II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 219

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27. Einkund Elinderbusch box 33/4
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Politik geworfen hat. Aber während dieser Artikel in der
vortrefflich nach dem Wind zu hängen wissen; wäre Selbst¬
Redaktion der Gegenwart erörtert wird, packt den Autor die
gerechtigkeit, zu bestreiten, daß es auch bei uns unter den
Lust, selbst eine Erwiderung darauf abzufassen. Sie fällt
Presseleuten Existenzen gibt, die bei aller bürgerlichen Acht¬
sehr scharf aus. Die Folge ist, daß Fink gezwungen wird.
barkeit innerlich einen Knax weggekriegt haben. Das Gegen¬
den Fliederbusch vor die Pistole zu fordern. Von da an
teil wäre ein blaues Wunder, Man erwartet von der Zei¬
verläuft die Handlung völlig schwankmäßig, wie es denn auch
tung die Wahrheit; aber der Leser bevorzugt die Wahrheit,
nicht anders zu erwarten ist, da Schnitzler leider gänzlich
die ihm gefällt. Der Journalist ist neben dem Pastor der
verabsäumte, diesen Herrn Fink=Fliederbusch mit Ceist zu
einzige, dessen Beruf ganz eigentlich darin besteht, täglich die
versehen. Der verfügbare Geist war bereits vergeben an
eigene Ueberzeugung zu vertreten. Das ist ein gefährliches
den Grafen, der die Frage der politischen Ueberzeugung von
Handwerk. Keinem Beamten, keinem Fabrikanten, keinem
dem höheren Standpunkte des Sporkmannes aus höchst amü¬
Arbeiter wird ähnliches zugemutet; sie dürfen und müssen
sant und elegant erläutert. Seine Weisheit bleibt leider
ihre Arbeitsleistung den Wünschen der Vorgesetzten, des
unfruchtbar, denn Fink=Fliederbusch ist für sie durchaus nicht
Publikums, des Arbeitgebers anpassen. Der Journalist da¬
das geeignete Gefäß. Dieser harmlose Jüngling, der vor
gegen verliert (wie der Pastor) seine Würde, wenn er von
einer Fürstin in Krämpfe der Devotion gerat, wird nie wieder
der eigenen Ueberzeugung abgeht, riskiert aber andererseits
einen eigenen Einfall haben. Den einzigen, den er hatte,
unter Umständen seine Stellung, wenn er auf seiner Ueber¬
hat er sich durch die Entdeckung seiner Doppelseitigkeit selbst
zeugung beharrt. Dieser Konflikt wird immer bestehen, so
entwertet. Es ist ein psychologischer Unfug, zwei geriebene
lange es eine Presse gibt; das beweist die Erfahrung, nicht
Geschäftsleute wie die Herren Leuchter und Saian diesen
etwa nur an kapitalistischen, sondern genau so an sozial¬
Entlarvten in einer Auktion hochtreiben zu lassen; sie würden
demokratischen Blättern. Das Verdienst macht es nicht allein,
für einen solchen Zweck niemals erhebliches Geld aufwenden,
man muß auch Glück haben, um hier heil davon zu kommen.
da sie ja wissen, daß der Schein der Ueberzeugung unter
Denn die wirtschaftliche Abhängigkeit ist eine gewaltige
allen Umständen aufrecht erhalten werden muß, wie über¬
Macht, gegen die der einzelne schwer aufkommt.
flüssig auch die Ueberzeugung selbst sein mag. Auch der
Telephon 12.801
Von dieser ernsthaften, um nicht zu sagen tragischen Seite
Graf wird den jungen Mann an seiner eigenen Zeitung nicht
her beleuchtet Schnitzler das Problem freilich nicht. Er
lange brauchen können; denn was kann mit einem er¬
steigt resolut in die Niederungen. Die Blätter, die er vor¬
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reichen, dessen Unglaubwürdigkeit öffentlich festgenagelt ist?
führt, sind krasse Geschäftsunternehmungen recht mäßigen
Und so sehe ich trübe in Herrn Fliederbuschs Zukunft. Ich
Ranges. Ihnen ist die Ueberzeugung nur ein Mittel zum
ltungs-Husschnifte
vermute, er wird es zeitlebens nicht weiter bringen als bis
Abonnentenfang. Ihre Leiter sind sich darüber völlig klar
atz Nr. 4.
zur Redaktionswanze, wie sie Schnitzler höchst ergötzlich in
und machen auch kein Hehl daraus. Die Redakteure und
dem Kajetan gestaltet hat.
