Arbeitsleistung den Wünschen der Vorgesetzten, des
unfruchtbar, denn Fink=Flieder
Publikums, des Arbeitgebers anpassen. Der Journalist da¬
das geeignete Gefäß. Dieser
gegen verliert (wie der Pastor) seine Würde, wenn er von
einer Fürstin in Krämpfe der ∆
der eigenen Ueberzeugung abgeht, riskiert aber andererseits
einen eigenen Einfall haben.
unter Umständen seine Stellung, wenn er auf seiner Ueber¬
hat er sich durch die Entdeckun
zeugung beharrt. Dieser Konflikt wird immer bestehen, so
entwertet. Es ist ein psycholo
lange es eine Presse gibt; das beweist die Erfahrung, nicht
Geschäftsleute wie die Herren
etwa nur an kapitalistischen, sondern genau so an sozial¬
Entlarvten in einer Auktion ho#
demokratischen Blättern. Das Verdienst macht es nicht allein,
für einen solchen Zweck niemal
man muß auch Glück haben, um hier heil davon zu kommen.
da sie ja wissen, daß der Sch
Denn die wirtschaftliche Abhängigkeit ist eine gewaltige
allen Umständen aufrecht erha
Macht, gegen die der einzelne schwer aufkommt.
flüssig auch die Ueberzeugun
Von dieser ernsthaften, um nicht zu sagen tragischen Seite
Graf wird den jungen Mann a
her beleuchtet Schnitzler das Problem freilich nicht. Er
lange brauchen können; den
steigt resolut in die Niederungen. Die Blätter, die er vor¬
reichen, dessen Unglaubwürdigk
führt, sind krasse Geschäftsunternehmungen recht mäßigen
Und so sehe ich trübe in Herr
Ranges. Ihnen ist die Ueberzeugung nur ein Mittel zum
vermute, er wird es zeitlebens
Abonnentenfung. Ihre Leiter sind sich darüber völlig klar
zur Redaktionswanze, wie sie
und machen auch kein Hehl daraus. Die Redakteure und
dem Kajetan gestaltet hat.
Mitarbeiler haben längst gekuscht. Mitunter flackert ein
Die völlige Unbeträchtlichke
bißchen ohnmächtige Revolte der Ausgebeuteten auf, aber
Stück die Spitze. Aller Aufwe
das nimmt keiner ernst; man gesteht sich unter Kollegen mit
dieser Aufwand ist, wie es sich
nur
mehr oder weniger Zynismus, daß man sich selbst
steht, nicht gering. Namen##
Komödie vorspielt. Die demokratische „Gegenwart“ des
sicher, die Sprache ist
Herrn Leuchter schillert in allen Farben, und Herrn Satans
zahlreichen Figuren sind
Klatschwochenblättchen „Die elegante Zeit“ hängt sich einen
Abflauen vom zweiten Akt
fromm=seudalen Schafspelz um. Sind die Verhältnisse ein¬
Gescheitheit kann die Erma
mal so weit gediehen, wie Schnitzler hier annimmt, so ist der
Lachen, das Einzelheiten des
Schmock, der kann schreiben recht und kann schreiben links,
ist nicht das Lachen, auf das
icht länger verächtliche Randfi ur, sondern vielmehr Held
Wuchs etwas einbilden könnte
und Mittelpunkt. Hier hätte sich Gelegenheit zu einer
Gespielt wurde unter Mon
blutigen Satire ergeben: wenn etwa derselbe gerissene
voller Leitung recht gut. Den
Schuft beide gegnerische Blätter in Abhängigkeit von sich
bester Laune und frischer U
gebracht und sich dadurch zum Pressekönig und Millionär
noch gewonnen hätte, wenn
ausgewachsen hätie. Oder es war die Möglichkeit zu einer
jünger ausgesehen hätte. Der
höchst lustigen Verulkung da: wenn etwa ein übermütiger
wart war vollkommen: Leucht
Abenteurer des Geistes, ein Eulenspiegel, ein „Fumiste“
becks resignierte Beamtenhafti
Pariser Schlages, sich den Spaß geleistet hätte, mit seiner
Ueberzeugungstreue, Obendorf
Feder beide Blätter zu speisen, um sie schließlich in einem
Abendsterns knirschende Ergell
dritten unsterblich zu blamieren. Schnitzler ging keinen
Berthold, Stettner, v. Dollen
dieser Wege, sondern wählte einen mittleren, mittelmäßigen.
Verkörperung. Eine Meisterl
Sein Fliederbusch ist ein Hans Naivus, ein junger, frischer
Diese Figur ist offenbar eine
Herl, der etwas anrichtet, dessen Tragweite er selbst nicht
wimmeln Redaktionswanzen all
übersieht. Kleiner Berichterstatter an der „Gegenwart",
von ihnen schreiben auch Dra
schreibt er seit kurzem in der „Eleganten Zeit“ unter
nicht die Geltung, die sie in
dem Namen Fink politische Artisel, in deren letztem
Dreistigkeit, Beharrüchkeit, Be
er aufs entschiedenste für die scharfmacherische Rede
Dauer nicht der dem Hinaus#
eines Grafen eintritt, der sich vom Rennsport auf die
S
stalt eine wienerische Bodenst
blüfste. Weniger gut schnit
Leodegar Satan hätte ein
Schäbigkeit gut getam Holstein
das Söhnchen Egon Fischels
Schnösel haben können als v
Styx Ellmars zeigte eine unsy
hin sympathischen Verkommen
glänzend vertreten durch Nhil¬
und Julia Serdas charmante
rolle des Doktors gab Wlach
falls dürfen von dem sehr fre
die Darsteller den Löwenanteil