II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 235


Autor verwendet worden ist. Der Erfolg, den der Schwank dort
erzielte, hat ihm bereits den Weg ins Ausland gebahnt und
bald wird man ihn auch hier in Wien im Josefstädter
Theater sehen.
Tristan Bernard zeigt in dem Stück die politische Viel¬
seitigkeit eines französischen Journalisten, der seine Fähigkeiten
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gleichzeitig in den Dienst zweier feindlicher Parteien stellt. Der
gute Mann läßt sich in einer Provinzstadt nieder, knüpft mit der
Gattin eines Buchdruckereibesitzers ein Verhältnis an und gründet
mit Hilfe seiner Freundin ein sozialistisch=radikales Blatt, das den
Schloßherrn der dortigen Gegend heftig befehdet. Der feudale
Gegner gründet zur Abwehr ebenfalls eine Zeitung, die selbst¬
verständlich die Interessen der Konservativen zu wahren hat, und
gewinnt dafür denselben journalistischen Widersacher, den er durch
den politischen Kampf kennen und schätzen gelernt hat, als
leitenden Redakteur. Der Journalist gebärdet sich von nun an
auf der einen Seite als wütender Radikaler und auf der anderen
Seite als zäher Konservativer und bekämpft und widerlegt sich
gewissermaßen selber.
Einen ähnlichen Grundgedanken hat nun Artur Schnitzler
in seiner neuen Komödie verarbeitet, ohne natürlich von dem
undgleichteitig entstandenen Schwank Tristan Bernards Kenntnis gehabt zu
haben. Schnitzler hielt aus bestimmten Gründen das fertige Werk
für diese Saison noch zurück, während der französische Autor mit
seinem Stück vor kurzem vor die Oeffentlichkeit trat. Als Schnitzler
IIS nun den Inhalt dieses Stückes erfuhr, soll er einer Ohnmacht
nahe gewesen sein. Aber er gab sich nicht allzu lange diesen
trüben Gedanken hin, sondern schritt zu einer entsprechenden
Vorsichtsmaßregel, um nachherigen Feststellungen, Prioritäts¬
8/III. streitigkeiten usw. zu entgehen. Er ließ sich nämlich durch einen
Notariatsakt bestätigen, daß sein Lustspiel bereits vollendet
war, als der französische Schwank zur Erstaufführung gelangte.
Damit hofft er alle eventuellen Vorwürfe ein= für allemal un¬
us
hlag.
möglich gemacht zu haben. Aber ärgerlich ist die Sache trotzdem.
Das Kino übt eine unwiderstehliche Macht. Selbst angesichts
der übermenschlichen Denkmäler der Pharaonen, der Pyramiden
In
und Sphinxe ist Fräulein Clemens vom Josefstädter Theater dem
Kae
Filmzauber erlegen und agiert während des Urlaubs, den sie für
eine Reise nach Aegypten genommen hat, für Lichtspiele. Die
5.
Tätigkeit ist allerdings den Annehmlichkeiten angepaßt, die man
von einem Ausflug in das Nilland erwarten darf. Fräulein
Clemens reitet auf Kamelen in die Wüste, lebt dort in Zelten
und nährt sich von Datteln, Bananen und anderen Süßigkeiten.
Da aber die Schauspielerin sich noch vor dem Kino auch der
Abronautik zugewendet und in diesem luftigen Fache bereits eine
Probe abgelegt hat, so wird das Wüstendasein mit einem Fluge
über das Sandmeer abgeschlossen werden. Hoffentlich zieht sich der
originelle Abschluß nicht zu lange hin; aber es wäre gewiß eine
Sensation, wenn Fräulein Clemens am Ende ihres Urlaubs, der
im März abläuft, mit dem Luftballon im Theater in der Josef¬
stadt landete.
Herr Generalsekretäe Steininger vom Theater an der Wien
hat sich neulich verplauscht. Eine harmlose Aeußerung, die nur als
Regiebemerkung gedacht war, aber zur unrichtigen Zeit gemacht
wurde, hat ihm eine arge Verlegenheit bereitet. Herr Steininger
kann allerdings die Aeußerung infolge der letzten Lehar=Premiere
als Milderungsgrund geltend machen. Am Tage nach der Erst¬
aufführung klingelte es am Direktionstelephon im Theater an
der Wien, und eine sehr energische Stimme verlangte die
sofortige Ueberlassung eines Klavierauszuges von „Endlich
allein". Da die Klavierauszüge aber noch nicht fertiggestellt
waren, lehnte Herr Steininger das Begehren ab. „Ich muß
aber unbedingt heute abend den Auszug haben,“ tönte es zurück.
„Es geht wirklich nicht,“ beschwichtigte Herr Steininger, „ich be¬
komme die Auszüge selber erst um 7 Uhr abends von der
Druckerei.“ Der Mann am Telephon blieb aber hart: „Ich muß
trotzdem den Klavierauszug heute abend haben.“ Herr Steininger
wußte sich nicht mehr zu helfen. „In Gottes Namen,“ schrie er
zurück, „ich werde für Sie beim Verkaufsstand im Foyer des
Theaters einen Klavierauszug deponieren. Dort können Sie ihn
abends holen.“
Gegen 7 Uhr abends erinnerte er sich des gegebenen Ver¬
sprechens und eilte mit einem Exemplar der Klavierauszüge, die
gerade abgeliefert wurden, zum Verkaufsstand.
„Hören Sie,“ wandte er sich an die Verkäuferin, „es wird
da ein Irrsinniger kommen, der mich fürchterlich malträtiert hat,
und wird den Klavierauszug von „Endlich allein“ verlangen.
Da ... diesen Klavierauszug verkaufen Sie dem verrückten Kerl,
hoffentlich...
In diesem Augenblick unterbrach ihn ein daneben stehender
aber der Irrsinnige bin ich!“
IA. Herr: „Pardon