Mitarbeiter haben längst gekuscht. Mitunter flackert ein
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bißchen ohnmächtige Revolte der Ausgebeuteten auf, aber
Die völlige Unbeträchtlichkeit der Mittelfigur raubt dem
das nimmt keiner ernst; man gesteht sich unter Kollegen mit
Stück die Spitze. Aller Aufwand ist umsonst vertan. Und
dieser Aufwand ist, wie es sich bei Schnitzler von selbst ver¬
mehr eder weniger Zynismus, daß man sich selbst nur
Komödie vorspielt. Die demokratische „Gegenwart“ des
steht, nicht gering. Namentlich der erste Akt sitzt

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Herrn Leuchter schillert in allen Farben, und Herrn Sataus
sicher, die Sprache ist so flüssig und lebendig, die
zahlreichen Figuren sind
Klatschwochenblättchen „Die elegante Zeit“ hängt sich einen
so scharf umrissen, daß das
fromm=seudalen Schafspelz um. Sind die Verhältnisse ein¬
Abflauen vom zweiten Akt an betrübend wirkt. Alle
auspielhaus.
mal so weit gediehen, wie Schnitzler hier annimmt, so ist der
Gescheitheit kann die Ermattung nicht aufhalter. Das
Schmock, der kann schreiben rechts und kann schreiben links,
Lachen, das Einzelheiten des Doppelgängerspiels auslösen,
Fliederbusch.
nicht länger verächtliche Randfigur, sondern vielmehr Held
ist nicht das Lachen, auf das sich ein Mann von Schnitzlers
Hinlel.
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und Mittelpunkt. Hier hätte sich Gelegenheit zu einer
Wuchs etwas einbilden könnte; es ist zu billig erkauft.
jen, wie Schnitzler
blutigen Satire ergeben: wenn etwa derselbe gerissene
Gespielt wurde unter Montors feinfühliger und liebe¬
net, so
verdiente er, selbst
Schuft beide gegnerische Blätter in Abhängigkeit von sich
voller Leitung recht gut. Den Fliederbusch gab Lang mit
enau so engherzig
r wäre
gebracht und sich dadurch zum Presselönig und Millionär
beiter Laune und frischer Unbekümmertheit, die freilich
en die Konferenzszene in Wede¬
ausgewachsen hätte. Oder es war die Möglichkeit zu einer
noch gewonnen hätte, wenn der Darsteller zehn Jahre
ntrüstet protestierten. Was dem
höchst lustigen Verulkung da: wenn etwa ein übermütiger
jünger ausgesehen hätte. Der Redaktionsstab der Gegen¬
m anderen billig; jeder muß es
Abenteurer des Geistes, ein Eulensviegel, ein „Fumiste“
wart war vollkommen: Leuchters fettige Brutalität, Früh¬
tlich vom Rampenlicht bestrahlt
Pariser Schlages, sich den Spaß geleistet hätte, mit seiner
becks resignierte Beamtenhaftigkeit, Füllmanns gekränkte
vom milden der Großväterzeit,
Feder beide Blätter zu speisen, um sie schließlich in einem
Ueberzeugungstreue, Obendorfers oberflächliche Fügsamkeit,
kunserer Tage. Es ist selbstver¬
dritten unsterblich zu blamieren. Schnitzler ging keinen
Abendsterns knirschende Ergebung fanden durch Jönsson,
den eigenartigen Verhältnissen
dieser Wege, sondern wählte einen mittleren, mittelmäßigen.
Berthold, Siettner, v. Dollen, Schwaiger ausgezeichnete
Weltblatt manche Eigenschaften
Sein Fliederbusch ist ein Hans Naivus, ein junger, frischer
Verkörperung. Eine Meisterleistung war Brahms Kajetan.
hegt und pflegt, wo die geschäft¬
Kerl, der etwas anrichtet, dessen Tragweite er selbst nicht
Diese Figur ist offenbar eine Wiener Spezialität. Zwar
Rücksichten stärker binden als bei
übersieht. Kleiner Berichterstatter an der „Gegenwart",
wimmeln Redaktionswangen allenihalben herum und manche
haffen aufs Schweifwedeln vor
schreibt er seit kurzem in der „Eleganten Zeit" unter
von ihnen schreiben auch Dramen aber sie haben bei uns
spielern und Bezirksvereinsvor¬
dem Namen Fink politische Artikel, in deren letztem
nicht die Geltung, die sie in Wien zu habon scheinen; ihre
ceVerblendung, zu leugnen, daß
er aufs entschiedenste für die scharfmacherische Rede
Dreistigkeit, Beharrlichkeit, Behendigkeit schützen sie auf die
blätten haben, die den Mantel
eines Grasen eintritt, der sich vom Rennsport auf die
Dauer nicht ver dem Hinauswurf, Brahm gab dieser Ge¬
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S
stalt eine wienerische Bodenständigkeit, deren Echtheit ver¬
blüffte. Weniger gut schnitt die Konkurrenz ab. Dem
Leodegar Satan hätte ein ganz kleiner Einschuß
von
Schäbigkeit gut getai, Holstein ist dafür reichlich vornehm;
das Söhnchen Egon Fischels hätte gern etwas mehr vom
Schnösel haben können als vom guten Jungen; und der
Styx Ellmars zeigte eine unsympathische statt einer immer¬
hin sympathischen Verkommenheit. Die Aristokratie war
glänzend vertreten durch Nhils weltmännische Plauderkunst
und Julia Serdas charmante Vornehmheit. Der Neben¬
rolle des Doktors gab Wlach einen feinen Umriß. Jeden¬
falls dürfen von dem sehr freundlichen Beifall am Schluß
die Darsteller den Löwenanteil beanspruchen.
H. W. F.
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